Schicksal

Vladimir Kush (1965*)- „Birth of love“
Ins irdische Geschehen geboren,
mit einem Bild, das längst umrissen,
musst ernten, was moralverloren,
du einst gesät im Ungewissen.

Fügst ersten unbeholfnen Schritten 
in Freiheit Licht und Schatten ein;
dem schicksalhaften Weg entglitten,
wird zwingend eine Wandlung sein. 

So ist die Freiheit deines Weges
ein Akt, der einen Ausgleich sucht.
Aus Geisteswelt hast du’s errungen,
weil dich ein neues Leben ruft. 

Trittst durch das dunkle Tor der Stille,
geboren, blind und ahnungslos.
Aufwachen, Träumer! Es ist eigner Wille.
Ändern des Schicksals - dein Erdenlos.  


See der Erinnerungen

Eugen Taube (1860-1913)
Was wir als ‚überstanden‘ wähnen,
treibt noch im tiefen See „Erinnerung“,
wir stehn am Ufer, fassungslos und stumm,
füllen das Nass mit neuen Tränen.

Ein Teil von uns liegt auf dem Grund,
Vergangenheit beschwert, wie Stein,
bald gleiten wir, zu unbekannter Stund‘,
ganz tief in seine Fluten ein.

Vergesslich ist der Mensch im schnellen Schritt,
die Zeit wirft Schatten, malt ein dunkles Bild.
Wir fühlen das, was einst hinunterglitt,
Gedanken voll mit Hoffnung, Schmerz erfüllt. 

Wir gehn den Kreuzweg der Natur, allein;
die Tiefen, in uns selbst bezwungen,
zurückgerufen werden wir einst sein -
in neue Höhen ist der Geist gedrungen.

Erinnerung - ein stilles Lebensgrab.
Der See liegt ruhig im mondenmilden Schein;
sein silbrig‘ Band schmückt Ort und Wanderstab,
zeigt, was es heißt, Träne im See zu sein.

Aktion und Reaktion

Quelle: Pinterest
Wie die Wasser sich im Fluss ergießen,
nährt die Ausgeglichenheit den Klang der Resonanz.

Wo ein Meer ist, werden Ströme fließen,
beide sind der Ursprung der Substanz.

Jedem Tun folgt die Bilanz der Taten,
deren Wirkung gleicht dem Mittelpunkt.

Seele liebt den schlichten Lebensgarten,
stille Wasser ruhn auf tiefem Grund;
 
Echo ist der Widerhall der Töne,
gleich sind Reaktion und Handlungsakt;

Wandrer sieht trotz hartem Weg das Schöne,
denn er nutzt des fernen Klanges Kraft. 


In lauten Stunden

Quelle: Pinterest – Künstler unbekannt

In den lauten Stunden des Tages ruhend zu bleiben, inmitten der Unruhen der Zeit, im Innern Stille suchen, eine Insel sein, zwischen den Winden.

Klärende Gedanken zu haben, in der Verworrenheit des Zeitgeschehens,
den Großen Geist zu spüren, in der Zerrissenheit des Lebens.

Wer sich von der Kraft des Lebens in ständiger Bewegung fühlt
und von dessen Strömen und Fließen fortgetrieben wird,
kann sich den Quellen der heiligen Kräfte nicht öffnen.

Nur auf dem Kanal der inneren Ruhe sind die Laute der geistigen Welt vernehmbar.
Diese Zugänglichkeit ist gleichzeitig ein Schutz gegen den lärmenden Zeitgeist.

Durch diese Verbindung gelingt es, mit dem Maß des Göttlichen das Irdische zu messen und das Irdische auf den göttlichen Ursprung zurückzuführen.

Die einst reine Schöpfung wurde zur körperlichen Hülle,
ist ein missgestalteter oder verdorbener Ausdruck, hier auf Erden.

Den Weg zum inneren Kern, zur Wahrheit des göttlichen Ausdrucks,
weist die geistige Zugänglichkeit und Verbindung.

Wie ein Schutzschild dient sie dem Empfänger, befreit oder leibgebunden.

Übersetzung:

To remain at rest in the noisy hours of the day, in the midst of the turmoil of time,To seek silence within, to be an island, between the winds.

To have clarifying thoughts, in the confusion of the events of the time,to feel the Great Spirit in the turmoil of life.

To feel the power of life in constant motion,and is carried away by its flowing and flowing, cannot open himself to the currents of the sacred forces.

Only on the channel of inner peace are the sounds of the spiritual world audible.

This accessibility is at the same time a protection against the noisy spirit of the time.

Through this connection it is possible to measure the earthly with the measure of the divine and to the earthly back to the divine origin.

The once pure creation became a physical shell, is a misshapen or corrupted expression, here on earth.

The way to the inner core, to the truth of the divine expression, is shown by spiritual accessibility and connection.

Like a shield, it serves the recipient, liberated or body-bound.


Fremde Welt

Quelle: Pinterest
Die Welt, in der wir leben, ist wie ein fremdes Reich,
wir sind dem fernen nah, das nicht dem uns’ren gleicht.

Schau nicht die ‚Schattenpflanzen‘, sie nähren sich im Hass,
es strahlen Sonnenaugen, wenn sie die Sanftmut fasst.

Fremd, das Getragenwerden im warm getränkten Strom,
der auf den Sonnenwegen in reinen Herzen wohnt. 

Die sich wie Unkraut breiten, im Dunkeln, übers Land;
sie werden bald vergehen, zum kalten Tod verbannt. 

Dort, wo der Strom der Sonne, das Licht der Liebe speist,
vergehen alle Schatten und alle Kälte weicht.   

Es scheut das Licht der Liebe, wer tief im Dunkeln lebt,
weiß nichts von fernen Höhen, wohin die Seele strebt.

Bist Fremder dieser Welt, auch in der Heimat Land,
der Mensch ist heimatlos, der keine Liebe fand. 

Es kommt der Tag

Quelle: Pinterest
Es kommt der Tag, an dem der letzten Liebe
nur noch Alleinsein folgen wird.
Die Jugendzeit, die ewig schien und bliebe,
war bloße Hoffnung, die so oft geirrt.

Erinnerung, des Alters Rückbesinnung,
auf alles, was wir taten oder nicht.
Sie zeigt den Füllstand der Gewinnung, 
Werte, die wir erreichten, stehn im Licht.

Es kommt der Tag, an dem wird alles enden,
alles ist ausgelebt und abgehandelt.
Der Spiegelblick, man will sich von ihm wenden,
man sieht, wie sich das Schöne hat verwandelt.

Das alte Leben ging, es kam das fremde,
das unbekannt und kalt vor meinem Haus.
Schließ leis die Tür und unsichtbare Hände
breiten die Gnade des Vergessens aus. 

Fernes Rufen

Teilansicht: Mariusz Lewandowski -(1960-)
In wechselnden Dingen erhebt sich mein Leben,
tief unten, noch atmend, die Ströme der Nacht;
begraben vom Alltag, vom endlosen Streben,
tief müde geschlafen, die Tage vollbracht. 

In unergründlichen Tiefen geschwommen,
verwurzelt gehört, den unendlichen Klang.
Von fernen Welten ein Rufen vernommen,
ein Erwachen des Geistes im Körper begann.  

Ich spürte die Liebe der Heimat mir sagen,
dass Leben ein Gipfel ist, den man besteigt,
ein endloser Weg, zwischen Hoffen und Wagen,
der von Gipfel zu Gipfel in Kreuzwege zweigt. 

Den geraden Weg mag ein jeder Mensch finden,
die Dornen zu räumen, ist Lebenspflicht;
zu gehn ohne Angst, zu höheren Gründen,
zu Welten aus Liebe, Gottvertrauen und Licht. 

Aussichten

Quelle: Pinterest
So sitze ich, wie‘s alte Leute machen,
mit Ausblick auf die lebensreiche Welt,
seh‘ hinter Fensterscheiben das Erwachen,
und nachts den Mondaufgang am Sternenzelt. 

Ich weiß fast jeden Ablauf meiner Tage,
das schwere Aufstehn und das Schlafengehn.
Es freut mich, wenn ich mich ans Fenster wage
und darf das Eichhörnchen da draußen sehn.

Das Rotkehlchen knickst auf und nieder,
verneigt sich lebensfroh und sorgenfrei.
Mein Blick folgt jedem fliegenden Gefieder,
und wenn die Amsel singt, ist winterfrei.

Noch ein paar Wochen – sie wird wieder singen;
das nahe Frühjahr zeigt schon erste Spuren.
Werd‘ frische Blümchen in die Erde bringen;
der Januar zeigt milde Temperaturen. 

Heiliger Seelenschrein

Behüteter Geist – Sulamith Wülfing (1901-1989)
Ich will euch künden, Kinder dieser Welt,
was euer ist,
was euer Seelenschrein verschlossen hält,
bis ihr es wisst,

bis ihr das Heiligtum in euch entdeckt,
bis ihr gleich mir
zum Künder werdet und die Andern weckt.
Sie leiden hier,

sie leiden euer Leid und wissen’s nicht,
denn traumbefangen
gehen sie dahin, und ihrer Seele Licht
ist leidverhangen.

Was sie erschaffen, wandelt sich zu Staub
in ihrer Hand.

Ihr nur dem Äußern zugewandtes Sein,
sie nennen’s Pflicht;
daß sie das Heiligtum entweihn,
sie wissen’s nicht.

Es führt sie kreuz und quer und
führt sie weit ihr Wissensdrang;
in sich zu gehn jedoch fehlt es an Zeit,
denn dieser Gang,

der nächste, kürzeste zum wahren Ich,
wird erst getan,
sieht man die Brücken brechen hinter sich
und seinem Wahn.

Die Antwort, die das Leben schuldig blieb,
hier hört man sie,
und Sehnsucht sänftigt sich und Leid und Lieb
zur Harmonie.

Und Gottes Odem löst,
in ihm erwacht,
leise und sacht,
was ihn gefesselt hielt in banger Nacht,
bis es vollbracht.

<Ephides>

Wie ein Fließen

Ist, wie ein Fließen rauschender Gedanken,
die durch die abendliche Stille strömen,
durch Mauern und durch Türen, grenzenlos,
in ferne Welten tragend ein Gewand der Nacht.

Ganz Geist erfüllt, schwebt in der andachtsvollen Ahnung,
der Fluss aus schimmernder Gedankentiefe,
der silbrig glänzend fließt durch unsichtbare Zeit.

Er windet sich in einem Bett aus Sternenstaub und Licht,
nimmt fort des Tages bittere Schwere, 
entschwindet in die kosmische Unendlichkeit
und kehrt zurück mit neuer Zuversicht.