Heimatland

Auszeit am See – Ulla Genzel, Kevelaer (1960 -)

Ein Lauschen in die Stille hinein,
letztes Vogelsingen am Feldesrand.
Kein Motorenlärm zwischen Häuserreihen,
in Natur bettet sich das weite Land.

Wege verlaufen durch Feld und Flur,
eine Bank bietet Ruhe und Rast,
der Sonnenglanz sprüht eine Abendspur
auf Blätter, gemildert im Glast.

Mit Sternenaugen schaut vom Abendhimmel
der tröstende Gott herab,
fern von Sorgen und Weltgetümmel,
ruht in Frieden der Wanderstab.

Muttersprache, Heimatglück!,
zwischen Bäumen und leichten Winden,
längst entschwunden meinem Blick,
jedes Erinnern ein Wiederfinden.

Lebensfeuer

Caspar David Friedrich 1774-1840- Die Lebensstufen

Es löscht der Lebenswind
die Feuer unsrer Herzen;

so wie die Flamme,
die ein kühler Hauch erfasst,
schmilzt unsre Erdenzeit
wie heißes Wachs der Kerzen,

bis auch der letzte Funke
ihrer Glut verblasst.

Wir werden einst
von dieser Welt geschieden;

so wie die Pforte,
die zuletzt ins Türschloss fällt,
sind wir alsdann getrennt
von unsren Lieben,

doch öffnet sich die Weite
einer andren Welt.

Himmlische Berührung

Sulamith Wülfing 1901-1989

Dein Bild berührt mich sanft in Träumereien,
verspür’ die Nähe Deiner sich’ren Führung,
darf mich an der Unendlichkeit der Liebe freuen,
genieße die Sekunden himmlischer Berührung.

In meinen Taggedanken bist Du mein Begleiter,
verbunden stets durch Deiner Worte Kraft,
bist mir im Hintergrund mein stiller Leiter,
der meines Daseins Fülle Sinn verschafft.

So, wie das Liebesglück gepaart mit Tränen,
folgt der Enttäuschung bange Hoffnung dann,
und der Erfüllung folgt alsdann das Sehnen,
so bindet uns ein flüchtig’ Leben ewig lang.

Mein Leben

Bild von jplenio auf Pixabay

Ich habe über vieles geschrieben,
Gott, Glaube, Natur und vergangene Lieben,

ich holte die fernsten, tiefsten Gedanken
zurück, wie’s die Momente verlangten.

Preis gab ich vergangene Situationen,
die vergeben, doch unvergessen, in mir wohnen.

Meine letzten Schritte in Wald und Feld
ließ ich Revue passieren – fern meiner jetzigen Welt.

Krankheiten machten den Riegel davor,
sodass ich den Zugang zum Außen verlor.

Ich habe gelebt, geliebt und gelacht,
doch für vieles wurde das Ende gebracht.

So manches konnte ich nie probieren,
in vier Wänden gefangen, muss mein Körper parieren.

Es schmerzt mancher Schritt; ich bin froh darum,
dass die Lähmung verging, nun leide ich stumm.

Wie alles vergeht, ist mein Leben geschlossen,
so manche Träne hab ich still vergossen.

Mein jüngster Sohn wurde mir genommen,
der ältere?…Ich erinnere mich verschwommen.

Menschen, die ich kannte, erscheinen, im Traum,
schon lange fort, mit ihnen Vertrauen.

Sie nahmen Werte, die ich im Leben schuf,
verletzten meine Seele. Mich machte Schaden klug.

Was blieb, sind meine Tiere, die kleinen Begleiter,
Katzen standen immer ganz oben auf der Leiter.

Sind meine treuen Engel, in Freud und Leid verbunden,
sind allerletzte Tröstung in meinen Lebensstunden.

Frühnebel

Bild von NickyPe auf Pixabay

Erste Frühnebel verschleiern die Stadt,
vom nahenden Herbst ein Erinnern.
Die Nachbarschaft in gedämpftem Matt,
in den Fernen ein graues Schimmern.

Ich freu mich auf Astern und Heidekraut,
den Balkon in Lila zu schönen,
auf gedämpftes Sonnenlicht, mild vertraut,
färbt die Blätter bunt, die jetzt grünen.

So erfrischend ist es, wenn Hitze vergeht,
Heißluft ist für mich eine Plage.
Der Herbst steht bereit, die Sommerzeit geht,
mit ihr gehen die Spätsommertage.

Seelenfarben

Das Spektrum der Farben dieser Welt,
das der Wahrnehmung nicht ins Auge fällt,
ist ein weißer Strahl gebrochenen Lichts,
das durch Prismen erzeugte Nuancen bricht.
Weiß, zunächst durchsichtig neutral,
unsichtbar, mit Allem und Nichts im Strahl,
Akzente setzend, sie hervorzuheben,
Lebendigkeit des Auges und des Lebens,
durchscheinendes Dasein der reinen Farben,
ein Regenbogen der bunten Gaben;
darstellend sachlich, doch verbindend im Schein,
unzerlegbar und strahlend im natürlichen Sein.

Tropfen

Wasserperlen kleben auf der Scheibe –
unaufhörlich wie der Regen rinnt.
Tropfen, schillernd im kristallnen Kleide,
fließen ineinander mit dem Wind.

Wie die Tropfen waren wir verbunden,
spürten uns bei Tag, im stillen Traum.
Nun ist alles, was uns band verschwunden,
keine Liebe füllt den toten Raum.

Kalt und leer hast du dich selbst beschrieben,
denn dein Lebenskrug brach jäh entzwei.
Nichts als Wehmut ist zurück geblieben,
und der Regen klopft den Takt dabei.

Alle Wärme wurde mir genommen,
spür‘ nur Kälte statt Geborgenheit.
Wird die Sonne nach dem Regen kommen,
oder gar ein neuer Winter vor der Zeit?

Regentag

Hugo Wilhelm Kauffmann (1844-1915)

Ein Sommertag erwacht aus Träumen,
vertreibt die kühlen, dunklen Stunden,
und durch die dicht belaubten Bäume,
ersehnt man der Sonne goldenes Funkeln.

Dem Wind im Wald der Blätter lauschen,
ihr Auf und Ab, Wiegen und Schwingen,
luftig durchfährt sie ein Klingen und Rauschen,
bringen der Erde ein seliges Singen.

Die Sonnenkraft zeigt gemilderten Glanz,
dunkle Wolken durchstreifen den Himmel,
manchmal erscheint ihr Strahl in Distanz,
den Sonnenschein wird sie nicht bringen.

Bis zum Abend entladen sich Tropfen zuhauf,
prasseln gegen die Fensterscheiben.
Der Himmel macht seine Schleusen auf,
wird des Sommers Wärme vertreiben.

Liebesqual

Faust, Mephisto und Gretchen im Spiegel

Sie streicht mit sanfter Feder
über deine Haut.

Ein zartes Spiel,
noch lächelst du,
dem Streichelnden vertraut.

Doch jedes lose Gleiten
wird schnell zur Folter dir,
und du erstarrst
beizeiten.

Gefährlich ihre Kür.
Gefühlskalt geht sie mit dir
ganz grausam ins Gericht.

Sie lächelt noch,
mit Grausen erkennst du
ihr Gesicht.

Sie lacht das gleiche Lachen,
aus dem die Lust entsprang,

geöffnet war ihr Rachen,
mit dem sie dich verschlang.

Nun liegst du ihr im Magen,
du wälzt dich in der Qual.

Trotzdem würdest du sagen:
„Dasselbe noch einmal“.