Belebte Wüste der Einsamkeit

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Mit gesenkten Lidern durchwandern Menschen schlaftrunken die Welt.
Gehen Seite an Seite und wissen nichts vom anderen; dabei suchen sie einander – vergeblich. Alle sind einsam, aber niemand ist alleine. Eine belebte Wüste der Einsamkeit.

Mit verschleiertem Blick gehen sie umher und vertreiben die Zeit mit Erwartungen. Ihre Augen sind offen, doch keine Wahrheit erreicht ihre Seele.

Sie sind so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass sie den versteckten Weltschmerz anderer nicht sehen. Sie sehen auch nicht die Lüge hinter dem Lächeln eines Mutlosen; sehen nicht den Ursprung eines Geschehens.

Menschen sind auf der Suche nach Liebe. Liebe ist kein Besitz. Liebe ist Freiheit. Wenn sie einen schwachen Hauch davon gefunden haben, versuchen sie sie zu halten. Ihre Hände greifen danach, doch werden sie den geliebten Menschen nicht daran hindern können, durch die Türe des Todes zu gehen. Bindende Schwüre werden genommen, doch die wiedergewonnene Freiheit macht Angst, denn das Läuten der Totenglocken bringt die Einsamkeit zurück. Nur Liebe bleibt bestehen!

Der aufmerksame Seher sieht den herrlichen Sternenhimmel über der Wüste, obwohl er weiß, dass ihm seine Stunde gesetzt ist. Er schaut zu den Sternen und weiß, dass er nicht alleine ist.

Rückschauend wird ihm bewusst, dass er nicht die belebte Wüste des Lebens durchwanderte, sondern mit verschleiertem Blick über eine Blumenwiese schritt.

Ewiges Leben

Hineingestorben in das Leben,
worin die körperliche Welt vergeht;
aus Finsternis zum Licht entschweben,
damit das Schein-ICH in Erleuchtung steht.

Den Gang des Leids durchschreiten,
bei dem sich jeder Schritt im Kreise dreht;
bewusst im Kreuz des Geistes Gegenwart erkennen,
wie er des Lebens Bürden mit uns trägt.

Heimgehen, nach der Zeit des Reifens,
um zu erfahren, dass das Leben ewig ist;
durch Sterben und Vergehen begreifen,
Neues wird sein, was Wissenschaft nicht misst.

Der Mensch wird in seinem Bewusstsein auferstehen, wenn er sich nicht mehr mit seinem sterblichen Körper identifiziert und ihn nur noch als Offenbarungswerkzeug sieht. Für den Geist, das Selbst, das wir in uns ICH nennen, gibt es keinen Tod, nur ewiges Leben.

Wiedergeburten entstehen nach vorangegangener Zerstörung. Alle Umwandlungen, also die Geburt aus der geistigen Welt in die Materie und im Tod die Geburt aus der Materie in die geistige Welt. Alles ist gleichzeitig Anfang und Ende. Eine Periode der Entwicklung wird beendet, eine neue begonnen. Leben ist in ewigem Fluss.

Lebensfaden

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An einem goldnen Faden hängt das Leben,
der Mensch webt schicksalhafte Bilder auf den Grund.
Um die Stationen klar hervorzuheben,
sind sie oft dunkel, farblos, manchmal bunt.

Aus vielen Fäden, die verknotet, wirren,
entstand ein finsteres Gespinst aus Schuld;
durch Leid und Tragik, fehlerhaftem Irren,
riss manchem Lebensfaden die Geduld.

Beim Auseinanderwirren, müßig Trennen,
der vielen Fäden, die das Lebenstuch bedecken,
ist jener goldene Faden zu erkennen,
der sich in all dem Wust der Zeit versteckte.

Führt Mensch ans Ziel der göttlichen Bestimmung,
hineingewoben, wie im goldenen Vlies,
bringt er auf dunklem Grund Erkenntnis und Besinnung,
gesponnen für des Geistes Paradies.

Millionenfach

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Durchtränkt vom Blut millionenfacher Leben,
tief in den Gründen anfänglichen Werdens;
im Daseinskampf des triebbedingten Strebens
der Ungetüme, die erlegt im Massensterben.

Ur-Wälder, undurchdringlich, wild und mächtig,
mit alten Bäumen, unermesslich groß;
die Riesenpflanzen, Schachtelhalme, prächtig,
ein Dschungel, der die ganze Welt umschloss.

Es folgten nach dem Einschlag von Kometen,
nachdem Vulkangestein begrub das Land,
die Asche, die wie Schnee vom Himmel regnet,
die Luft vergiftet, Sonnenschein verbannt.

Millionen Jahre, bis der Mensch ‚erwachte‘,
als neues Ungetüm der neuen Welt;
der sich das Erdenrund zu eigen machte,
der es bebaute, herrschte und erfand das Geld.

Ein neuer Daseinskampf hat längst begonnen,
Mensch gegen Tier, Mann gegen Mann;
das triebbedingte Streben hat gewonnen,
weil Mensch das alte Tun nicht lassen kann.

Schon wieder tränkt das Blut die durst’ge Erde -
ein Herrscher kann nicht herrschen ohne Krieg.
Die Welt der Waffen lässt die Menschheit sterben.
Die neue Eiszeit kommt – ganz ohne Sieg!

Der Menschheit Reigen

Hans Thoma (1839-1924) – Kinderreigen

Manchmal muss man schweigen,
wenn der Menschheit Reigen
sich im Trubel dreht.

Man muss manchmal lachen,
über dumme Sachen,
die man nicht versteht.

Mit den Wölfen heulen,
muss man nicht und meiden,
den Dämonensieg.

Unsagbares sagen,
wenn die ‚Großen‘ tragen,
uns zum nächsten Krieg.

Manchmal soll man singen,
und die Geigen klingen,
tränenreich im Lied.

Klangvoll wird die Stille,
manchmal scheint die Fülle,
Harmonie besiegt.

Zeit für Wahrheit

Die Zeit flieht ohne Wiederkehr.
Wie ein Geist, verschlossen in Uhren, bleibt sie unhaltbar,
rinnt davon, wie der trockene Sand zwischen den Fingern.
Sekunden vergehen mit jedem Körnchen,
die gefüllt sind mit Vergangenheit und Träumen,
mit Liebe oder Leid, Glück oder Trauer.

Zeit – wenn sie nicht bleibt, was nutzt das Wissen
um die Wahrheit der Welt in dieser Stunde?
Könnten wir die Zukunft ertragen?

Erkennen wir die Wahrheit unseres Lebens?
Es würde doch nur ein Resümee der eigenen sein,
nicht die der anderen.

Was nutzt es, wenn man nur einem Teil wahrhaftig wird?
Die Menschen sehen uns, wie wir unser Spiegelbild.
Wer sind wir wirklich?
Könnten wir die Wahrheit ertragen?

Weisheit und Wahrheit – Pierre-Paul Prud’hon (1758-1823)

Wahrheit klebt an den Fingern der Theorie,
haftet dort einen Augenblick,
verwaschen bildet sie in der Wissenschaft eine ständig neue,
wandelt sich und reift mit der Zeit.

Niemals erreicht sie den Boden der Wirklichkeit,
wie eine Geldbörse die sich immer wieder füllt.

Auch die Sonne lässt reifen.
Sie schickt ihre Strahlen gleich gültig auf alle,
die eine Zeitlang der Stunden Glanz einfangen.

Wandeln auf den vom Himmel beleuchteten Wegen.
Sie bieten dir Schutz vor des Lebens Unwegsamkeit
und zeigen dir, wie du Frieden findest im Rückzug nach Innen.
Ausruhen von der Zeit!

Lebenszeit ist eine von Gott geliehene Gabe, ein flüchtiger Stoff.
Mit keinem Geld der Welt kann man sie kaufen.

Fülle deine Zeit mit Gerechtigkeit und Liebe,
gebe den anderen davon, die in Unfreiheit und Armut leben,
wenn du in der Fülle lebst.

Nutze den ‚Augenblick‘ deiner körperlichen Existenz
zum Heil deiner Seele im irdischen und astralen Bereich.
Irgendwann wirst du dort sein, im zeitlosen Raum,
um die ganze Wahrheit zu sehen!

Was ist der Sinn?

Bildausschnitt „Birth of love“ – Vladimir Kush *1965
Die Jahre voll vom ruhelosen Wandern,
vom Tun, das meinen Tag wohl füllte,
doch leer die Welt mir ließ, wie all den Andern,
denen sich Sicht und inneres Bild verhüllte.

Nichts konnte meine tiefe Sehnsucht stillen,
die Tag für Tag nach Sinn und Liebe strebte,
nichts, nur mein starker Daseinswille,
der tot für jede Lebenswahrheit lebte.

Inmitten all der scheinbar nutzlosen Erfahrung,
die Leid und Schmerz in meinen Alltag brachte,
war es mir plötzlich wie ein Hauch von Wahrheit,
die mich berührte, wach und fühlend machte.

Es konnte sich die Glut in mir entfachen,
lebendig alles Falsche niederbrennen,
die Flamme, die mir Halt und Wahrheit brachte,
allmählich Lebenssinn und Ziel benennen.

Schlafende Seelen - wandert nicht durchs Leben
mit toten Augen, die nicht sehen;
lasst uns gemeinsam vorwärtsstreben,
zur Göttlichkeit, um zu verstehen.

Vergänglichkeit des Augenblicks

William Adolphe Bouguereau 1825-1905

Zukunft wird gegenwärtig und vergeht.
Flüchtiger Augenblick des Jetzt,
ein Lidschlag macht aus dir Vergangenheit.
Nichts kann dich halten,
nichts zurückholen.
Du wirst durchlebt und bist sogleich verloren,
und die Erinnerungen, die du trägst, sind folgenschwer.

Die Dimension der Zeit – ein trügerisches Bild.
Verbirgt sie doch die Polarität des Lebens vor unseren Herzen.
Aus Glück wird Unglück,
aus Liebe – Hass,
aus Leben – Tod.
Oft trennt uns nur ein Augenblick von diesem Wandel.
Wie ein winziges Atom ein Teil des Ganzen,
so ist der Moment des Seins der Schlüssel zur Ewigkeit.

Schicksalsmelodie

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay
Wie eine Weise tönt das Leben,
mit Noten, die das Schicksal schreibt;
mal leicht in Dur, mal klingt‘s daneben
in Moll, was trüb im Herzen bleibt.

Der eignen Melodie zu lauschen,
düster und hell, mal mit Gesang,
ist wie das heimatliche Rauschen
der stolzen Bäume Blätterklang.

Es geht ein wunderbares Scheinen
vom andachtsvollen Ton und Klang,
will all das Kolorit vereinen,
das disharmonisch nicht gelang.

Das, was uns ‚zu-fällt‘ kommt von oben,
als Resonanz auf all die Laute,
die, aus der Harmonie geflogen,
mit Missklang einst die Zukunft bauten.

Tanzt zu den reinen, klaren Tönen,
bereinigt manchen Halbton-Klang,
Empfindung wird alsdann verschönen,
wohl temperiert, den Lebensgang.

Länder ohne Frieden

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Länder ohne Frieden, ausgebombt die Dächer, offen und zerstört die Mauern.

Frühling kam, drängt stürmisch durch die kalten Wände; wo es grünen sollte, liegen Häuserfronten, Steine, Eisen.

Werden irgendwo durch diesen Schutt die Blüten steigen?

Dort, wo das bröckelnde Gestein über gebrochenen Balken die Toten begräbt, dort ist das österliche Licht erloschen, bluten die gegeißelten Wunden.

Ausgeharrt die Wenigen, die den Strahl des Zukunftsglaubens empfingen, ihn immer noch durch die sterbende Stadt tragen und mit verschleierter Sicht auf Erlösung hoffen.

Seht nicht auf die Einsamkeit des Ortes, auf den Ursprung der Tat. Schaut auf den nächtlichen Himmel; seht die Sterne, die auch über den Wüsten die Welt mit ihrem Schein bezaubern.

Seht, es ist der Mensch, der die Erde bedeckt durch den eigenen Schatten!

Wann ist’s genug? Unzählig sind Menschen gestorben. Mitten im Leben gefällt durch die Hand des Nächsten, aus Willkür, Hass und Diktat, wie blühende Bäume gestürzt. Frevel ist es, wenn menschliches Geheiß uns zu morden gebietet, wenn die Not uns befiehlt zu töten, was wir lieben könnten – unseren Nächsten.

So ragen die Stämme der Bäume zerschossen aus dem Schutt der Gemäuer, wo sie ihre blühenden Kronen verloren. Bis zuletzt mit erhobenen Häuptern, wie die gefallenen Kämpfer es taten. Sie sind untergegangen, wie die Sterne, die trotzdem am Himmel sichtbar bleiben.

Über den Ruinen liegt eine verschleierte Schönheit, und in Fenstern, die keine Scheiben mehr tragen, taucht fahles Mondlicht die Nacht in Vergessen.

Der Erinnerung Blüten winden sich zum Kranz, legen Segen in die Herzen, die vergehen.

Morsch und leer sind die Ruhmeshallen! Denn darin welkt der Duft des Todes und der großen Einsamkeit.

Muss Sterbliches gehen, wo Er seinen Blick erhebt?
Seht: Er richtet nur unsere Schatten, trägt sie ins Licht!