Spiegel der Seele

Quelle: Pinterest
Der Klang der Zeit ist hart;
der ‚Großen‘ Resonanz,
von Ruhm erfüllte Macht,
die durch die Feuer tanzt. 

Verbrannt sind Empathie,
zu fühlen anderer Leid.
Zu Asche und zu Staub
verweht das Demutskleid. 

Wer einen Namen hat,
dem teuer war sein Ruhm,
bezahlt mit seinem Blut.
Gierig des Molochs Tun!

Er selber zog die Kraft,
wie ein Vampir aus Leben,
die Geister, die er rief,
beherrschen all sein Streben.

Persönlichkeiten schwinden,
das Heil siegt sanft und mild.
Ein edler Seelenspiegel,
zeigt nicht des Ruhmes Bild. 

Der Juli

von Erich Kästner
Bild von Ralf Kunze auf Pixabay
Still ruht die Stadt. Es wogt die Flur.
Die Menschheit geht auf Reisen
oder wandert sehr oder wandelt nur.
Und die Bauern vermieten die Natur
zu sehenswerten Preisen.

Sie vermieten den Himmel, den Sand am Meer,
die Platzmusik der Ortsfeuerwehr
und den Blick auf die Kuh auf der Wiese.
Limousinen rasen hin und her
und finden und finden den Weg nicht mehr
zum Verlorenen Paradiese.

Im Feld wächst Brot. Und es wachsen dort
auch die zukünftigen Brötchen und Brezeln.
Eidechsen zucken von Ort zu Ort.
Und die Wolken führen Regen an Bord
und den spitzen Blitz und das Donnerwort.
Der Mensch treibt Berg- und Wassersport
und hält nicht viel von Rätseln.

Er hält die Welt für ein Bilderbuch
mit Ansichtskartenserien.
Die Landschaft belächelt den lauten Besuch.
Sie weiß Bescheid.
Sie weiß, die Zeit
überdauert sogar die Ferien.

Sie weiß auch: Einen Steinwurf schon
von hier beginnt das Märchen.
Verborgen im Korn, auf zerdrücktem Mohn,
ruht ein zerzaustes Pärchen.
Hier steigt kein Preis, hier sinkt kein Lohn.
Hier steigen und sinken die Lerchen.

Das Mädchen schläft entzückten Gesichts.
Die Bienen summen zufrieden.
Der Jüngling heißt, immer noch, Taugenichts.
Er tritt durch das Gitter des Schattens und Lichts
in den Wald und zieht, durch den Schluß des Gedichts,
wie in alten Zeiten gen Süden.
Erich Kästner (1899-1974)

Heimatlos

Der Mensch ist heimatlos und elend hier auf Erden,
wenn er, wie ausgestoßen, in der Fremde lebt.
Es trieb in Hoffnungslosigkeit und Not sein Werden,
als vom Geburtsland er in andere Kulturen strebt. 

Sein letztes Hab und Gut gibt er den Schleppern,
Familienbande lässt er hinter sich zurück,
um Glück zu finden, fern von Not und Neppern,
ein Stück vom Kuchen finden, nur ein Stück. 

Hin zu den Wohlbehüteten und Satten, 
bei vollen Tafeln in beheizten Stuben,
zu all den Ehrsamen, den Tugendhaften,
die an Verbrechen Hungriger sich nie versuchten. 

Aus Ländern, die wir aus Prospekten kennen,
zu denen die Touristen Urlaubsreisen machen,
kamen sie her, die wir die Fremden nennen, 
die sie als armes Volk beäugten und begafften. 

Niemand hat Recht, Verzweiflungstaten anzuprangern,
Urteil zu sprechen über all die Heimatlosen,
sie wissen mit der neuen Not nichts anzufangen,
wenn Wellen im Behördenwahnsinn tosen. 

Pharisäisch scheint das Treiben an den Tischen;
die Stirne aufrecht tragen sie, die Harten,
denen, die ihre schweißbedeckte wischen,
verzeihen sie nichts, der ist, nur weil er fremd, missraten. 

Sie straucheln, die Verelenden im Lande,
ihr Pfad ins Glück ist eine Straße ohne Licht.
Auch wir sind Fremde, die ins Leben fanden,
dem Wohlstand dienen wir, dem Geld, der Pflicht. 

Wir alle sind die Heimatlosen hier auf Erden,
irdische Gebundenheiten lösen, ist der Sinn,
von Süchten frei, zu reifen und zu werden,
in grenzenloser Welt, seit Anbeginn. 

Weltverbesserungspläne

Fraktal: Karin M.

Wir sind nur ein Teil eines weitgreifenden Ideenkreises,
der an Vortrefflichkeit und Unentbehrlichkeit glaubt.

Weltverbesserungspläne
schweben und fliegen so leicht ins Blaue hinein.

Gehen lernen,
im eigenen irdischen Umfeld;

auf dem Boden bleiben,
mit all seinen Unwägbarkeiten.

Die Welt verbessern,
durch ein verbessertes Ich.

Lichter

Bildquelle: Pinterest
Wie Schiffe, die sich nachts begegnen, 
sind die Verwandten meiner Seele,
und ihre Blicke sagen schwere Dinge mir vom Leben, 
wie winkend stehen sie als Lichter, 
die mich heimlich aus der Ferne grüßen.

So, wie ein Händereichen, das kurz geschieht,
danach, verstehendes Schweigen.

In meiner Einsamkeit beleben sie mein Schaffen;
bin wie ein Baum, der in der Ruhe wächst und neue Triebe zeigt.

Und hin und wieder geht ein Licht auf in Gedanken,
versenken mich in Orte ohne Zeit,
wo Wunderblumen blühen; 
Gesichter, sich lächelnd öffnen.

Gleich einem Gefäß aus Alabaster, fast durchscheinend
wird’s dann und leicht, und hell und rein. 

Im Höhenflug, da steigen auf die Träume;
ich atme Luft aus Einsamkeit und Schweigen. 

Alles Geschehens Grund zu finden,
beim Sternenflug in ewige Sphären,
die Flügel aufspannend, 
von Lichtern begleitet. 

Übersetzung:

Like ships that meet at night, 
are the relatives of my soul,
and their looks tell me heavy things of life, 
like beckoning lights they stand, 
That secretly greet me from afar.

So, like a handshake that happens briefly,
then, understanding silence.

In my loneliness they animate my work;
am like a tree that grows in silence and shows new shoots.

And now and then a light comes on in thought,
immersing me in places without time,
where miracle flowers bloom; 
Faces, opening with smiles.

Like a vessel of alabaster, almost translucent
it becomes then and light, and bright and pure. 

In the flight of fancy, there the dreams rise;
I breathe air of loneliness and silence. 

To find the reason for everything that happens,
in the starry flight to eternal spheres,
spreading my wings, 
accompanied by lights. 

Hinter dem Vorhang

Musik, du liebliche, bist Träger der Gedankenströme,
die aus mir fließen in die noch vorhandene Zeit,
und wie von weit erklingen unbekannte Töne,
die tief im Seeleninnern mir zum Lied vereint. 

Hör es im Schlafe, singend, traumbeladen;
es teilt den Vorhang, öffnet, lässt mich sehen, 
lässt Bilder aus dem Jenseits meiner Seele tragen,
die tief verschlossen ewig mit mir gehen.

Nur durch den Lichtstrahl eines edlen Fühlens,
das mehr als nur der bloßen Form entspricht,
die ohne Geistesinhalt, leer, die Normen trüben -
teilt sich der Vorhang, der sonst schwer und dicht. 

Im feinstofflichen Reich der Geistesschäume,
zerfließen alle Formen wie in bunten Dünsten,
sie flammen auf, erlöschen, werden Träume -
als inneres Sehen lichter Nachtgespinste. 

Wende

Quelle: Pinterest
Es sind die Tage, die nun kürzer werden,
die, angestrengt von Helligkeit und Licht,
die Menschen träge macht auf Erden
und Ruhe in des Lebens Trubel bricht.

Die Jahreshälfte ist so rasch vergangen,
war fassungslos im Lauf der schnellen Zeit;
so übervoll von menschlichem Verlangen,
ist‘s klein geworden, unser Erdenkleid.

Begehrlichkeiten, ein globales Treiben,
ein Ziehn und Zerren an der Macht der Welt.
Das Menschsein wird die Schwachen einverleiben,
den anderen macht es stark durch Ruhm und Geld. 

Erstickt im lauten Treiben unseres Lebens
sind all die Tränen in den Niederungen;
mutloses Hoffen, wo kein Aufwärtsstreben -
ein „Weine nicht!“, erklingt durch Engelszungen. 

Ein süßes Lied, gefüllt mit Lichtgedanken,
das trotz Entbehrung tröstet jedes Leid,
lässt Leid als Rosen bis zum Himmel ranken,
macht alle armen Seelen groß und weit. 

Doch nur der’s hören will, wird sich erweisen,
denn er erkennt die Dunkelheit um sich,
beendet dieses hoffnungslose Kreisen,
um einen Punkt: sein viel zu großes Ich. 

Tage am Strand

Bild von Sidcley auf Pixabay
Strände, gefüllt mit Menschen, die aufs Wasser starren,
die ihre Zeit verfließen lassen an den Ufern,
wo sich die Wogen schäumend türmen, gleiten,
ihr Element sich öffnet und umschließt wie Heimat.

Wo Möwen kreischen und zu Schwärmen in den Häfen
nach Nahrung suchen, zwischen all den Booten,
und auf den Promenaden geht, mit flatternden Gewändern,
die Heiterkeit mit alltagsmüden Augen, hinter Sonnenbrillen.

Da ist ein Lachen, dort Musik und Kinder, der Großstadt müde,
laufen hin zu den Gestaden; Muscheln, die an Land getrieben,
halten sie wie Gold in ihren kleinen Händen,
tragen sie in ihre Plastikwelt zurück, wie wahre Schätze. 

Sonne strahlt auf eingecremte, blasse Leiber -
wie Panade setzt sich Sand auf ihre Haut, oft rot gefärbt von Glut,
gesalbt, doch schutzlos vor Natur und Elementen,
ihnen preisgegeben, frei und ungezwungen.

Wie eine Hand voll Sand ist die durchlebte Zeit.
Ich fühle, wie er stetig durch die Finger rinnt;
öffne die Hand, lass‘ ihn vom Wind verwehen,
hin zu den Wellen unterm Sternenhimmel. 

Willkür

S.O.S. – Evelyn De Morgan (1855 -1919)

Mit Willkür ist des Staates Macht
so voll und ganz durchwoben,
dass sie den Menschen Leiden schafft,
die sie zum Dienst erhoben.

Was wir gewählt in manchem Gang,
trug doch nur eine Maske,
die scheinbar groß, rhetorisch gut,
zu unsren Wünschen passte.

Bestimmungen sie sind geschrieben
wohl auf recht dehnbarem Papier.
Erwartungsvoll erhoffst du Frieden,
doch naht sogleich ein Kriegsgewirr.

Du hast als Bürger viele Rechte,
geschrieben auf geduld’gem Grunde
doch gibt’s genauso viele Schächte,
die wohl umgehen diese Kunde.

Erst wenn am Boden du schon kriechst,
mit blutig, blauen Knien,
du deinen Rücken krumm dir biegst,
wird dir Gehör verliehen!

Zur Ewigkeit

Künstlerin: Lisa Aisato – Quelle: Pinterest
Ewig soll‘n sie währen, diese Leben,
ausgegossen aus dem heil’gen Gral,
wie ein Tropfen Heiltrank aus dem Lichte,
in nicht feststellbarer großer Zahl. 

Auferblühn zu neuer Kraft und Stärke,
voller Lichtgedanken und Ideen,
die in guten Taten ihrer Werke,
mit dem Siegel „Göttlichkeit“ versehen. 

Aufgerichtet aus dem Tal der Trauer,
als der Trost der Heilung Lehre nahte,
im Berühren Christus Traumgewandes,
sich die Liebe Gottes offenbarte. 

Wie ein süßes Lied, ein Kinderlachen –
wie das Sehnen nach der Mutterhand,
geht ein Streicheln durch die fiebrig‘ Wachen,
tröstet sanft die Kranken, die es fand. 

Lernten, ihre Schmerzen zu verbergen,
lächelten in Tränen und in Leid;
über sich hinausgewachsen ist die Seele,
fort von Dingen hier, zur Ewigkeit.