Das letzte Kapitel

Am zwölften Juli des Jahres 2003
lief folgender Funkspruch rund um die Erde:
dass ein Bombengeschwader der Luftpolizei
die gesamte Menschheit ausrotten werde.

Die Weltregierung, so wurde erklärt, stelle fest,
dass der Plan, endgültig Frieden zu stiften,
sich gar nicht anders verwirklichen lässt,
als alle Beteiligten zu vergiften.

Zu fliehen, wurde erklärt, habe keinen Zweck,
Nicht eine Seele dürfe am Leben bleiben.
Das neue Giftgas krieche in jedes Versteck,
man habe nicht einmal nötig, sich selbst zu entleiben.

Am 13. Juli flogen von Boston eintausend
mit Gas und Bazillen beladene Flugzeuge fort
und vollbrachten, rund um den Globus sausend,
den von der Weltregierung befohlenen Mord.

Die Menschen krochen winselnd unter die Betten.
Sie stürzten in ihre Keller und in den Wald.
Das Gift hing gelb wie Wolken über den Städten.
Millionen Leichen lagen auf dem Asphalt.

Jeder dachte, er könne dem Tod entgehen,
keiner entging dem Tod und die Welt wurde leer.
Das Gift war überall, es schlich wie auf Zehen.
Es lief die Wüsten entlang, und es schwamm übers Meer.

Die Menschen lagen gebündelt wie faulende Garben.
Andere hingen wie Puppen zum Fenster heraus.
Die Tiere im Zoo schrien schrecklich, bevor sie starben.
Und langsam löschten die großen Hochöfen aus.

Dampfer schwankten im Meer, beladen mit Toten.
Und weder Weinen noch Lachen war mehr auf der Welt.
Die Flugzeuge irrten mit tausend toten Piloten,
unter dem Himmel und sanken brennend ins Feld.

Jetzt hatte die Menschheit endlich erreicht, was sie wollte.
Zwar war die Methode nicht ausgesprochen human.
Die Erde war aber endlich still und zufrieden und rollte
völlig beruhigt ihre bekannte elliptische Bahn.

Erich Kästner (1899-1974)

Autor: Gisela

Bitte auf meiner Seite "Über mich" nachlesen.

6 Gedanken zu „Das letzte Kapitel“

  1. Ich denke auch, dass sich die Menschheit eines Tages selbst auslöscht! Wir werden das wohl nicht mehr erleben, aber passieren wird es… so oder so!
    LG

    1. Ja, leider sehe ich das auch so. Wir denken immer, dass die bösen Außerirdischen die Welt zerstören wollen. Dabei sind wir das höchstwahrscheinlich selber. Ich bedaure die Generationen, die nach uns kommen. LG

  2. Gisela, es wird mit Sicherheit wahr werden. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, wann es passieren wird.
    Keiner der vielen Frevler glaubt daran, denn in ihrer Arroganz halten sie sich für unantastbar – sie denken SIE können das alles zu ihren Gunsten steuern.
    Doch das ist ein (ihr) großer Irrtum!

    Schon vor einigen Jahren war genau dieses Thema der Stoff für eine sehr hitzige Debatte zwischen einigen guten Bekannten und mir. Schon Damals führte die Diskussion zu keinem Ergebnis, es gab nur weitere Fragezeichen. Das ENDE wird sich nicht vorher anmelden!

    Es gibt, wie ich finde, einen passenden Spruch: „Der Krug geht solange zum Brunnen bis er bricht!“

    Ich gebe die Hoffnung darauf nicht auf, dass die Menschen sich doch noch eines Besseren besinnen werden.

    1. Liebe Lilo, das Gedicht beinhaltet viel Wahrheit. Ob wir das noch miterleben müssen? Es stützt sich ja auf diverse Weissagungen hierzulande, die alle über drei Tage sprechen, an denen niemand Türen und Fenster öffnen soll, weil man dann stirbt. Es gibt leider immer noch genügend Idioten auf der Welt, die über Geld verfügen, um die ganze Menschheit ins Unglück zu stürzen. Zum Glück kennt man weder Tag noch Stunde.

      Lilo, ich wünsche Dir einen schönen Abend und grüße herzlich, Gisela

Kommentar verfassen