Die alten Wege

Albert Anker (1831-1910)
Ich kenn die Stadt, in der die Mauern flüstern;
hier wuchs ich auf, die Straßen ungeteert.
Koksrauch ließ manche Häuserfront verdüstern, 
wie ein zerschlissenes Kleid, von Ärmlichkeit beschwert.

Und jede Pfütze glitzerte im Regen -
wir Kinder stapften fröhlich durch die Lachen,
auf bordsteinlosen, dunklen Wegen,
wo Regenwürmer durch die Erde brachen. 

Die alten Straßen trugen meine Schritte,
aus jedem Haus sprach die Vergangenheit;
verhallt ist jeder meiner Kindheits-Tritte,
mir eilt voran der Gang der Lebenszeit. 

Das Alte ist längst fort und abgehandelt;
das Schicksal schlägt im Buch die Seite um.
Was hat der Mensch belassen, was gewandelt?
Die Münder meiner Ahnen bleiben stumm! 

Als ihre Herzen pochten und die Quellen flossen, 
aus denen sich der Sehnsucht Klarheit nährt,
wie zuversichtlich wirkten sie entschlossen
auf falschen Wegen, die das Glück verwehrt.

Das Leben ist des Lichtes reiner Segen,
bewahre ihn, der selbst dich ‚reif‘ gemacht.
Des Vaters Glanz liegt wie ein Blüh’n auf Wegen,
senk demutsvoll davor dein Haupt herab.

Autor: Gisela

Bitte auf meiner Seite "Über mich" nachlesen.

4 Gedanken zu „Die alten Wege“

  1. Liebe Gisela, beim Lesen Deiner schönen Zeilen steigen viele Bilder in mir auf, alle fast zeitgleich. In der Gegenwart schlummert die Vergangenheit, gleichzeitig lässt sie auch der Zukunft freie Bahn. Wie kostbar sind doch Erinnerungen! Sie helfen uns, mutig auf das Kommende zuzugehen. Danke Dir vielmals und liebe Grüsse, Elisa

    1. Danke für Deine Worte, liebe Elisa. Ja, für das Kommende müssen wir alle mutig sein. Wenn es Helden gibt, dann jeder in seinem eigenen Leben. Lass uns stark sein! Ganz liebe Grüße, Gisela

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