Was wir als ‚überstanden‘ wähnen,
treibt noch im tiefen See „Erinnerung“,
wir stehn am Ufer, fassungslos und stumm,
füllen das Nass mit neuen Tränen.
Ein Teil von uns liegt auf dem Grund,
Vergangenheit beschwert, wie Stein,
bald gleiten wir, zu unbekannter Stund‘,
ganz tief in seine Fluten ein.
Vergesslich ist der Mensch im schnellen Schritt,
die Zeit wirft Schatten, malt ein dunkles Bild.
Wir fühlen das, was einst hinunterglitt,
Gedanken voll mit Hoffnung, Schmerz erfüllt.
Wir gehn den Kreuzweg der Natur, allein;
die Tiefen, in uns selbst bezwungen,
zurückgerufen werden wir einst sein -
in neue Höhen ist der Geist gedrungen.
Erinnerung - ein stilles Lebensgrab.
Der See liegt ruhig im mondenmilden Schein;
sein silbrig‘ Band schmückt Ort und Wanderstab,
zeigt, was es heißt, Träne im See zu sein.
Die Wege hinter mir – verklärte Dunkelheiten,
mir fremd geword’ne, ferne Zeiten,
wie aufgewühlt im Schaum der Wogen,
als sich mir Wolken vor die Sonne schoben.
So gab das Leben magere, wie fette Jahre,
die fetten waren mir, wie Mangelware.
Doch auch mit ausgeglichener Bilanz,
blieb ich mit Menschen auf Distanz.
Wer war ich, wo bin ich zuvor gewesen?
Wer bin ich, wer kann meine Herkunft lesen?
Bleibt in mir die unruhig verharrende Seele,
auch, wenn ich den Weg zum Höheren wähle?
Um meine Lebensklippen spielt der Wind,
wo prallende Brandung rückführend rinnt,
erkenn‘ ich, im Rhythmus des Meeres am Strand -
bin ein Körnchen auf Erden im Meeressand.
Ich wollt‘ kein Jahr zurück, nur eine einz‘ge Stunde, in der ich alle Lieben wiederfinde, und mich vor all der tot gemeinten Runde verbeuge und in Demut mich verbinde, gedankentief, ob sie mir hold und weniger… gleich gültig mild, so streute ich das Maß der Dinge, denn ohne all die vielen Wandler meiner längst vergangenen Stunden, ob leidvoll oder liebend und in Harmonie verbunden, wäre ich nicht der ICH BIN, es ist doch alles Eins, umschwebt von Gottes Sinn.
Ich fühle, wie Gestalten im Dämmerschatten stehen, sind unsichtbar verknüpft mit meinem Zeitgeschehen, zeigen hilflose Momente, warnend und wohlbekannt, von denen ich mich trennte – vernarbtes Lebensband.
Möcht’ ich mich auch entziehen, in wilder, langer Flucht, so kann ich nicht entfliehen, aus dieser Lebensschlucht. Schau mutig ich hinüber, mit ungetrübtem Blick, bringt dieses Schau’n doch wieder Erinnerung zurück.
Sind’s dunkle Lebensflecken, die dort im Nebel stehen, die mir aus finster’n Ecken tief ins Bewusstsein gehen. Die vielen off’nen Wunden – sie heilen wird die Zeit – sind noch nicht überwunden, obwohl Vergangenheit.
Die alte Zeit ist fort. Mit ihr Generationen. Auf Sand des Einst ist unsre Welt gebaut, als winziges Atom, das schlummert in Ionen. Ihr Bild, verklärt, nur Abbild, mild ergraut.
Verklärte Zeit! Was ist von dir geblieben, wenn das Gedenken manche Wahrheit schönt? Wie war dein Früher? Ist es übertrieben… ist es ein falsches Bild von dir, das uns verhöhnt?
Der Sand der Gegenwart lässt Schritte schwanken. Mein Blick mag ungern manche Wahrheit schauen. So manche Nacht gefüllt mit Taggedanken, die kreisten bis zum nächsten Morgengrauen.
An Fetzen der Vergangenheit zu kleben, fest in sich tragend altes Zeitgeschehen; ringen nach Luft im Wellentanz des Lebens, im Auf und Ab, wie Treibholz und vergehen.
Schneewittchen und die sieben Zwerge – meine Kindergarten-Zeichnung 1957
Ich mag in der Vergangenheit wühlen, habe so manche Träne vergossen. Ich dekoriere Eier, spür‘ alte Gefühle; hab sie tief in meinem Herzen verschlossen. Ich tue so, als wären ALLE bei mir. Denn nur, weil IHR gelebt, bin ich hier!
Ich mag Kamine, die rauchen…wie auf meinen Kinderbildern. Häuser, in denen vertraute Menschen wohnen und Gewohnheit, die, wie gewachsen an Jahren, Ringe wie in Stämmen tragen.
Ich mag rote Ziegelstein-Dächer, die bei Regen dunkler werden, dort, die vielen kleinen Schlote, für das Rauchige auf Erden, Kaminfeuer, das in Haus und Gemüt Behaglichkeit versprüht.
Ich mag, wenn Vögel in den Rinnen Regenwasser trinken, auf den Dächern landen und zurück in hohe Bäume fliegen, wo in den Gärten ihre Nester liegen und sie kunstvoll Zweig am Zweig verbinden.
Ich mag, wie in der Kindheit auf der steinernen Treppe sitzen, Lakritz-Wasser trinken und Glanzbilder in Opas Zigarrendose betrachten, die Unbeschwertheit weniger Tage genießen und abends mit Grießbrei den Abend beschließen.
Ich mag die ferne Zeit in unserem Garten, wo Ostereier noch mancherorts lagen. Als ich zum jährlichen Osterfest unter den Sträuchern fand so manches Nest.
Ostern 1957 – Foto: Almuth Köhler
Dort, wo die Osterfeuer nicht verboten, sondern der Freude dienen und dem Brauch. Wo uns niemand am Menschsein hindert, das eigentlich gut war, als wir erschaffen, das mag ich auch!
Caspar David Friedrich 1774-1840 – Spaziergang in der Abenddämmerung
Wie soll ich den Frühling genießen, mit all seinen Blumengeschenken, wo unlängst die Blüte der Liebe verwelkte, in meinen Händen?
Wie kann die Sonne meine Seele erwärmen, mit all ihrem Strahlengefunkel? Wenn Tränen mir Sinn und Antlitz verhärmen, bleibt mein Herz kalt und dunkel.
Wie kann ich Hoffnung in Gedanken binden, wo alle Zukunftsbilder jüngst zerstört? Wo werd’ ich jemals wieder finden, was mir noch nie zuvor gehört?
Kann sich das Schweigen aus Gräberreihen, wo kein Kreuz gleicht dem andern, wie ein Wunder durch himmlischen Schluss, ganz plötzlich in Lachen verwandeln?
Flucht aus Ostpreußen 1914 – Gemälde von Claus Bergen
Der Süden hat mich nie gelockt, wo Leichtes schwebt in sonnigen Gefilden, blieb Sinn und Denken mir verstockt; Verbundenheit ließ sich nicht bilden.
Der Osten trägt Melancholie, umhüllt die längst verklärte Fährte. Die ferne Zeit zeigt irgendwie Natur, die so ersehnenswerte.
Die schwere Schlichtheit dieses Lebens, so Gott gegeben, urvertraut, ein fein Gespinst wie Leingewebe, das kratzt und schmerzt auf bloßer Haut.
Blutig die Knie, die Hände rau, erschuf man sich sein täglich Brot. Brachte den Bauersleuten auch die schwere Arbeit frühen Tod.
Entbehrung hieß die Einfachheit, gesegnet war des Tages Lauf. Die Sehnsucht kannte keine Zeit, man sah getrost zum Himmel auf.
Morbides trieb die Politik, nahm Mensch und Sprache mit sich fort. So flüchtig war der Traum von Glück, vergessen altes Land und Ort.
Was blieb ist die Melancholie, die Traurigkeit der Ahnen. Selbst wenn ich lache, spür ich es, ihr gegenwärt’ges Mahnen.
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