Charlotte von Ahlefeld

Charlotte von Ahlefeld

Charlotte Elisabeth Louise Wilhelmine von Ahlefeld, geborne v. Seebach, Schriftstellerin (zum Teil unter dem Namen Elisa Selbig), geb. 6. Dez. 1777* zu Stedten bei Weimar, trat, kaum 21 Jahre alt, anonym mit ihrem Erstlingsroman: „Liebe und Trennung“ (Weißenf. 1797), auf, verheiratete sich 1798 nach einer nur kurzen Verlobungszeit im Hause ihrer Freundin Charlotte von Stein,  mit dem schleswig-holsteinischen Gutsbesitzer Rudolf v. A. und ließ 1799 ihren zweiten Roman: „Maria Müller“, folgen, der lange Zeit ein Lieblingswerk, namentlich für die Frauenwelt, blieb. Zeitlebens schrieb sie ca. 50 Romane, Erzählungen und Reisebeschreibungen. Erst nach der Heirat offenbarte sich ihr der unangenehme Charakter ihres Mannes, was die Beziehung sehr unglücklich verlaufen ließ. Eine Liebesbeziehung zwischen ihr und dem Bildhauer Christian Friedrich Tieck, einem Bruder des Schriftstellers Ludwig Tieck, führte schließlich 1807 zur Scheidung. Aus der Ehe gingen die Söhne Fritz und Erich hervor. Nachdem sie sich 1807 von ihrem Gatten getrennt hatte, lebte sie mit ihren Söhnen in Schleswig. Ende 1821 zog sie nach Weimar, um dort die Nähe von Johann Wolfgang von Goethe und Charlotte von Stein zu suchen. Sie starb 27. Juli 1849 auf einer Badereise in Teplitz. Ihre schriftstellerische Laufbahn hatte sie bereits 1832 mit dem Roman „Der Stab der Pflicht“ taktvoll geschlossen. Von ihren zahlreichen Romanen, die sich besonders durch feine Lebensbeobachtung und Leichtigkeit der Darstellung auszeichnen, verdienen noch der Erwähnung: „Die Stiefsöhne“ (Altona 1810); „Franziska und Änneli“ (das. 1813); „Erna“ (das. 1819); „Felicitas“ (Berl. 1825) etc.
 
 
*lt. Taufbuch der Gemeinde Ottmannshausen

Gedichte von Natalie

Literaturangaben:
Berlin 1808
Bei Johann Friedrich Unger

Inhaltsverzeichnis der Gedichte:

Die Aster
Als mir, von goldner Freiheit noch umfangen (Sonett)
Der Blumen Sprache möchtest Du ergründen (An Gräfin Caroline B.)
Diese Blume – ach sie kam von ihr! (Der Liebende an eine verwelkte Blume)
Diese Blume, deren blaue Blüthe (Bei Übersendung eines Vergißmeinnicht)
Die Träume, die in stillen Feierstunden (An meinen Lieblingsbaum)
Du blickst so lächelnd auf mich nieder (An den Abendstern)
Einem Schmetterlinge gleicht die Liebe (Glück der Liebe)
Erklinge still, du Lied der treuen Liebe (Die Verlassene)
Es lärmt der Markt – Geräusch erfüllt die Straßen (Sehnende Erwartung)
Kennst Du das Wort, das allgewalt’ge Schwingen (Für Dich)
Laue Lüfte säuseln (Ahndung)
Lächelndes schönes Gestirn, zu Deiner unendlichen Höhe (Der Mond und Er)
Lieblich ist des Lenzes erstes Lächeln (Frühling ohne Wiederkehr)
Still tritt der Mond in weiter Himmelsferne (Dora’s Abendlied)
Um in der Ferne meiner zu gedenken (Die Geschenke)
Vergänglich ist das festeste im Leben (Vergänglichkeit)
Wenn des Flusses klare Wellen (Der arme Fischer)
Wenn Philomelens bange Liebesklage (Sehnsucht)
Wirst Du in der Ferne mein gedenken (Beim Abschied)
 

Die Aster

Auch die umduftete Bahn, wo Flora lächelnd gewandelt,
welkte bleichend dahin – der Vergänglichkeit Raub.
Knospend keimten empor im kosenden Hauche des Lenzes,
Crocus, im schimmernden Kleid – Bote besserer Zeit –
Veilchen, bescheiden gebückt, von Wohlgerüchen umathmet,
und in der Unschuld Gewand, liebliche Kinder des Mai’s.
Auch die Aurikeln gesellten sich zu der farbigen Menge,
Hyazinthen, umhaucht von dem balsamischen Duft.
Höher hob sich die Tulpe im bunten, strahlenden Glanze,
und es durchwürzte Reseda mit holden Gerüchen die Lüfte,
und es entflammte der Mohn, vielfach und glühend gefärbt.
Auch aus schwellender Knospe enthüllte die Nelke sich leise,
und die Ranunkel trat auf, üppig im prahlenden Schein.
Endlich erwachte auch sie, die Königin schimmernder Blumen,
sie, die Rose, die selbst Eypris zum Liebling gewählt.
Ihr Erscheinen war hold, gleich schüchterner Liebe Erröthen,
leise umhaucht von der Luft, wie von Seufzern, zärtlicher Sehnsucht
trank sie die Perlen des Thau’s welche Aurora geweint,
Öffnete willig der Sonne das zarte Geheimniß, des Busens,
Ach! und verglühte so schnell an ihrem sengenden Strahl.
Öder ward es im Garten – es schwand der Schmelz von den Fluren,
und es erbebte der Hain schauend dem herbstlichen Nah’n.
Siehe, da späht’ ich umher, noch eine der Blumen zu finden,
um zu bekränzen mit ihr seliger Hoffnung Altar!
Da erblickt’ ich nur Dich, Du Zögling der herbstlichen Stürme,
duftlose Aster, die Du einzig die Erde noch schmückst.
Bild der Sterne dort oben, die sanft uns das Dunkel verklären,
gehen aus goldenem Punkt vielfache Strahlen Dir aus.
Sey denn erkohren zum Opfer in freundlicher, lieber Bedeutung,
Sinnbild sey mir des Sterns, welcher mir Hoffnung verheißt.

Sonett

Als mir, von goldner Freiheit noch umfangen,
Des Daseyns Fülle blühend sich erschloß,
Da war’s ein dunkles, heiliges Verlangen,
Das über mich der Sehnsucht Flammen goß.

Da blickt ich froh und kühn in die Gefilde
Der Zukunft hin, von Morgenroth beglänzt;
Das Leben schien in ungetrübter Milde
Von der Natur mir tausendfach umkränzt.

Und doch – von allen Blüthen, die es schmücken,
Von allen Freuden, die das Herz beglücken,
Verdient nur eine, daß man sie beweine.

Es ist das süße, trunkene Entzücken,
Das nur durch Schweigen wagt sich auszudrücken
In stummer Liebe seeligem Vereine.

An Gräfin Caroline B.

Der Blumen Sprache möchtest Du ergründen,
Um sanft in ihr Dein Innres zu ergießen?
Um in des Kranzes Harmonie zu winden
Des Herzens Blüthen, die sich still erschließen,
Die noch umhüllt von zarter Knospen Grün,
Nur leise Dir im Hauch der Ahndung blühn.

Allein es ward mir nicht die Macht gegeben,
Zu deuten Dir den seelenvollen Sinn,
Der in der Blumen still entsproßtem Leben
Uns zeigt der Mystik magischen Gewinn,
Die im geheimnisvoll gewebten Schleier
Die Seele füllt mit nahmenloser Feier.

Ich kenne nur der Blumen stilles Blühen,
Und ihr Vergehn im Schooße der Natur.
Nur drei sah ich enträthselt einst erglühen,
Im reinen Lichte einer schönern Flur,
Und diese drei will ich Dir liebend brechen,
Bedarfst Du mehr, Dein Innres auszusprechen? –

So nimm denn aus des Sommers reicher Fülle,
Die Lilie, der Unschuld Ebenbild,
Die in der schimmerlosen, weißen Hülle
Den Balsamodem spendet, süß und mild.
In ihr kannst Du mit stillem Selbstvertrauen
Dein eignes Ich in schöner Reinheit schauen.

Die blaue Winde, die die zarten Ranken
Im linden Hauche jedes Lüftchens regt,
Und seufzend säuselt in dem steten Schwanken,
Das ihrer Blüthe tiefen Kelch bewegt –
Sie ist der Sehnsucht Bild, die – tief verschwistert
Dem Sterblichen – in jedem Busen flüstert.

Die Liebe, die des Lebens Kronen windet,
Hat sich die Purpurrose vorbehalten.
Wenn ihre Gluth der Lilie sich verbindet,
Muß sich des Daseyns höchstes Glück gestalten.
In ihres Duftes wonnevollem Gruße
Berührt der Himmel uns mit süßem Kuße.

Mischt sich der Sehnsucht leicht erregtes Beben
In Deines Herzens ruhiges Entzücken,
Wenn Dir der Unschuld Genien das Leben
Im Morgenglanz der Jugend lächelnd schmücken,
So dufte in der Zukunft dunklem Schooße
Dir lohnend einst der Liebe Purpurrose.

Der Liebende an eine verwelkte Blume

Diese Blume – ach sie kam von ihr!
Auch verwelkt noch ist sie heilig mir.
Längst sind ihre Farben hingeschwunden,
Wie die Seligkeit vergangner Stunden –
Aber dennoch bleibt sie heilig mir,
Diese Blume – denn sie kam von ihr.

Tausend blühen schimmernd jetzt im Hain –
Farb‘ und Duft erfüllt ihr kurzes Seyn –
Aber mich reizt ihre Schönheit nicht,
Wenn nicht ihre Hand sie für mich bricht.
Längst verblichne Blume, Du allein
Sollst mir Weihgeschenk des Frühlings seyn.

Thränen trüben schwellend meinen Blick,
Denk‘ ich an den schönen Tag zurück,
Wo sie Dich im Morgenthau mir pflückte,
Und ich zärtlich an mein Herz Dich drückte.
Theure Blume – mein entfloh’nes Glück
Kehrt wie deine Farbe nie zurück!

Bei Übersendung eines Vergißmeinnicht

Diese Blume, deren blaue Blüthe
Deutungsvoll der schönste Nahme schmückt,
Der als Wunsch mir längst im Herzen glühte,
Hab‘ ich einsam heut‘ im Thal gepflückt.

Süß umschwebt von Deinem theuern Bilde,
Schien sie würdig zur Gesandtin mir;
Hin in ferne, trennende Gefilde,
Bringe sie den Gruß der Freundschaft Dir.

Ehe sie Dir naht wird sie verbleichen –
Schnell verlöschet ihrer Farbe Licht,
Doch die Bitte möge Dich erreichen,
Die ihr Nahme zärtlich zu Dir spricht.

An meinen Lieblingsbaum

Die Träume, die in stillen Feierstunden,
Die dunkler Schatten mir so oft verlieh,
Die süße Ruh, die ich bei Dir gefunden,
Mein Lieblingsbaum, o die vergeß‘ ich nie!

Oft sah ich neben Dir die Sonne untergehen,
Entzückt von ihres Anblicks Majestät.
Oft hat des Herbstes lindes, kühles Wehen
Mit Deinem bunten Laub mich übersäet.

Vor meinen Blicken schwebten holde Bilder,
Im lichten Glanz der Jugendfantasie,
Da träumt ich mir des Schicksals Härte milder,
Und jeder Mißton wurde Harmonie.

Und liebend grub ich einst in Deine Rinde
Den Nahmenszug, der in mir brannte, ein;
Auch darum wirst Du mir, Du stille Linde,
Vor allen Bäumen ewig theuer seyn.

Wenn sich in Deinen blüthenvollen Zweigen
Des Westes leiser Odem kaum bewegt,
Fühlt mein Gemüth sich durch das tiefe Schweigen
Der heiligen Natur so ernst erregt.

Dann denk‘ ich all‘ der Wünsche, die vergebens
In meine Seele kamen, und entflohn,
Und seufze: wär‘ der kurze Traum des Lebens
Vorüber, wie so manche Hoffnung schon.

Und wäre einst nach meiner Tage Mühen,
O Baum, den stets mein Herz mit Liebe nennt,
Ein stilles Grab mir unter Dir verliehen,
Du wärest dann mein liebstes Monument.

An den Abendstern

Du blickst so lächelnd auf mich nieder,
Du heller, lieber Abendstern,
Als hörtest Du die leisen Lieder
Der ahnungsvollen Schwermuth gern.

Wenn alles schläft, erweckt die Feier
Der stillen Nacht wie Melodie
Der Sehnsucht Klage, und ihr Schleier
Verräth die heißen Thränen nie.

Dann strahlst Du, holder Himmelsfunken,
Mir Trost in’s kranke Herz herab,
Und es ersteht mir, wonnetrunken,
Die Hoffnung aus der Zeiten Grab.

Oft schon, wenn ich mit heißem Sehnen
Begrüßte meiner Liebe Bild,
Da lachtest Du in meine Thränen
Und machtest meinen Kummer mild.

Oft, wenn ich mich des Lebens freute,
Da folgte Himmels blauer Weite,
Wie Freundesblick, Dein Silberschein.

Und es bewegte ernst und leise
Mit wunderbarer Ahnung mich,
Wenn in dem ewig festen Gleise
Dein reiner Schimmer still erblich.

Du schienest dann mir zuzuwinken:
„Leb‘ wohl, bis wir uns wiedersehn!
„Jetzt muß mein letztes, mattes Blinken
„Im Morgenduste untergehn!“

Noch weilt mein Auge mit Vertrauen
Auf Deinem hohen, fernen Licht;
O möchtest Du doch ahnend schauen,
Was seine stumme Bitte spricht.

Wenn Er – Du weißt ja, wen ich meine –
Sein Auge still zu Dir erhebt,
So grüß‘ ihn mit dem schönsten Scheine,
Daß freudiger sein Herz erbebt.

Und strahl‘ ihm süßen, reinen Frieden;
Ach nimm den meinigen dazu!
Und ist ihm einst ein Schmerz beschieden,
So glänz‘ ihm Hoffnung, Muth und Ruh.

Und stets, Du freundlichster der Sterne,
Erheitre ihn mit Deinem Licht,
Und sag‘ ihm leis‘: auch in der Ferne
Vergißt Dich Deine Freundin nicht.

Glück der Liebe

Einem Schmetterlinge gleicht die Liebe;
Wie er flatternd über Blumen schwebt,
So entflieht sie oft auf leichten Schwingen,
Und nur selten kehrt sie uns zurück.

Um gewaltsam ihre Flucht zu hemmen,
Strebt das kranke Herz mit leisem Weh;
Möcht‘ ihr gern die raschen Flügel binden,
Gern sie bannen in der Treue Kreis.

Aber wie des Schmetterlinges Farben
Selbst in zarten Händen untergehn,
So vernichten Fesseln auch die Reize,
Die der Liebe freie Regung schmücken.

Darum öffne ihrem kurzen Glücke
Willig und geniessend Geist und Herz;
Aber will es wankelmüthig weichen
Trauere dann – doch halt es nicht zurück!

Die Verlassene

Erklinge still, du Lied der treuen Liebe,
Nur Seufzerhauch sey deine Melodie.
Kein lauter Klang darf sich mit dir vermählen,
Denn leise nur spricht die Melancholie.

Erbebt, ihr Saiten innerer Gefühle,
Bei der Erinn’rung wundersüßem Schmerz,
Bei dem Gedanken der vergangnen Zeiten,
Und wiegt in Schlummer das erregte Herz.

Wo bist du hin, du Stunde des Entzückens,
Als seines Auges klarer Himmelsstrahl,
Wie Sonnenlicht in eines Kerkers Dunkel,
Sich in die Tiefe meiner Seele stahl?

Wo bist du hin, als seiner Stimme Zauber
Zum erstenmahl mein bebend Herz durchdrang
Und räthselhafter Ahndung leises Tönen
Mir im bewegten Busen tief erklang? –

Ach du entflohst – doch schön’re Stunden kamen,
Die Scheu verschwand, ein ruhigeres Glück
Entblühte mir in der geliebten Nähe,
Und rief den innern Frieden mir zurück.

Da wagt‘ ich’s erst mir selbst es zu gestehen,
Daß ich ihn liebte, und in seinem Blick
Lag mir, im Glanz der Hoffnung aufgeschlossen,
Die Zukunft, und ein lächelndes Geschick.

Und mich durchschauerte, wie eines Gottes Nähe,
Sein ernstes Wort, das Liebe zu mir sprach.
Ein Echo, das in meinem Innern wohnte,
Klang jede Sylbe seiner Rede nach.

Er mußte scheiden – viele Monden schwanden,
Mein trauernd Herz erhielt sich ihm getreu.
Still flossen meine Tage hin, wie Thränen,
Und meine Liebe blieb mir immer neu.

Da kehrt‘ er wieder – zitternd ihm entgegen
Zu fliegen, und an der geliebten Brust
Ein freudiges Willkommen! ihm zu stammeln,
Schien mir des Daseyns höchste, reinste Lust.

Doch nun verstummet, leise Klagetöne,
Erneuert nicht den ewig heißen Schmerz.
Es kehrte die Gestalt des Freundes wieder,
Doch ach – erkaltet war für mich sein Herz.

Sehnende Erwartung

Es lärmt der Markt – Geräusch erfüllt die Straßen,
Die Glocke klingt, die Thür geht auf und zu,
Und fremde Stimmen, fremde Schritte schallen
Dem lauschenden, getäuschten Ohr entgegen,
Das jedem Selbstbetruge freudig glaubt.

Doch ach umsonst! es regt sich frohes Leben,
Und Thätigkeit im tosenden Gedränge
Der lauten Stadt, die – wie ein wogend Meer
Den isolirten Felsen rings umspühlt –
Mich Einsame umgiebt. – Ach Deine Stimme
Vernehm‘ ich nicht – harmonisch würde dann
Das wild verworrene Geräusch mich grüßen,
Das jetzt betäubend mir die Brust beklemmt.
Zerstreuung möcht‘ ich im Gewühle suchen,
Doch mitten unter Menschen fühl‘ ich mich allein
Mit Deinem Bilde, das in meiner Seele
Mild wie der Mond in ew’ger Klarheit strahlet.
Ja, immer stehst Du vor mir, rein und liebend,
Für mich der Inbegriff des höchsten Glücks.
Aus Deinem Ernste saug‘ ich meinen Schmerz,
Begeistrung weht Dein Athem mir entgegen
Und neuen Muth erweckt in mir Dein Blick.

O weile nicht – der Trennung finstre Wolken
Umziehen bald den Horizont des Lebens
Und weite Ferne drängt sich zwischen uns.
So gönne mir die letzten, goldnen Strahlen,
Die meine dunkle Bahn mir noch erhellen.
Denn schnell entflieht die Zeit – auf ihren Schwingen
Nimmt sie die Blüthen unsers Daseyns mit,
Und nur die Reue bleibt, die um versäumte Stunden
Den Trauerflor vergebner Wehmuth breitet.
O laß ihr keinen Augenblick verhüllen,
Den wir dem Schicksal abgewinnen dürfen,
Und eile sehnend, wie ich Dich erwarte,
Dem Herzen zu, das Dir entgegen schlägt.

Für Dich

Kennst Du das Wort, das allgewalt’ge Schwingen
Dem Geiste leiht, das schwerste zu vollbringen?
Das göttergleich, gesunknen Muth befeuert,
Und starke Kraft in schwacher Brust erneuert?
Das bittre Opfer, sonst dem Schmerz geweiht,
Für mich erhöht zur höchsten Seeligkeit?
Kennst Du das Wort, dem nie ein andres glich?
Der Liebe Losung ist’s, es heißt: Für Dich!

Für Dich dem Tode still mich hinzugeben,
Dünkt süßer mir, als ohne Dich zu leben.
Doch knüpfte auch, im innigsten Vereine,
Mein Schicksal liebevoll sich an das Deine,
So würd‘ ich dennoch gern von Daseyn scheiden,
Befreite Dich mein Tod von Schmerz und Leiden,
Und selbst in banger Qual beglückte mich
Des Zauberwortes Himmelsklang: Für Dich!

Ahndung

Laue Lüfte säuseln,
Und die Wellen kräuseln
Flüsternd sich im Meer;
Mondenstrahlen beben
Auf der Fluth und schweben
Glänzend hin und her.

Holde Melodieen
Aus der Ferne ziehen
Klingend durch die Nacht;
Und die Espen zittern,
Wie in Ungewittern
Wenn der Sturm erwacht.

Ist es Geisternähe,
Die mit Wohl und Wehe
Schauernd füllt mein Herz?
Steigen Engellieder
Aus den Lüften nieder,
Lindernd meinen Schmerz?

Süße Fantasieen,
Eilet nicht zu fliehen,
Labt den matten Sinn.
Ach in höh’re Räume
Ziehn der Ahndung Träume
Mitleidsvoll ihn hin.

Der Mond und Er

Lächelndes schönes Gestirn, zu Deiner unendlichen Höhe
Wend‘ ich den traurigen Blick, und er erheitert sich oft.
So auch erheb‘ ich zu Ihm die schwermuthsvollen Gedanken,
Und dann scheint mir die Welt nicht mehr ein Kerker zu seyn.

Freundlich winkt mir sein Bild, wenn ich Dich einsam betrachte.
Still und schweigend wie Du, wandelt Er ferne von mir.
Aber es nahet mir hold auf muthlos umdämmerten Bahnen,
Sanft wie Dein leuchtender Schein, seiner Erinnerung Gruß.

Unerreichbar bist Du, o Mond, in der Ferne des Himmels,
Dennoch verklärst Du die Nacht still mit erquickendem Glanz;
So erfüllet auch Er mit Licht und Kraft mir den Busen,
Ewig mir ferne wie Du, ist er dem Geiste doch nah.

Frühling ohne Wiederkehr

Lieblich ist des Lenzes erstes Lächeln,
Wenn in Blüthenbäumen laue Luft sich wieget,
Und des Baches eisbefreite Welle
Nicht mehr stockend, durch die Fluren rinnt.

Dann ermuntern sich zu neuem Leben
Die verblichnen Wiesen aus dem Winterschlafe,
Und das Gras wacht auf, und decket träumend
Wiederum den Schooß der Mutter Erde.

Und die Blumen öffnen ihre Kelche –
Alle die im späten Herbste starben
Richten sich aus ihrem dunklen Grabe
Neu empor im Glanz der Auferstehung.

O Natur – wie milde giebst Du wieder
Was Dein feierlicher Gang zerstöret.
Fest im stillen, ewig gleichen Kreislauf,
Folgt auf Deinen Ernst ein mildes Lächeln.

Nicht Vernichtung, nur ein leiser Schlummer
Hält des Frühlings holde Lust gefangen;
Bald, bekränzt mit Veilchen, kehrt er wieder
Süß umhallt von Nachtigallentönen.

Doch wann kehrt der Liebe Frühling wieder?
Ach, verscheucht hat ihn die Nacht der Trennung
Und der Winterschauer einer ew’gen Ferne
Tödtet rauh das zarte Grün der Hoffnung.

Des Beisamenlebens Stundenblumen
Starben hin im Seufzerhauch des Abschieds.
Kummervoll benetzt von heißen Thränen,
Sind der Freude Rosen längst verblichen.

Keine Sonne wird sie neu erwecken –
Keines Wiedersehens goldner Schimmer
Winkt des Glückes lichterfüllte Tage
Aus dem Grabe der Vergangenheit hervor.

Traurig zieht der Jahreszeiten Wechsel
Meinem still umwölkten Blick vorüber.
Ach es folgt der Frühling auf den Winter,
Aber nimmer kehrt der Liebe Frühling wieder!

Dora’s Abendlied

Still tritt der Mond in weiter Himmelsferne
Aus des Gewölkes nächtlich grauem Flor,
In goldner Reinheit schimmernd jetzt hervor,
Umgeben von dem hellen Chor der Sterne;
Ihn, den ich mir zum Freunde auserkohr,
Ihn, dem ich klagte, was ich längst verlohr,
Begrüßt mein Blick in stiller Nacht so gerne.

Er leuchtet freundlich mir statt aller Kerzen,
Strahlt leisen Trost in die beklommne Brust,
Und schenkt in Thränen mir der Wehmuth Lust.
Wer nimmt des Kummers Last von meinem Herzen,
Wer hat um ihren Umfang je gewußt! –
Ach tief verschlossen in der wunden Brust
Ist all‘ mein Weh – sind alle meine Schmerzen.

Du, den ich längst nicht mehr zu nennen wage,
Und dessen Bild mich dennoch stets umschwebt!
Du, der im Innern meines Herzens lebt,
Wo ich nur Dich, und Schmerz und Sehnsucht trage,
O wenn Dein Blick hinauf zum Himmel strebt
Und holde Träume Dir der Mondschein webt,
So denk‘ auch Du an unsres Glückes Tage.

Sie sind dahin – in weite Ferne bannte,
Von Dir getrennt, mich grausam mein Geschick.
Erloschen ist in Thränen nun der Blick,
In dem sonst Muth und Hoffnung lodernd brannte.
Der ersten Liebe nahmenloses Glück
Rief meines Schicksals Stimme ernst zurück,
Eh‘ ich des Lebens vollen Werth erkannte.

Seitdem verhüllt mit ihrem schwarzen Schleier
Die Schwermuth mir die weite offne Welt;
Des Himmels hehres, sternbesäetes Zelt,
Des Mondes Glanz, der oft in stiller Feier
Der Nächte ödes Dunkel mir erhellt,
Und ahnungsvoll die bange Brust mir schwellt,
Eröffnet nur mein Herz der Wehmuth freier.

Ist mir auf ewig jenes Glück verschwunden?
Ist schmerzliches Entbehren nur mein Loos?
Und wird allein des Grabes finstrer Schooß
Mich schützen vor des Leidens bangen Stunden,
So reiße schnell mich von dem Leben los,
Willkommner Tod, denn in der Erde Schooß
Verbluten sanft des Herzens tiefe Wunden.

Die Geschenke

Um in der Ferne meiner zu gedenken,
Bedarfst Du wohl der äußern Zeichen nicht.
In Deiner Brust unsterblich mich zu denken,
Macht mir Dein Schwur zu ewig heil’gen Pflicht,
Und doch darfst Du die Gaben nicht verschmähen,
Womit ich wünsche Dich geschmückt zu sehen.

So nimm den Ring von meinem Haar umgeben
Und laß ihn nie von Deiner theuern Hand;
Er sei Dein Talisman im wilden Leben
Und der Erinnrung goldnes Unterpfand;
Und auch noch dann wenn jede Hoffnung schwindet,
Sei er der Kreis, der magisch uns verbindet.

Und nimm die Uhr, die Dir mit leisem Schlage
Verklungne Stunden wiederholen kann:
Ach hätte sie die Macht, vergangne Tage
Uns zu erneun, wie kostbar wär‘ sie dann!
Doch an die Flucht der Zeit darf sie Dich mahnen,
Und eine bessre Zukunft wird Dir ahnen.

Die Nadel nimm, geziert mit Edelsteinen,
Und trage sie an Deiner treuen Brust.
Sie wird der Welt als leerer Schmuck erscheinen,
Denn fremd ist ihr die schmerzlich süße Lust,
Womit die Liebe sucht, in holden Bildern
Der reinen Gunst, des Scheidens Weh zu mildern.

Bewahre heilig, was ich Dir gegeben,
Denn ach – wer weiß, ob wir uns wiedersehn;
Ob unsre Wege durch das weite Leben
Nicht nach verschiednen, öden Zielen gehn,
Wo fern von Dir, in still verschwiegnen Thränen,
Mich heimlich aufzehrt meines Herzens Sehnen.

So nimm sie denn, die freundlichen Geschenke,
Die Dir des Abschieds dunkle Stunde bringt.
In der Erinn’rung theure Schatten senke
Den nassen Blick, wenn Dich der Gram bezwingt,
Dann wird mein Bild Dich liebevoll umschweben,
Und die Vergangenheit auf’s neue Dir beleben.

Vergänglichkeit

Vergänglich ist das festeste im Leben –
Was trauerst Du, daß Liebe auch vergeht?
Laß sie dahin in’s Reich der Zeiten schweben,
Leicht, wie des Lenzes Blüthenhauch verweht.

Doch halte fest ihr Schattenbild im Herzen,
Und segne dennoch freudig Dein Geschick,
Schließt auch sich eine Reihe bittrer Schmerzen
An Deines Glückes kurzen Augenblick.

Du hast gelebt, denn Liebe nur ist Leben!
Sie nur allein webt um den dunklen Traum,
Dem wir den Nahmen unsers Daseyns geben,
Der höchsten Wonne glanzerfüllten Saum.

So zürne nicht des Schicksals finstern Mächten,
Wenn sie des Lebens Sonne Dir entziehn.
Nicht ewig läßt sie sich in unsre Bahn verflechten,
Ach, sei zufrieden, daß sie einst Dir schien.

Der arme Fischer

Wenn des Flusses klare Wellen
Mondbeglänzt vorüberziehn,
Schau ich trübe nach den hellen
Fenstern ihres Schlosses hin.

Und es zittern bange Schauer
Mir durch Mark und durch Gebein,
Denn in hoffnungsloser Trauer
Muß ich mich der Sehnsucht weihn.

Ach ich kann sie nicht erreichen! —
An der Gluth, die mich zerstört,
Wird mein Leben bald verbleichen,
Ungeliebt und ungehört.

Seit mein Auge sie gesehen,
Ist verwandelt mein Gemüth,
Und ich muß vor ihr vergehen,
Wie ein Frühlingstag verblüht.

Seht, mein leichtes Fahrzeug schwanket
Nicht mehr munter auf der Fluth,
Denn der Fischer ist erkranket
Und erloschen ist sein Muth.

O wie freudig wollt‘ ich sterben,
Könnt‘ ich nur im Tode mir
Einen Blick der Huld erwerben,
Eine Thräne nur von ihr!

Aber ach, auf ihrer Höhe
Ahnet wohl die Stolze nicht,
Dass für sie in stummen Wehe
Bald das Herz des Fischers bricht.

Sehnsucht im Frühling

Wenn Philomelens bange Liebesklage
Mir neu ertönt im leisen Pappelhain,
Da denk‘ ich sehnend der vergangnen Tage,
Und seufze schmerzlich: ach, ich bin allein!

O fühltest Du mit mir das warme Leben,
Das neu erwacht, rings um mich her sich regt,
Das Leben der Natur, die mit dem ew’gen Streben
Im Jugendglanz sich jetzt empor bewegt.

Denn zwiefach schön war mir des Jahres Morgen
Mit seinem holden Lächeln neben Dir.
O banne schnell der Liebe leise Sorgen,
Und eil‘ auf ihren Flügeln her zu mir.

Dann will ich Dir die schönsten Kränze binden,
Die mir des Frühlings bunter Segen beut.
Gesellig soll sich Epheu um sie winden,
Das als der Treue Sinnbild Dich erfreut.

Nur dann, wenn ich Dich freudig wiedersehe,
Entschlummert sanft in mir der Sehnsucht Schmerz,
Er flieht mich nur in Deiner theuren Nähe,
Denn Du allein beglückst und füllst mein Herz.

Beim Abschied

Wirst Du in der Ferne mein gedenken,
Wenn die Welt geräuschvoll Dich zerstreut?
Wirst Du oft mir stille Stunden schenken,
Der Erinnrung unsres Glücks geweiht?

Wird kein neues Band mir Dein Vertrauen,
Keines Deine Liebe mir entziehn?
Kann ich ganz auf Deine Treue bauen,
O so nimm mein Herz auf ewig hin!

Immer bleibt es zärtlich Dir ergeben,
Auch wenn nie mein Blick Dich wiedersieht.
Wenn getrennt von Dir mein trübes Leben
Wie ein Seufzerhauch vorüber flieht.

Ach so viele heucheln nur Gefühle
Einer nie gekannten Innigkeit;
Und in dem zerstreuenden Gewühle
Endet schnell der Schwur der Ewigkeit.

Darum will ich nicht Dir Treue schwören,
Aber fest und liebend halt‘ ich sie,
Und die Zukunft soll Dir ewig lehren
Deiner Freundin Herz vergißt Dich nie.