Nebel

überzieht das Land mit feuchten Schleiern,
verbirgt den Weg, der vor uns liegt.

Silhouetten lassen die Ferne erahnen,
Scherenschnitt-Bäume,
Zweige, so zart und gebrechlich,
doch stark im Wind.

Gnädiger Weichzeichner der Natur,
versteckst Arges unter grauen Tüchern,
verlangsamst unsere sicheren Schritte,
schaffst unscharfe Blicke
durch verminderte Transparenz.

Unwegsamkeit des Lebens
im gefilterten Licht -
Erinnerungen an den Herbst.

Ich wünsche allen Lesern einen schönen Sonntag !

Jungfräulich

Neu, unbenutzt – ein leeres Blatt,
wie eine Jungfrau, unberührt.
Ein Schreiber, von Ideen satt,
fühlt sich vom edlen Bild verführt. 

Da liegt es, inhaltslos und rein,
so unbenutzt, der Lockung voll;
wie es ihn anreizt, ‚ruft‘: „Sei mein!“;
das Schreiben wird für ihn ein Soll. 

Was in ihm ist, schreibt er hinaus,
Gedanken voll ist das Papier,
so leert er seine Seele aus,
das, was er fühlt, er schreibt es hier. 

Ideen, erfunden, ausdrucksstark,
sind doch nur Bilder, die er dachte, 
die später dann, an Deutung schwach,
als große Religion erwachten.

Wie auf Wolken

Quelle: Pinterest
Wenn sich auch Wolken vor die Sonne schieben,
durchdringend ist des Lichtes Kraft,
die Nebel werden fortgetrieben,
es bleibt, was ewig Leuchten schafft.

Steig auf zum sonnbeglänzten Meer,
lass alle Nebelwolken ziehen,
dann wird dein Blick, von oben her,
die Erde ungetrübt besehen. 

Gib deiner Seele weißen Glanz,
lass sie mit klarem Weitblick sehn,
schenk dich dem hohen Lichte ganz,
dann wirst du wie auf Wolken gehn.

Herbst-Impressionen

Quelle: Pinterest
Der Himmel ist bedeckt 
und Regen rinnt,
der Boden nass befleckt
bevor der Guss beginnt,
und an den Fenstern
nässen Tropfen Scheiben.

Wie feuchte Herbstgespenster
Spiele treiben!

Mit Wolkendecken ist die Welt verhangen,
das Leben trägt ein tristes Kleid.
Der Sommer ist schon lang vergangen,
und in den Zweigen ruht die Zeit. 

Energie

Bild von Hans auf Pixabay
Milliarden Lichter gehen um die Welt,
es sind Gedanken, die wie Blitze strahlen.
Kein Wissenschaftler hat sie je gezählt,
sie sind wie Energie, in unbegrenzten Zahlen.

Jeder Gedanke, farblich eingebettet,
schwingt in des Denkers Eigenartigkeit;
wie eine Flamme, die nuancenhaft verkettet,
in vielen Farben strahlt sein geistig‘ Kleid. 

Geheimnisvolle Energie der Kolorite,
nur für geschulte Augen deutungsvoll.
All die Gedanken, Wünsche, Lebensschritte,
sind Energie, von Farben übervoll.

Finstre Gedanken müssen sich erhellen,
nur Wissen schafft hier neue Horizonte;
die Seelen löschen ihre schwarzen Stellen
durch Liebe, wie vom Glück Besonnte. 

Das höhere Selbst Gottes

Quelle: Pinterest


Kann man sich daran gewöhnen, sein Kind in ständiger Gefahr zu wissen?

Ich bin kein Kriegskind, versuche mich jedoch in die Zeit hineinzuversetzen. Man war stolz darauf, wenn die Söhne das Vaterland verteidigten und in den Krieg zogen. Als Mutter blieb man besorgt zurück. Als Soldaten wurden sie an die Front abkommandiert, in den letzten Kriegsjahren waren sie teilweise nur 15 Jahre alt.

Wie konnte das möglich sein, dass Mütter ihre Kinder, ihre gesunden, kräftigen, jungen Söhne, in diesen Massenmord schicken mussten? Mit jedem neuen Krieg ist die Menschheit wieder einmal so tief gesunken, dass sie einander mit grausamen Mitteln tötet. Waren nicht gerade diese gesunden, jungen Söhne dazu berufen, eine neue und starke Generation zu zeugen? Diese werden zuerst getötet, weil nur sie zum Soldaten tauglich sind.

Die schwachen, kranken Männer bleiben daheim, zeugen ebensolche Kinder, während die gesunden jungen Männer im Kampf ausgerottet werden. Das ist der schnellste Weg zur Degeneration der ganzen menschlichen Rasse. Doch anscheinend ist die Menschheit schon so tief gesunken, dass sie diese Wahrheit nicht kennt. In ihrem blinden Hass gegeneinander und aus Angst voreinander tötet sie die besten Generationen.

So sehen es meine menschlichen Augen. Doch sehe ich tiefer in mich hinein, sieht meine Wirklichkeit etwas anderes. Nichts kann ohne Gottes Willen geschehen, und was immer auch geschieht, ist gut, weil es in Seinem Willen geschieht. Alles, was geschieht, ist nur ein Streben nach dem verlorenen Gleichgewicht, nach dem verlorenen Paradies!

Dies gibt mir Mut, weiterzuleben und meine täglichen Pflichten zu erfüllen, obwohl ich schwer daran trage, Millionen andere in dieser Schlachterei aufeinander schießen zu sehen.

So schwer es auch fällt: Niemand darf sich an eine andere Person binden! Es schmerzt, meinen Sohn loszulassen, den ich unter meinem Herzen getragen hatte, damit er wiedergeboren werden konnte. Ich denke an seine körperliche Erscheinung, aber lieben tue ich ihn in Gott, als Offenbarung des unpersönlichen Göttlichen, als höheres Selbst.

Das Universum ist die Offenbarung des einen, einzigen Gottes. Habe ich meinen Sohn verloren, nur weil ich seine Person nicht mehr sehen kann? Weil er Fleisch aus meinem Fleisch war und sein Blut aus meinem Blut? Ich darf mich nicht mit Fleisch und Blut identifizieren. Ich bin viel mehr und er ist es auch! Bei voller Bewusstwerdung bin ich mit dem ganzen Weltall identisch und kann nichts und niemanden verlieren.

Es darf keinen Unterschied machen, ob ich mein Kind oder einen fremden anderen Menschen verliere, denn dasselbe Selbst Gottes wechselt jedes Mal einen seiner vielen Körper. Ich muss den Verlust meines Fleisches und Blutes, was mich jetzt so entsetzlich schmerzt, vollkommen besiegen!

Alles vergeht, nur die wahre Liebe vergeht nicht! Wir können einander nicht verlieren und werden uns wiederfinden. Wo immer wir auch sind, die Liebe wird uns immer zueinander führen. Wenn zwei Menschen einander lieben, bedeutet das, dass sie die Einheit des Selbst in ihrem Bewusstsein erleben. Sie fühlen, dass sie zueinander gehören, weil sie im Selbst eins sind.

Mitten im Leben

Quelle: Pinterest
Wandle auf ausgetretenen Pfaden,
tief sind die Spuren eingebracht,
doch nach der Sonne blassem Tagen,
erfolgte mir kein Tag, nur Nacht.

Es ist der Monat, der mir grauste,
webte zu oft des Weggangs Muster.
Der Tod, mitten im Leben haust er,
so unbarmherzig, kalt und duster.

Wie eine Kerze angebrannt,
löst sich das Lebenswachs im Licht.
Nach kurzem Feuer dann verschwand
der Geist des Lebens und es bricht.

Es bleibt ein körperloses Schweben,
ein Dasein, unbeachtet still.
Verborgen sind im Geistesleben,
die um uns sind, so Gott es will. 

Herzlichkeit

Herbst-Vision – Victor Prouvé (1858-1943)
Sie können in die Ferne sehen,
von schlanken Birkenzweigen,
sie sehn die alte Welt verblühn,
schaukelnd im Jahresreigen. 

Die Krähen ziehen ihre Kreise,
verwaist sind schon die Felder;
das Jahr geht auf Erholungsreise,
das Laub wird braun und gelber. 

Die Gärten sind längst keine mehr,
nur kurzgeschorener Rasen,
Ein Blatt darauf scheint hier verquer,
Beton ziert die Terrassen. 

Natur geht fort im Bau der Welt,
künstlich, das neue Denken;
gebt Herzlichkeit zurück, sie fehlt,
der Große Geist wird’s lenken.

Lieb Vaterland

Lieb Vaterland,
du hast nach bösen Stunden,
aus dunkler Tiefe einen neuen Weg gefunden.

Ich liebe dich,
das heißt, ich hab dich gern,
wie einen würdevollen, etwas müden, alten Herrn.

Ich kann dich nicht aus heißem Herzen lieben.
Zu viel bist du noch schuldig uns geblieben.
Die Freiheit, die du allen gleich verhießen,
die dürfen Auserwählte nur genießen.

Lieb Vaterland magst ruhig sein,
die Großen zäunen Wald und Ufer ein,
und Kinder spielen am Straßenrand,
lieb Vaterland.

Lieb Vaterland, wofür soll ich dir danken?
Für Versicherungspaläste oder Banken,
und für Kasernen, für die teure Wehr,
wo Schulen fehlen, Lehrer und noch mehr?

Konzerne dürfen maßlos sich entfalten,
im Dunkeln stehn die Schwachen und die Alten.
Für Krankenhäuser fehlen dir Millionen,
doch das Geschäft mit Schwarzgeld scheint zu lohnen. (1998 geänd.)

Lieb Vaterland magst ruhig sein,
die Großen zäunen ihren Wohlstand ein,
die Armen warten mit leerer Hand,
lieb Vaterland.

Lieb Vaterland, wofür soll ich dich preisen?
Zu früh schon zählt ein Mann zum alten Eisen.
Wenn er noch Arbeit will, du stellst ihn kalt -
als Aufsichtsrat sind Greise nicht zu alt.

Die alten Bärte rauschen wieder mächtig,
doch junge Bärte sind dir höchst verdächtig,
Das alte Gestern wird mit Macht beschworen,
das neue Morgen, deine Jugend, geht verloren.

Lieb Vaterland, magst ruhig sein,
doch schlafe nicht auf deinen Lorbeeren ein.
Die Jugend wartet auf deine Hand,
lieb Vaterland.

Lieb Vaterland, magst ruhig sein,
doch schlafe nicht auf deinen Lorbeeren ein.
Die Jugend wartet auf deine Hand,
lieb Vaterland!

Text: Udo Jürgens / Eckart Hachfeld 1974

Atem des Alls

Carl Spitzweg (1808-1885) – Der Nachtwächter
Ihr schlafenden Seelen der Erde,
gefangen im Käfig der Angst,
dass euch der neue Tag werde,
voll guter Dinge und Glanz.

Erheben soll euer Gedanke,
die gefangene Seele zum Geist.
Macht hoch die geschlossene Schranke,
sie hängt an der Kette der Zeit.

Treibt im Gemüt neue Blüten,
obwohl uns der Herbst hält in Bann.
Bestäubt sie mit Worten der Güte,
erntet die Frucht lebenslang. 

Erhebt euer Denken im Geben,
nehmt, was der Tag euch beschert.
Seid der Atem des Alls und des Werdens,
senkt voll Demut herab euer Schwert.