Der Knabe im Moor

von Annette von Droste-Hülshoff

O schaurig ist's übers Moor zu gehn,
Wenn es wimmelt vom Heiderauche,
Sich wie Phantome die Dünste drehn
Und die Ranke häkelt am Strauche,
Unter jedem Tritte ein Quellchen springt,
Wenn aus der Spalte es zischt und singt! –
O schaurig ist's übers Moor zu gehn,
Wenn das Röhricht knistert im Hauche!

Fest hält die Fibel das zitternde Kind
Und rennt, als ob man es jage;
Hohl über die Fläche sauset der Wind –
Was raschelt drüben am Hage?
Das ist der gespenstische Gräberknecht,
Der dem Meister die besten Torfe verzecht;
Hu, hu, es bricht wie ein irres Rind!
Hinducket das Knäblein zage.

Vom Ufer starret Gestumpf hervor,
Unheimlich nicket die Föhre,
Der Knabe rennt, gespannt das Ohr,
Durch Riesenhalme wie Speere;
Und wie es rieselt und knittert darin!
Das ist die unselige Spinnerin,
Das ist die gebannte Spinnenlenor',
Die den Haspel dreht im Geröhre!

Voran, voran! Nur immer im Lauf,
Voran, als woll es ihn holen!
Vor seinem Fuße brodelt es auf,
Es pfeift ihm unter den Sohlen,
Wie eine gespenstige Melodei;
Das ist der Geigemann ungetreu,
Das ist der diebische Fiedler Knauf,
Der den Hochzeitheller gestohlen!

Da birst das Moor, ein Seufzer geht
Hervor aus der klaffenden Höhle;
Weh, weh, da ruft die verdammte Margret:
„Ho, ho, meine arme Seele!“
Der Knabe springt wie ein wundes Reh;
Wär nicht Schutzengel in seiner Näh,
Seine bleichenden Knöchelchen fände spät
Ein Gräber im Moorgeschwele.

Da mählich gründet der Boden sich,
Und drüben, neben der Weide,
Die Lampe flimmert so heimatlich,
Der Knabe steht an der Scheide.
Tief atmet er auf, zum Moor zurück
Noch immer wirft er den scheuen Blick:
Ja, im Geröhre war's fürchterlich,
O schaurig war's in der Heide.
Annette von Droste-Hülshoff (1797-1848) – Gemälde von Johann Josef Sprick

Weltgeschehen

Bild von Bela Geletneky auf Pixabay
Welt wird irgendwann vergehen
und der Mensch, wie wir ihn kennen,
wird in ungeheurer Flamme
ausgelöscht und niederbrennen.

Der aus Dunst und Staub gewoben,
spurlos ist mit ihm verschwunden,
was vor zig Millionen Jahren
einst erschaffen zum Gesunden.

An die Großen der Geschichte,
die verwüstet manche Staaten:
Seid erkannt, wie eure Frevel,
deklariert als ‚große‘ Taten!

Voll von Gräuel, blutrot vom Töten,
ist der Welt verstrickt Gewebe.
Fort muss sie, im großen Säubern,
fern von hoffnungsleerer Rede.

Himmel, DU schaust auf sie nieder:
Menschheit leistet keine Sühne,
wie beim Turmbau, der zu Babel,
wurd‘ zur mahnenden Ruine. 

Was geprägt so manche Zeit -
Reichtum herrschte und Verdruss,
unter Volksbegehr und Jubel:
Gutes mordet man zum Schluss.

Wer kann das Bewusstsein ändern?
Ist immer nur ein Mensch allein!
Geht selbstlos durch das Weltgeschehen,
der Fülle fern, scheint er nur klein. 

Gestalt als Mensch, erfüllt vom Geist,
war eindrucksvoll durch gute Tat.
Seiner Rede Weisheit lebt,
der vom Volk Gequälte starb.

Die im Bann der Welt gefangen,
gebunden sind, an beiden Händen,
sollen lichtvoll sich befreien
und der Mensch sich aufwärts wenden. 

Schöpfungsnacht hat angefangen,
es ist die siebte an der Zahl.
Gott schuf die Welt an sieben Tagen?
Was folgt danach? Hat man die Wahl?
BewusstseinsstufenBeginnInitiation
Kosmisch2011Transformation
Galaktisch1999IT-RevolutionHubble: All ist unendlich; Einstein: e=mc²
Planetar1755Industrialisierung
National3115 -10500 v. Chr.SchriftJesus Botschaft wird verbreitet
KulturSprache40 TJ v Chr.: Kunst entsteht
Menschen/StämmeMenschen800 TJ v Chr.: Der Mensch entdeckt Feuer
Anthropoide/FamilienAffenFarbsehen wird möglich
Säugetiere/Individualkomplexe Lebensformen315 MJ v Chr.: aus dem Wasser an Land
ZellulärMaterie

Schöpfungstage lt. Maya-Kalender und Bibel:
1. Schöpfungstag              Gott des Feuers und der Zeit

1. Schöpfungsnacht         Gott der Erde

2. Schöpfungstag              Göttin des Wassers

2. Schöpfungsnacht         Gott der Sonne und der Krieger

3. Schöpfungstag              Göttin der Liebe und Geburt

3. Schöpfungsnacht         Gott des Todes

4. Schöpfungstag              Gott des Mais

4. Schöpfungsnacht         Gott des Krieges und des Regens

5. Schöpfungstag              Herr des Lichts

5. Schöpfungsnacht          Herr der Finsternis

6. Schöpfungstag              Göttin der Geburt           

6. Schöpfungsnacht         Gott des Sonnenaufgangs

7. Schöpfungstag              Dualer Schöpfergott

7. Schöpfungsnacht         ? (wir befinden uns in diesem Zeitraum)

Wie schön blüht uns der Maien

Wie schön blüht uns der Maien,
der Sommer fährt dahin.
Mir ist ein schön Jungfräulein
gefallen in meinen Sinn.
Bei ihr da wär mir wohl,
wenn ich nur an sie denke;
mein Herz ist freudenvoll.

Bei ihr, da wär ich gerne,
bei ihr, da wär mir‘s wohl.
Sie ist mein Augensterne,
strahlt mir ins Herz so voll.
Sie hat ein roten Mund,
sollt ich sie darauf küssen,
mein Herz würd mir gesund.

Wollt Gott, ich fänd im Garten,
drei Rosen auf einem Zweig,
ich wollte auf sie warten,
ein Zeichen wär mir´s gleich.
Das Morgenrot ist weit,
es streut schon seine Rosen.
Ade, mein schöne Maid!

Liebeslied aus dem 16./17. Jahrhundert. Text nach einem Gedicht von Georg Forster (1510-1568). Neu vertont von der deutschen Gruppe „Zupfgeigenhansel“ in den 1980er Jahren.

Die Toten begraben

René-Antoine Houasse ((c. 1645–1710), Apollo pursuing Daphne (detail), 1677
Ich bin kein Träumer, kein Hans-guck-in-die-Luft,
bin nur ein Mensch, der in der wirren Welt nach anderen Wegen sucht,
der nicht den Weg als Ziel erkennt und fällt,
weil er das ferne Ziel für unerreichbar hält,

der nicht die Weisheit sucht in alten Religionen,
wo in Bekenntnissen des Glaubens Tote wohnen,
wo Aberglauben siegt. - Die Weisheit liegt so nah!
Die Wahrheit Gottes ist lebendig, immerdar.

Geschmäht, getötet, die Reformer und die Seher,
die Idealisten, all‘ die heiligen Weltversteher;
bekämpft, verspottet, die dem Tod Geweihten,
doch ihre Botschaft lebt, bis hin in ferne Zeiten.
 
Wachstum im Staub der Theologie? Sie wuchs durch Tod!
Ist unfruchtbar. Gab Heuchelei und Dunkelheit als Brot.
Wissen und Licht erfüllt sollen die Wege sein,
doch geht man sie, ist man in dieser Welt allein.

Mit Wurzeln tief im materiellen Lebensraum,
darf ich die Krone breiten, einsam wie ein Baum,
fruchttragend, hier im Tal der Einsamkeiten,
mit Weitsicht in den Abendhimmel schreiten. 

Schatz der Zeit

Quelle: Pinterest – „Schatz der Zeit“ – Fotolia
Auf den Schwingen zur Ewigkeit
fliegt die Zeit ins Vergessen,
und was Mensch prägte, Freud und Leid,
was jemals er besessen,

ist nur des Körpers flüchtig Ding,
gelöst und frei vom Band der Welt;
woran er wuchs, woran er hing,
wird wieder unberührtes Feld.

Wie Staub ist alles hier auf Erden,
was längst verweht, schlecht oder gut,
bedingt das Blühen und das Werden
der Schöpfung Geist, des Lebens Blut.

Die Engel haben keinen Ruhm,
nur Geisteskraft – die Kraft zu dienen.
Gib uns die Kraft, dass wir posthum
den Staub der Ewigkeit besiegen. 

Ein offenes Buch

Quelle: Pinterest
Ist ein unbeschriebenes Blatt,
das gefüllt mit Geisteskraft,
etwas, das sich selbst beschreibt,
denn es lebt, beseelt, beleibt.

Wie es ‚ruft‘ mit ganzer Kraft,
treibt heraus mit aller Macht,
Wort für Wort saugt es ans Licht,
und das Schweigen, das es bricht,

das in wunder Seele harrte,
verschlossen sich nicht offenbarte,
es zieht heraus aus dem Verließ,
als das Blatt ihm Wahrheit wies; 

auch die Gefühle gibt es frei,
zu schwer ist der Gedankenbrei,
will auf Papier beschrieben stehn,
erst dann kann er im Kopfe gehn.

So füllt das Leben manches Blatt,
Geschichten und Gedanken satt.
Wie’s endet? Ach, das ist gewiss
ein offenes Buch. – Es endet nicht! 

Rosenzeit

Love among the ruins – Sir Edward Coley Burne-Jones (1833-1898)
In der Zeit, in der die Rosen blühten,
blühte auf in meinem Herzen, sehnsuchtsvoll,
ein Gedanke, trunken noch von Mythen,
die mit falschem Denken überhöht das Soll. 

Tief in mir begann ein wehes Sehnen,
ein Begehren nach dem Unbekannten,
das romantisch klang in mir, in Tönen,
die ich stets belacht bei Artverwandten. 

Und mein Ohr, es lauschte Nachtigallen,
die mit Inbrunst in den Abend sangen;
flog mit ihnen durch die Rosenhallen,
deren alte Mauern von der Liebe sangen. 

Sind so lange her, die fernen Stunden,
und die Paare, die hindurchgegangen,
haben hier ein kurzes Glück gefunden,
fern von aller Welt, im Traum verfangen.

Rosen blühten, doch die harten Dornen 
drangen tief und mahnend bis zum Herzen.
War doch nur ein Traum, ein Seelenformen,
brachte mir die klare Sicht mit Schmerzen. 

Lang schon gilt mein Sehnen Dingen,
die meine Seele und mein Herz erfreuen.
Ich fand mich selbst im steten Ringen -
Liebe heißt wachen im ewigen Sein. 

Gedenken an Friedrich von Schiller – zum Todestag am 09. Mai 1805

aus meinem autobiografischen Roman „Schiller Erinnerungen
Gemälde von Anton Graff

Den Abend des 28. April hatte ich bei Hofe in meiner prächtigen grünen Galauniform verbracht, und Voß (Anm.: Professor am Weimarer Gymnasium) hatte beim Ankleiden beteuert, dass ich gut und gesund aussähe.

Am Abend des 30. April begegnete ich Goethe zum letzten Male vor meinem Haus, als ich gemeinsam mit meiner Schwägerin Karoline auf dem Weg ins Theater war. [..]

Als das Stück endete, kam Voß wie gewohnt zu mir in die Loge, um mich nach Hause zu begleiten und fand mich in einem solch heftigen Fieber, dass mir vom Schüttelfrost die Zähne klapperten. Schon auf dem Weg ins Theater war mir mein Zustand seltsam vorgekommen, denn ich spürte mit einem Male den Schmerz meiner linken Seite nicht mehr, der mich jahrelang begleitet hatte. 

Zu Hause angekommen, ließ ich mir zur Stärkung einen Punsch machen, und Voß fand mich am Morgen des 1. Mai völlig apathisch auf dem Sofa liegend. Meine Kinder kamen zu mir und küssten mich, was ich teilnahmslos hinnahm, ohne darauf zu reagieren. Lotte ließ mein Bett im Arbeitszimmer aufstellen und benachrichtigte Doktor Huschke, da Professor Stark mit der Großfürstin in Leipzig weilte. Huschke tat alles Mögliche, um mir zu helfen, doch es fehlte ihm die Erfahrung, denn er hatte eine solche Krankheit noch nie behandelt und diagnostizierte in seiner Unwissenheit ein rheumatisches Seitenstechfieber, ohne zu ahnen, dass es sich um eine akute Lungenentzündung handelte.

Anfangs empfing ich Besuch, doch da das Sprechen meinen Husten vermehrte, war es mir am liebsten, wenn Lotte und ihre Schwester alleine um mich waren, und auch als Voß sich erbot, weiter des Nachts an meinem Bett zu wachen, blieb ich lieber mit meinem treuen Diener Rudolph alleine. Ich sehnte mich sehr nach dem Besuch meines Schwagers, der sich jedoch ebenfalls in Leipzig aufhielt.

Bis zuletzt beschäftigte mich mein Demetrius, und obwohl ich mir selbst verbot, meinen Zustand bewusst wahrzunehmen, versuchte ich meinen eigenen Worten: „Der Tod könne kein Übel sein, da er etwas Allgemeines sei“, zu vertrauen. Die Ängste kamen trotzdem, nicht nur vor dem Unausweichlichen, sondern auch davor, meiner Familie „Adieu“ sagen zu müssen – sie alleine zu lassen, wo meine jüngste Tochter gerade erst auf der Welt war.

Wie gerne hätte ich manches noch ausgesprochen, doch am 6. Tag schwand meine Sprache, und aus Angst vor Schmerzen bat ich Gott, er möge barmherzig sein mit mir und dem Leiden schnell ein Ende setzen. Sobald ich schlief, sprach ich im Delirium und sah im halbwachen Zustand, wie sich der Vorhang zwischen der irdischen und geistigen Welt langsam öffnete und mir ein Einblick gewährt wurde, der mich ruhig werden ließ.

Ich fragte, ob das die Hölle oder der Himmel sei, und beim Erwachen blickte ich zufrieden lächelnd in die Höhe, um dem Lichtwesen nachzusehen, das mir tröstend erschienen war, um mich abzuholen.

Noch einmal verlangte ich meine jüngste Tochter zu sehen, um sie ein letztes Mal zu betrachten und ihre kleine Hand zu halten. Mein Innerstes war voller Ruhe, und ich bat darum, man möge die Vorhänge öffnen, denn ich wollte noch einmal den Himmel sehen.

In der folgenden Nacht kreisten die Gedanken wieder um den Demetrius, und am Morgen des 9. Mai 1805 schlief ich bis gegen zehn Uhr, und da ich darüber klagte, dass mir Angst ums Herz sei, verordnete mir Doktor Huschke die anstrengende Maßnahme eines Bades, mit dem ich mich schwertat.

Um meinen Kreislauf zu stärken, gab er mir ein Glas Champagner, doch dann trat Besinnungslosigkeit ein. Ich sprach im Delirium und erkannte keinen Menschen mehr, auch nicht Lotte, die verzweifelt neben meinem Bett kniete und meine Hand hielt. Gegen drei Uhr nachmittags trat vollkommene Schwäche ein, mein Atem fing an zu stocken, und es fuhr wie ein elektrischer Schlag durch mich hindurch, bevor sich der irdische Vorhang schloss und mir der himmlische geöffnet wurde.

An Friedrich von Schiller 
von Gisela Seidel
Fort bist du lange schon,
doch hier noch so präsent,
dass deine Gegenwart zu spüren,
augenschließend ich vermag.
Lässt mir das große Schweigen,
das niemals meinen Namen nennt.
So plötzlich kam der Schmerz,
verfinsterte den Tag.
Suchtest den Weg in ferne Dimensionen,
gabst von der Ewigkeit, die du versprachst,
mir nur ein kleines Stück;
wo Seraphinen in Traumwelten wohnen,
dorthin brachte dein Todesengel dich zurück.
Gewährte Zerberus dir Einlass in sein Reich,
so zahl ich heute noch dafür Gebühr.
Erscheint dein Antlitz vor mir engelsgleich,
streck’ ich in manchem Traum die Hand nach dir.
Werd’ niemals wieder deiner Stimme lauschen
und niemals deinen warmen Atem spür‘n.
Wie könnt’ ich mich an deiner Gegenwart berauschen,
wie sehr möcht’ ich mit dir den Himmel sanft berühr’n!
Vergangen und vorbei – vergessen, nie so ganz;
am Ende meines Weges sei bereit,
reich’ mir die Hand zum eig’nen Totentanz
auf dem Parkett durch die Unendlichkeit.

Zeit der Ruhe

Bild von Bruno /Germany auf Pixabay
Der nahe Abend löscht schon bald das Licht,
die Sonne scheint im Horizont versunken,
Das Land verhüllt sein müdes Angesicht,
der Himmel rötet sich, noch sonnentrunken. 

Parzellen teilen ihre Flächen, grün und braun,
das Mondlicht legt sein fahles Licht darüber,
auf ersten Saaten bis zum Himmelssaum
liegt Nachtwind, macht die Erde kühler. 

Die Träume wandern durch die Heimatwelten
und in den Häusern dunkelt helles Licht.
Harmonie im Herzen, lässt im Schlaf vergelten,
was mancher Mund im Wachsein niemals spricht. 

Gott im Geiste, halte schützend Deine Hände 
über jede Heimstatt, ihren Nöten,
lass des Menschenhasses Brände
wandeln sich in Morgenröten. 

Nun will der Lenz uns grüßen

Altes Volkslied dessen Text von Karl Ströse (1853-1918) erstmals veröffentlicht wurde; vertonte Fassung von Gustav Weber 1886

Peder Mørk Mønsted (1859-1941) – Im Garten
Rundfunk-Jugendchor Wernigerode
Nun will der Lenz uns grüßen,
von Mittag weht es lau;
aus allen Ecken sprießen
die Blumen rot und blau.

Draus wob die braune Heide
sich ein Gewand gar fein
und lädt im Festtagskleide
zum Maientanze ein.

Waldvöglein Lieder singen,
wie ihr sie nur begehrt,
drum auf zum frohen Springen,
die Reis’ ist Goldes wert!

Hei, unter grünen Linden,
da leuchten weiße Kleid!
Hei ja, nun hat uns Kinden
ein End’ all’ Wintersleid.