Paulinchen – Der Struwwelpeter

Dr. Heinrich Hoffmann 1809-1894
Kinderbuch „Der Struwwelpeter“
Schriftsteller Dr. Heinrich Hoffmann
erschienen bei: Esslinger Verlag Schreiber
ISBN: 3-480-20253-5
Altersempfehlung: ab 5 Jahren

Paulinchen war allein zu Haus,
Die Eltern waren beide aus.
Als sie nun durch das Zimmer sprang
Mit leichtem Mut und Sing und Sang,
Da sah sie plötzlich vor sich stehn
Ein Feuerzeug, nett anzusehn.
„Ei,“ sprach sie, „ei, wie schön und fein !
Das muß ein trefflich Spielzeug sein.
Ich zünde mir ein Hölzlein an,
wie’s oft die Mutter hat getan.“

Und Minz und Maunz, die Katzen,
Erheben ihre Tatzen.
Sie drohen mit den Pfoten:
„Der Vater hat’s verboten!“
Miau! Mio! Miau! Mio!
Laß stehn! Sonst brennst Du lichterloh!“

Paulinchen hört die Katzen nicht!
Das Hölzchen brennt gar lustig hell und licht,
Das flackert lustig, knistert laut,
Grad wie ihr’s auf dem Bilde schaut.
Paulinchen aber freut sich sehr
Und sprang im Zimmer hin und her.

Doch Minz und Maunz, die Katzen,
Erheben ihre Tatzen.
Sie drohen mit den Pfoten:
„Die Mutter hat’s verboten !
Miau! Mio! Miau! Mio!
Wirf’s weg! Sonst brennst Du lichterloh

Doch weh ! Die Flamme faßt das Kleid,
Die Schürze brennt; es leuchtet weit.
Es brennt die Hand, es brennt das Haar,
Es brennt das ganze Kind sogar.

Und Minz und Maunz, die schreien
Gar jämmerlich zu zweien :
„Herbei ! Herbei ! Wer hilft geschwind ?
Im Feuer steht das ganze Kind !
Miau! Mio! Miau! Mio!
Zu Hilf‘! Das Kind brennt lichterloh !“

Verbrannt ist alles ganz und gar,
Das arme Kind mit Haut und Haar;
Ein Häuflein Asche bleibt allein
Und beide Schuh‘, so hübsch und fein.

Und Minz und Maunz, die kleinen,
die sitzen da und weinen :
„Miau ! Mio ! Miau ! Mio !
Wo sind die armen Eltern ? Wo ?“
Und ihre Tränen fließen
Wie’s Bächlein auf den Wiesen.

Die Grabstätte der mit 16 Jahren verstorbenen Pauline Schmidt (27.12.1840 – 18.06.1856) gibt es tatsächlich. Sie liegt auf dem Frankfurter Friedhof „Im Gewann“ mit der Grabnummer 148. Dieser Ort ist Ziel von vielen Besuchern. Pauline Schmidt war die Tochter einer in Frankfurt lebenden Arztfamilie. Wie Historiker feststellten, ist sie nicht an ihrem Spiel mit dem Feuer gestorben, sondern an Typhus oder Lungenschwindsucht.

Bereits 1820 erschien in London das Kinderbuch „The Lily“, ein Mädchen, das mit Zündhölzern spielte. Hier handelte es sich womöglich um die Vorläuferin Paulinchens im „Struwwelpeter“.

Arzt und Autor des weltbekannten Buches „Der Struwwelpeter“ war der Psychiater Dr. Heinrich Hoffmann (1809-1894), der tagtäglich mit Krankheiten seiner jungen Patienten umgehen musste.

Die Wirkung des Buches verängstigte die kleinen Leser und galt als Warnung, nicht das Gleiche zu tun. Durch die Augen eines Kindes gesehen, waren alle Geschichten wahr und sehr einprägend. Die Bilder bewirkten mehr, als der erhobene Zeigefinger der Eltern.

Dieses Buch konnte ich bereits mit 5 Jahren auswendig. Alle Geschichten haben mich fasziniert und geängstigt zugleich. Heutzutage nennt man das ‚Schwarze Pädagogik‘, die manipuliert und verborgen Macht ausübt. Besser ein Kind schaut sich das Bild eines brennenden Mädchens an, als sich unachtsam selbst zu verbrennen.

Bei aller Vorsicht vergisst man leider, dass heute jedes Kind der Manipulation und verborgenen Macht durch Medien und sonstigen Alltäglichkeiten ausgesetzt ist.

Die Geschichten des Bilderbuches haben ihren festen Platz in meinem Kopf und sind ein Teil meiner fernen Vergangenheit.

Das bin ich, 4. Jahre alt, mit meiner „Schatzkiste“ voller Mickey Mouse Hefte und dem Struwwelpeter

Auf Sand gebaut

Templer – Kirchenfenster
Die Kirche hat in frühen Jahren, Fahnen mit Kreuz voran -
der Ritter Sturmgewand und Schwert getragen.
So hat das Elend dieser Welt im Kampf begonnen,
fuhr fort im Kriege, Waffen segnend, unter brauner Sonne. 

Zwischen Trümmern baute man ein neues Babel. 
Herrschaftlich und edel, sagen Bilder alter Fabeln,
auf hohen Felsen, einst bebaut mit Blut und Erden,
wo Aberwitz in Recht verkehrt zu Märchen werden. 

Der Hufe Klappern tönt im Geiste durch die Zeiten
und lässt beschwingte Rosse durch die Wälder reiten; 
man ahnt noch ihr Gewieher zwischen den Ruinen,
doch floh die Zeit und nahm das Bild mit ihnen. 

Noch immer stellen Macht und Geld die größten Götter;
wie einst erhoben von den Maulhelden und Spöttern.
Das Volk baut weiter die Paläste hier auf Erden.  
Zeit lässt sie, wie auf Sand gebaut, Ruinen werden.

Doch manchmal treibt der Rauch verbrannter Räume
und einst verkohlter Throne durch die Träume;
nach Brandschatzen der vielen wilden Reiter,
Jahrtausende zurück, geht Babels Gier heut weiter. 

Nach dem Frühling

Fotograf: James Gregory / Quelle: Pinterest
Die Frühlingswetter sind vorbeigezogen,
nun glüht die Sonne über Feld und Stille
und legt ein braunes Kleid über die Wogen
des Korns, in durstig trockener Ackerfülle.  

Das Blühen ist vorbei an allen Bäumen,
die Blüten längst verweht und fortgeflogen.
Was haften blieb, ruht unter Blättersäumen;
bald spricht die Herbstnatur in Epilogen. 

Der Wald gibt Raum im Blättermeer der Bäume,
denen, die Schatten suchen, sich zu kühlen,
und Vögel nässen freudig ihr Gefieder
zwischen Sonnenschirm und Gartenstühlen. 

Das Heimchen ‚grillte‘ lange noch im Grase, 
dort, wo der Bach durch Schilf und Steine trieb,
vorbei an bunter Wiese Traumoase,
nahm er das Treibgut mit sich wie ein Dieb. 

Die Rosen blühen wieder in den Gärten,
das Gold des Ginsters ziert die Ackerraine,
durstig ist die Natur, sucht Wasserfährten
zwischen Himmel und Erde - findet keine (?).

Abendglocken

Adolf Luben (German, 1837–1905)
Wenn sich zu abendlicher Stunde
der Glocke Klang vom Turme schwingt,
hinaus getrieben in die Welt,
die sich verhüllt im Abendwind,

dann gurren Tauben auf dem Dache,
der Falke zieht die Kreise dichter
und in den Häusern, nah dem Bache,
erleuchten erste traute Lichter. 

Nur das Geläut tönt durch die Reihen,
lädt ein mit Predigt und Gesang;
das Volk erscheint im frommen Schweigen,
zur Abendmesse geht ihr Gang. 

Scheu gilt ihr Blick den Heimgegangnen,
die hier in ihren Gräbern ruhen;
spüren die wandermüden Füße,
in frisch polierten guten Schuhen. 

Sie huschen auf die Kirchenbänke,
von wo sie still der Andacht lauschen,
sie singen, was sie stets gesungen,
gemeinsam mit der Orgel Rauschen. 

Windig streicht ein frisches Lüftchen,
in der Linde düstern Zweigen,
aus der Kirche Himmelsspeise
nehmen sie nach Haus und schweigen.

Haben nichts als leere Hände,
denn das Brot ist auf und teuer,
doch dem Priester schmeckt der Braten -
wohlgenährt sitzt er am Feuer. 

Sonnenaufgang – Polsprung

Quelle: Pinterest
Im Osten geht die Sonne auf - 
was, wenn der Pol einst bricht?
Die Welt verändert ihren Lauf,
verkehrt ihr Angesicht. 

Was jetzt noch grün, wird Wüste sein,
manch Land liegt dann verborgen;
fallen erst Wasserfluten ein,
erscheint die Welt von morgen. 

Versunken ist die reiche Welt,
der Menschen Not wird nichtig.
Der Polsprung will vollzogen sein,
der Neubeginn wird wichtig. 

Vertraut ist, wie die Welt sich dreht,
in Menschenmacht ertrunken,
das Chaos wird hinweggespült -
mit ‚Mann und Maus‘ versunken.

Nur Wenige, die überstehen,
Veränderung und Wandel,
die Erde wird sich weiterdrehen,
bringt Mensch und Art den Wandel. 

Die Sonne geht im Westen auf,
das Alte ist vergangen;
die Welt erscheint in neuem Licht,
so, wie sie einst empfangen. 

Frösche küssen

Quelle: Pinterest
Ob große oder kleine Fische,
so war doch stets ein Frosch dabei,
schwamm dort possierlich in der Mitte,
schien mehr als nur der Einheitsbrei. 

Er schillerte in schönsten Farben,
und quakte, wie die Geigen weinen;
wollte den Prinz im Märchen küssen,
doch war sein Nähern nur ein Schleimen.

Die Hindernisse meines Lebens 
war’n krötenreich und märchenfern;
so sehr ich sie umgehen wollte -
zum Sprung bereit, ihr Wesenskern.

Der Junge auf dem weißen Pferd,
er kommt nicht mehr, das ist gewiss.
Die Frösche sind davongehüpft –
vor einer Frau mit Storchgebiss. 

Treu und Glauben

Quelle: Pinterest
Das Sein für Andere öffnen,
für deren Glück sich freuen,
dem Seelensturm begegnen,
am Schiff der Anker sein.

Die vielen Leben tragen, 
wie Perlen an der Schnur;
des Geistes Zierde sein,
auf dessen Daseins Spur.

Nach vielen Einbahnstraßen
den Weg zum Ziele finden,
trotz aller Erdenqualen
mit Liebe ihn ergründen.

Bosheit und Lügen lösen,
wenn sie das Dasein knechten;
den Ausweg aus Gefahren
in Treu und Glauben rechten.

Als neue Sonne sehen,
was schleierhaft verdeckt;
das Licht im Innern fühlen, 
von ihrer Kraft erweckt.

Sommerspaß

Prometheus – Quelle: Pinterest
Sommertage schreiten weiter,
wärmen auf Gemüt und Sinn.
Ruhe ist dem Spaß gewichen,
Stunden gehen schön dahin.

Man verbringt sie in den Gärten,
wenn man sie zu eigen zählt;
sitzt zum Grillen vor dem Rauche,
der sich in den Himmel quält.

Steinzeit – hier lässt sie uns grüßen.
Was einst, als Prometheus Gabe,
er mit Feuer uns gegeben,
lodert heut‘ im Ur-Gehabe.

Fackelnd, in der Glut verloren,
nebeln uns Gerüche ein;
tote Tiere stehn und warten,
wollen bald gegessen sein. 

Freut euch, metzelnde Gemeinde,
Sommerzeit ist eingeläutet;
grillt, wie die Neandertaler,
frisch vom Supermarkt erbeutet. 

Des Vaters Haus

Norwegische Künstlerin Lisa Aisato Njie Solberg (* 1981)
Ist meiner Leben steter Wandel:
ich ziehe um von Haus zu Haus
und keines gleicht, mir wohl vertraut;
mal ist es wie ein Kartenhaus.

Dann stürzt es ein, das Dach von oben,
ist ungeschützt von Sturm und Regen;
nur Schmutz und Leere, ohne Licht,
so hause ich auf dunklen Wegen.

Im Traume trag ich manches Bündel,
mein Hab und Gut darin verstaut.
Meist bin ich einsam und verlassen,
so, wie die alte Wohnstatt auch.  

Lichtlos und abgewohnt die Räume -
von Menschen abgelebter Ort.
Ich hause in den kleinsten Hütten,
nur auf dem Boden leb‘ ich dort. 

Es ist ein ewig Auf und Nieder,
so, wie ein Reisen durch die Zeit.
Kaum bin ich umgezogen wieder,
bekommt mein Heim ein neues Kleid.

Gestern im Traume sah ich Räume,
die hell und rein, vom Licht beschienen;
dort zog ich ein, war nicht allein,
sah Menschen, die mir freundlich schienen.

Das Haus, es hatte einen Garten,
der mir bekannt war und vertraut,
ich konnte ihn von oben sehen,
von Brücken, die Erinnerung baut. 

Als Kind bin ich hindurch gegangen,
wohl jeden Tag zur hellen Stunde.
Sah über mir das Dach der Sterne,
die Welt in Gott geweihter Runde.

In dieses Haus möchte ich ziehen,
mein Kleid lasse ich gern zurück.
Trag des Bewusstseins kleine Kerze
hinein ins neue Lebensglück. 

Gedanken in stiller Stunde

Quelle: Pinterest

Vögel plusterten sich und schüttelten sich den Staub des Tages vom Gefieder, irgendwo ertönte von einem hohen First der Amsel trautes Lied;
ihren Sang schickt sie zum Himmel, ohne Lohn, nur um des Daseins wegen,
und hinter Wolken hüllte die Sonne sich mit Schleiern.

Stunden schritten vorwärts, schienen oft stillzustehen. Müde waren sie, wie ich, die Abgeblühte; als der Zeiger die 12 verließ, blühten sie wieder auf, zeigten sich mit lachenden Gesichtern, neu geboren, wie die neue Stunde.

Gedanken, sie treiben wie Boote mit Segeln an ferne Gestade, und manch einer sucht Heimat, doch ist er nur Treibholz am Strand. Das rettende Ufer erreichen, in Wogen und Wind mit Sternen über den Häuptern, von einer tiefen Sehnsucht nach Freiheit und Frieden getrieben.

Lässt man die Fremden sich freuen, zeigen sie lachende Gesichter im aufblühenden Leben wie die Blumen. Sie flohen vor ihren Gesetzen in unseren scheinbaren Frieden. Noch wiegen sie schwer von der Angst in ihren Booten.
Die suchenden Seelen, die kraftlos dem Nachen entsteigen, ersehnen Menschlichkeit in den Armen der Welt.

Wo sich Diesseits und Jenseits begegnen liegt der Raum der Erfüllung. Durchtränkt vom Sein, zu schwer für das Werden. Wie das rettende Ufer sein,
an dem sich Treibholz und Strandgut sammelt, zu niemandem gehörend.

Denjenigen, die Sehnsucht nach Frieden und Freiheit in sich tragen, Insel sein. Übe mit ihnen das Schweigen in tragender Stille unter den Sternen und schenke ihnen das Lächeln des Himmels zur neuen Stunde, auch denen, die angstvoll den Booten entsteigen, fremdes Land unter ihren Füßen.

Sei ihnen Heimat! Alle, die leben, ganz gleich, wo sie sich befinden, ganz gleich, welchen Stand sie haben, welche Farbe sie haben, welcher Rasse sie sind, welche Nationalität sie haben: sie sind Teil unseres Lebens, und das göttliche Gesetz trägt sie alle, und unser Geist ist mit ihnen allen vereint.