Belebte Wüste der Einsamkeit

Quelle: Pinterest

Mit gesenkten Lidern durchwandern Menschen schlaftrunken die Welt.
Gehen Seite an Seite und wissen nichts vom anderen; dabei suchen sie einander – vergeblich. Alle sind einsam, aber niemand ist alleine. Eine belebte Wüste der Einsamkeit.

Mit verschleiertem Blick gehen sie umher und vertreiben die Zeit mit Erwartungen. Ihre Augen sind offen, doch keine Wahrheit erreicht ihre Seele.

Sie sind so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass sie den versteckten Weltschmerz anderer nicht sehen. Sie sehen auch nicht die Lüge hinter dem Lächeln eines Mutlosen; sehen nicht den Ursprung eines Geschehens.

Menschen sind auf der Suche nach Liebe. Liebe ist kein Besitz. Liebe ist Freiheit. Wenn sie einen schwachen Hauch davon gefunden haben, versuchen sie sie zu halten. Ihre Hände greifen danach, doch werden sie den geliebten Menschen nicht daran hindern können, durch die Türe des Todes zu gehen. Bindende Schwüre werden genommen, doch die wiedergewonnene Freiheit macht Angst, denn das Läuten der Totenglocken bringt die Einsamkeit zurück. Nur Liebe bleibt bestehen!

Der aufmerksame Seher sieht den herrlichen Sternenhimmel über der Wüste, obwohl er weiß, dass ihm seine Stunde gesetzt ist. Er schaut zu den Sternen und weiß, dass er nicht alleine ist.

Rückschauend wird ihm bewusst, dass er nicht die belebte Wüste des Lebens durchwanderte, sondern mit verschleiertem Blick über eine Blumenwiese schritt.

Fluidum

Bild von Mier Chen auf Pixabay
Das Meer, es fließt, als gäb es keine Grenzen;
mit weißer Krone steigt es, sinkt herab,
es schwingt und schäumt durch irdische Frequenzen,
in ewiger Routine zieht’s hinab.

In grauem Blau und gleißend lichtem Funkeln
gleitet’s dahin am Erdenstrand der Zeit,
bis es von Sturm gepeitscht, sich bäumt und dunkel
als Fluidum das feste Land durchstreift.

In unbegrenzten Tiefen seiner Wonnen,
mit Kraft des Schöpfers, die in Allem ist,
wird es gespeist durch Mond und Sonne,
bis das, was anfangs war, am Ende IST.

Gespinste der Nacht

Quelle: Pinterest
Der Tag vergeht ganz leise
und bringt die Nacht zurück;
Minuten, die ermatten,
im kurzen Stundenglück.

Der Sonne Glanz verschwindet,
Mondlicht durchstreift das Land,
wo es die Wachen findet
und müde Augen band.

Vollmond beglänzt die Fenster;
gar mitternächtlich tief,
holt er die Nachtgespenster,
mit Namen, die er rief.

Sie rauben dir im Plaudern
den lang ersehnten Schlummer;
sie bringen dir ein Schaudern
im längst vergessenen Kummer.

Kalt scheinend ist das Leuchten,
auf Teichen, Schilf und Moosen,
treibt aus den dunklen Feuchten,
Nénuphar - weiße Rosen.

Bringt Schönheit in die Welten
durch geheimnisvolles Walten -
wenn es dämmert in der Ferne,
lichte Wunder sich entfalten.

Liebe in den Herzen

Durch die Gehäuse wandern,
des Großen Geistes Hüllen,
in allen Fehl- Gedanken,
das Nicht-Vollkommene füllen.

Vom Falschen, das uns bindet,
in Lebenszeiten trennen,
dass sich das Wahre findet,
in Dunkelheit und Engen.

Nicht Unglücksträger sein,
der Schuld an Leid und Schmerzen,
verhindern Not und Pein,
mit Liebe in den Herzen.

Des Sommers Härte

Bild von Tom auf Pixabay
Frühe ist noch in grau getaucht,
der Sonnenschein verhüllt;
die Nacht ist fort, kein Himmel blaut,
gar wolkig ist sein Bild.

Die Amsel schweigt, ihr Platz ist leer,
kein Vogel balzt am Morgen;
die Luft voll Wärme, atmet schwer,
der Wind hält sich verborgen.

Das Hoch des Sommers Härte naht,
schleicht langsam in die Räume;
mit Sonnenglut auf großer Fahrt
brennt es das Laub der Bäume.

Dann stöhnt der Mensch im Hitzebrand,
das Harz der Kiefer duftet,
wenn sie im Garten, ab und an,
die alten Nadeln lüftet.

Es werden Wolkenflöckchen ziehen,
in rosaroten Farben,
am Himmel werden Rosen blühn,
des Großen Geistes Gaben.

Die Spinne

Bild von Sven Lachmann auf Pixabay

Als ich Kind war, liebte ich den Garten,
spielte stets im Hof und bei den Bäumen,
war erfüllt von kleinen Mädchenträumen,
konnte kaum mein Reich des Glücks erwarten.

Lehnte oft am Anbau alter Mauern,
die den Hühnerstall zum Hof begrenzten,
schaute, was die Rosen, rot, bekränzten,
sah sie meine Kindheit überdauern.

Spielte mit den Spinnen an den Netzen,
die mit Kreuzen auf dem Rücken hingen;
pflückte sie und forschte, wie mit Dingen,
es fiel schwer, sie dann zurückzusetzen.

Einmal fühlte ich zwei Augen schauen,
als ich an der groben Stalltür stand,
Blicke fühlend, habe ich mich umgewandt.
Was ich sah, erfüllte mich mit Grauen.

An der weiß getünchten Mauer hing‘s,
ganz bedrohlich über meinem Kopfe,
sah wie‘s Herz der Spinne pochte,
merkte, wie ihr schmaler Atem ging.

„Heute kommst du noch davon!“,
fühlte ich gedanklich, lief und weinte.
Sie war schwarz und hatte lange Beine,
groß und haarig…war wie ein Spion.

Nie mehr wieder sammelte ich Spinnen,
unsichtbar befohlen, waren sie tabu
und es war, als schaute ‚sie‘ mir zu,
als wenn ihre Blicke nie vergingen.

Körperwelten

Bild von Andy auf Pixabay
Tempel des Geistes,
seelenbeleuchtet,
fragile Kostbarkeiten,
physische Heimat auf Erden.
Gebilde mit vielen Gesichtern,
in kosmischen Farben erstrahlend,
erschaffen aus göttlichem Licht.

Körper – belebte Maschinen,
be-geistert, Grenzen bildend,
sensibel, vergänglich;
Leben, das Dienst ist für andere,
rückstrahlend ins eigene ICH.
Dienst ist die Münze des Großen Geistes,
seine Währung Kraft und Erkenntnis.

Ruhelose Empfänger
mit grenzüberschreitender Manie,
die dienen müssen dem Frieden
zwischen den Menschen
und dem Rest der Schöpfung;
die, gemeinsam voranschreitend,
in geistiger Wahrheit und geistiger Realität,
den Prozess der Liebe durchsetzen.

Litanei der Bitternis

von Max Hermann-Neiße
Stolperstein
Bitter ist es, das Brot der Fremde zu essen,
bittrer noch das Gnadenbrot,
und dem Nächsten eine Last zu sein.
Meine bessren Jahre kann ich nicht vergessen;
doch nun sind sie tot,
und getrunken ist der letzte Wein.

Ringsum ist eine ganze Welt verfallen,
alles treibt dem Abgrund zu,
nur noch Schwereres steht uns bevor,
denn wir treiben hilflos mit den Trümmern allen;
immer denkst auch du
an das Glück, das dein Gemüt verlor.

Selbst die große Stadt muss sich verstellen;
dunkel sein wie Dörfer einst,
die verwunschnen, die man fremd durchfuhr,
seltsam klingt, wie damals, nachts, der Hunde Bellen,
dass du trostlos weinst,
angeweht vom Spuk der Heimatflur.

Bitter ist es, vor jedem neuen Tage
Angst zu haben, niemehr frei
von geheimen Sorgen, Reue, Gram,
furchtgeplagt bei jedem neuen Glockenschlage,
dass er letzter sei,
eh man recht vom Leben Abschied nahm.

Ungemilderte Bitternis im Herzen.
bin ich längst mir selbst zur Last
zwischen Morgenrot und Abendrot.
Bitter ist es, alles Glück sich zu verscherzen,
ungebetner Gast,
bittrer, und das Bitterste: der Tod.

Max Hermann-Neiße (1886-1941)

Max Hermann-Neiße floh aufgrund seiner körperlichen Einschränkung des Kleinwuchses aus Deutschland, wo neben rassenhygienischen Vorstellungen der Eugenik, kriegswirtschaftliche Erwägungen während des Zweiten Weltkrieges zur Begründung der „Vernichtung lebensunwerten Lebens“ herangezogen worden waren.

Zitat Uni Münster: „Seine Künstlerkarriere in Deutschland fand mit dem aufkommenden Nationalsozialismus ein jähes Ende. Nach dem Reichstagsbrand 1933 floh er mit seiner Frau über die Schweiz und die Niederlande nach Großbritannien. Max Hermann-Neißes Werke wurden in Deutschland von Nazi-Sympathisanten verbrannt. Der Schriftsteller ließ sich in London nieder, wo er allerdings auf die Unterstützung des Juweliers Alphonse Sondheimer angewiesen blieb, der ihm sein Leben und die Publikationen weiterer Werke finanzierte. Herrmann-Neißes Ehefrau wurde die Geliebte und spätere Ehefrau Sondheimers. 1938 erfolgte die Ausbürgerung aus Deutschland. In der britischen Gesellschaft konnte der Schriftsteller keinen Anschluss mehr finden, die britische Staatsbürgerschaft wurde ihm verwehrt.“

Ewiges Leben

Hineingestorben in das Leben,
worin die körperliche Welt vergeht;
aus Finsternis zum Licht entschweben,
damit das Schein-ICH in Erleuchtung steht.

Den Gang des Leids durchschreiten,
bei dem sich jeder Schritt im Kreise dreht;
bewusst im Kreuz des Geistes Gegenwart erkennen,
wie er des Lebens Bürden mit uns trägt.

Heimgehen, nach der Zeit des Reifens,
um zu erfahren, dass das Leben ewig ist;
durch Sterben und Vergehen begreifen,
Neues wird sein, was Wissenschaft nicht misst.

Der Mensch wird in seinem Bewusstsein auferstehen, wenn er sich nicht mehr mit seinem sterblichen Körper identifiziert und ihn nur noch als Offenbarungswerkzeug sieht. Für den Geist, das Selbst, das wir in uns ICH nennen, gibt es keinen Tod, nur ewiges Leben.

Wiedergeburten entstehen nach vorangegangener Zerstörung. Alle Umwandlungen, also die Geburt aus der geistigen Welt in die Materie und im Tod die Geburt aus der Materie in die geistige Welt. Alles ist gleichzeitig Anfang und Ende. Eine Periode der Entwicklung wird beendet, eine neue begonnen. Leben ist in ewigem Fluss.

Tierische Seelengefährten

Foto: privat – Doria (norwegische Waldkatze *2015)
Vorüber sind die sorgenschweren Tage,
es glättet eine Spur von Leichtigkeit die Welt,
die mir geblieben, denn es waren viele Jahre,
zu denen sich kein Hauch von Glück gesellt.

Nur ein Zufriedensein ist mir geblieben;
mit Händen greife ich das Glück beim Schopf;
die sich mir zugeneigt, zärtlich verbiegen,
um meine Beine streichen, Leib und Kopf.

Bei jedem Streicheln blinzeln sie mir zu
und schnurren mir den Laut der Harmonie,
was mich bedrückte, schwindet so im Nu;
denn ihre Seelen lächeln – irgendwie.
Foto: privat – Enja (norwegische Waldkatze *2015)