Katzen

Albert Anker (1831-1910)

Vergangnen Maitag brachte meine Katze
zur Welt sechs allerliebste kleine Kätzchen,
Maikätzchen, alle weiß mit schwarzen Schwänzchen.
Fürwahr, es war ein zierlich Wochenbettchen!

Die Köchin aber, Köchinnen sind grausam,
und Menschlichkeit wächst nicht in einer Küche –
die wollte von den sechsen fünf ertränken,
fünf weiße, schwarzgeschwänzte Maienkätzchen.

Ermorden wollte dies verruchte Weib.
Ich half ihr heim! – Der Himmel segne
mir meine Menschlichkeit! Die lieben Kätzchen,
sie wuchsen auf und schritten binnen kurzem

erhobnen Schwanzes über Hof und Herd;
ja, wie die Köchin auch ingrimmig drein sah,
sie wuchsen auf, und nachts vor ihrem Fenster
probierten sie die allerliebsten Stimmchen.

Ich aber, wie ich sie so wachsen sah,
ich preis mich selbst und meine Menschlichkeit. –
Ein Jahr ist um, und Katzen sind die Kätzchen,
Und Maitag ist’s! – Wie soll ich es beschreiben,

das Schauspiel, das sich jetzt vor mir entfaltet?
Mein ganzes Haus, vom Keller bis zum Giebel,
ein jeder Winkel ist ein Wochenbettchen!
Hier liegt das eine, dort das andre Kätzchen,

In Schränken, Körben, unter Tisch und Treppen,
Die Alte gar – nein, es ist unaussprechlich,
Liegt in der Köchin jungfräulichem Bette!
Und jede, von den sieben Katzen

hat sieben, denkt euch! sieben junge Kätzchen,
Maikätzchen, alle weiß mit schwarzem Schwänzchen!
Die Köchin rast, ich kann der blinden Wut
nicht Schranken setzen dieses Frauenzimmers;

Ersäufen will sie alle neunundvierzig!
Mir selber, ach, mir läuft der Kopf davon –
O Menschlichkeit, wie soll ich dich bewahren!
Was fang ich an mit sechsundfünfzig Katzen!?

Hans Theodor Woldsen Storm (1817-1888)

So nah und doch so weit

Totes Lamm im Schnee – Briton Rivière (1840 -1920)

Ach, würd‘ die Welt doch singen,
bis in den lichten Tag,
in Harmonien klingen,
wie’s Herz und Seele mag.

Ach, würd‘ die Welt genesen,
mit vogelreichem Sang
und Wahrheit uns erlösen,
ein ganzes Leben lang.

Ach, wär doch endlich Stille
und Ruh auf dieser Welt.
Nur Gutes tun, der Wille,
ein Dasein ohne Geld.

Ach, wäre doch schon Frieden,
Gesundheit ohne Leid.
Die Lager voller Blumen
und Kinder voller Freud.

Ach, schmerzte nicht das Sehnen
nach der Vergangenheit…
mit allen Lebensplänen –
so nah und doch so weit.

Hartes Landleben

Hans Andersen Brendekilde (1857-1942)

Wintermüde war die Landschaft
und die Lager leer gegessen. –
Karge Äcker! Stark und standhaft
waren die Alteingesess’nen.

Heimatlich ruht Dorf und Scholle.
Erde, die uns reich gemacht!
So auch ruhte manche Knolle,
in der Nebelfelder Pracht.

Sturmes Zeiten kamen wieder,
fegten durch den Wolkenpfad,
machten müd geword’ne Glieder
alter Bauersleute schwach.

Und des Frostes letztes Mühen
trieb mit tödlich kaltem Herz,
hinderte des Lenzes Blühen,
und das Volk schrie himmelwärts.

Doch aus gnadenlosen Himmeln
regnete es glücksverloren.
Sonne ließ die Hoffnung schimmern,
als ein neuer Tag geboren.

Und die vielen Hoffnungsfrohen
weinten unter ihren Bäumen.
Heimaterde, trink die Tränen,
lass die Frühlingssterne träumen!

Kaninchen

Paul Hoecker (1854-1910)

Hinter dem Haus – ein Kaninchenstall,
bot ihnen ein liebloses Heim.
Das war halt so, ich warf lieber Ball,
zum Nachdenken war ich zu klein.

Urin durchtränkt und von Kot übersät,
war der Stall – kein schöner Ort.
Vater war der, der säubert und mäht,
denn sie fraßen in einem fort.

Doch hinter dem Haus war zu wenig Grün,
und wir zogen mit Leiterkarren
in „den Bruch“, um Kettensalat zu ziehen,
für alle, die hungrig waren.

*Bruch = Rheinaue Homberg

Felix Schlesinger (1833-1910)

Nach einem halben Jahr etwa,
ging Vater allein in den Garten.
und sonntags gab es dann sogar
Kaninchen als Sonntagsbraten.

Dann eines Tages lernte ich schnell,
was mich schier mit Leid berührte,
als mein geliebter „Hansi“ ohne Fell,
hing an der alten Türe.

Ich war schockiert, war lange betrübt
und habe seitdem beschlossen,
nie wieder zu essen, was ich geliebt,
schon gar keine Hausgenossen.

Mainacht

Ostseestrand – Eugen Dücker 1841-1916

O meine selige Jugend!
Blaue Tage am Ostseestrand,
wenn in den grauen Schluchten
jeder Baum in Blüte stand.

O glühende Sommernächte!
Am offenen Fenster durchwacht.
Ferne Gewitter rollten
im Westen die ganze Nacht.

Und über den Lindenwipfeln
führten im Blitzesschein
die alten Preußengötter
ihren ersten Frühlingsrein.

Herden und Saaten segnend,
schwanden sie über das Meer.
Ihre hohen Bernsteinkronen
blitzen noch lange her.

Agnes Miegel (1879-1964)

Frühlingssturm

Der Sturm – Pierre Auguste Cot (1837 -1883

Jubelnd treibt ein Frühlingssturm
durch irdisch weiten Raum,
singt hoch sein Lied vom Wolkenturm,
hält Luftikus im Zaum.

Er treibt durch Länder, grenzenlos,
mit tausend Flügelpaaren,
sein aufgeblähtes Sein ist groß,
mit ihm himmlische Scharen.

Der Aufgeblühtes sprengt und trägt
mit sich das neue Leben,
der über Berg und Täler fegt,
dem Sonnenlicht entgegen.

In Windes Eile

Bild von Comfreak auf Pixabay

Hörst du den Klang der Welt vorüberziehen?

Der Wind trägt ihn auf kühlen Schwingen,
hebt hoch den Frohsinn und das Singen,

im Auf und Ab des Flügelschlags.
Trägt auch den Hilfeschrei des Tags,

und nachts des tausendfachen Sterbens!
Im Wind singt uns die Stimme des Verderbens,

die Angst vor Krankheit, Hunger, Armut auf den Flügeln.
Unbändig, rastlos lehrt er uns zu zügeln,

Begehrlichkeiten dieses Weltgeschehens.
Zeigt auf die bittren Quellen des Entstehens,

die auch die Quelle allen Leidens ist.
Frevel zu lindern, das ist Lebenspflicht!

Seelenleuchten

The Kiss – Silvio Allason (1845-1912)

Es war im Blicke seiner Augen,
ein Funken von Verbundenheit;
an wahre Liebe wollt‘ ich glauben,
an Feuer in der Dunkelheit.

Da war ein Leuchten unsrer Seelen,
etwas ergriff mein ganzes Herz,
es schien vom Boden mich zu heben
und gleichsam zog es voller Schmerz.

Es waren kurze Glücksmomente,
ein Losgelöst sein von der Zeit.
Des Glücks Sekunden sind zu Ende,
Erinnerung beschwert mein Herz.

Wieder ist Frühling! Aufgewühlt,
geht weit zurück ein altes Hoffen.
Nie wieder hab ich so gefühlt!
Kein Herz schien mir so nah und offen.

Sehnsucht und Einsicht

Élisabeth-Louise Vigée-Lebrun (1755-1842)

Lang lag ich wach in abendlicher Stunde,
mein Körper müd, jedoch gedankenhell.
Wird es bald Nacht? Ersehnte Traumsekunde!
Wie ging mein Tagesablauf gar so schnell?

Der frühe Morgen, dem ich einst entstiegen,
ist schon durchlebt. Bin nicht bereit zu scheiden!
Seh‘ die Vergangenheit Revue passieren
auf bunten Wiesen, meiner Kindheit Weiden.

Da lockte neue Sehnsucht mit Erfüllung,
der Geist ließ meine Seele tanzend heben;
des Lebens Suche nach stets neuer Stillung
ließ manches Abenteuer mich erleben.

Ich sah mich selbst, die Hände streckend
nach manchem Glanz, der keiner war.
Zerstörend, seh‘ ich müd mich recken,
das greifend, was sich mir versagte.

Bedenkenlos war’n viele meiner Stunden,
die ich an manchem Tag durchlebte.
So ist Vergangenes mit ihm verschwunden,
was bleibt: das von mir selbst Gesäte.