1. Reihe links: mein Großvater väterlicherseits (1944 gefallen)
Es war die Zeit der ‚feschen‘ Uniformen, die Lockerheit in enge Normen presst, die, exerziert nach Militärreformen, im Drill gelernt, wie es sich Morden lässt.
Das Töten einfach so als Lust empfinden, ein Macht-Erlebnis der erlesenen Art; beim ersten Mal ist es ein Überwinden, doch später wurd’s zur Gott verwandten Tat.
So stark, mit Waffe in den Händen, ein Druck nur und ein Leben ist dahin; man wäscht das Blut der Vielen von den Wänden, doch niemals aus der Seele, aus dem Sinn.
Die Ordnung ist ein tugendhaftes Streben, doch Buch zu führen über Massenmord ist so pervers, wie heut noch danach leben und leugnen, wie bestialisch mancher Ort.
Die ewig Gestrigen, sie leben, sind auferstanden, stehn zur Wahl bereit. Die, die aus eingesunkenen Grüften streben, soll man nicht neu erwecken hier und heut.
Wenn schwarze Wolkenschatten ziehn, so dunkel schwer, als würd der Himmel fallen, dann scheint sie leer, die Stätte unter ihm, es ruht die Welt und Ruhe ist in allem.
Über den hohen Bäumen kreisen Raben, auf kargen Böden lugen sie nach Bissen; die Welt scheint an sich selbst zu darben, verliert an Fortschritt, ohne es zu wissen.
Sie gleitet hin auf rutschigem Gefilde und niemand hilft ihr wieder aufzustehen. Die Menschheit scheint ein sterbendes Gebilde, das sanft verblutet nach dem Untergehen.
Der fahle Mond scheint durch die Zweige, aus den Kaminen steigt der kalte Rauch; bald geht das Feuer aus, der Mensch zur Neige, und frostig treibt der Tod den Winter aus.
Der Menschen Hände sind gefüllt mit Schwere, ein tiefes Weh darin, das von den Seelen fällt; ein Steinwurf weit, der sie befreit und leere, was wund belastet ihre kranke Welt.
Gefangen hält der tiefe Tränengrund, bis ihre Klagen und ihr Leid vergehen, die Heilung naht zu unbekannter Stund; vorbei die Trübnis, wenn sie Hoffnung sehen.
Die Wahrheit, die im tiefen Grund verborgen, hat längst gewandelt Weh zum Fundament, das dort in Schmerzen heil und stark geworden, vom Trug befreit, den Sinn und Zweck erkennt.
Wir sind geblieben, ließen dich nach Hause gehn, nun stehn wir hier im Regen, allein lässt du uns stehn mit unsrer Trauer, weil wir nicht begreifen, dass dein Seelenreifen vollzogen.
So bist du uns entflogen, wie ein Vogel aus dem Käfig flieht, wenn er fern das Sonnenlicht am Himmel sieht.
Die liebsten Wünsche begleiten deine Reise und du wirst leise schwebend deine Seele heben, um zu erreichen deiner Sehnsucht unendliches Streben.
Wirst du verbunden sein mit dem, der deinen Namen rief, dann schlafe sanft in seinem Arm und tief.
Die Zeit ist fremd und kalt vorangeschritten, und meine Erdenzeit, genährt von Himmelsfrieden, bald entglitten.
Ich will nicht mehr in dieses Schema passen, und poesielos letzte Federn lassen.
Will nicht die Menschen sehn im trüben Licht, das mir verklärt die warme Himmelssicht.
Die Luft der Erde, die beim Atmen schwer in meinen Lungen liegt – ich mags nicht mehr.
Fühle des Großen Geistes Kraft in meinen Adern fließen, trägt die Lebendigkeit, die alle Mordenden mit Füßen stießen.
Fühl kalt die vielen Lügen um mich her, Blicke, die sich an Leid erfreuen… ich will’s nicht mehr.
Wohlstand und Freiheit – wie kostbar ist dies Los! Dennoch sind Münder, die bösen Hass verstreuen, groß.
Anstatt sich miteinander aufzustellen, Hand in Hand, zu demonstrieren für Gerechtigkeit und Land, stehn sie getrennt – angriffsbereit. Fahnen, sie wehen – wohl in jeder Zeit!
Ich kann nicht länger zusehen, wie sie streiten, anstatt die Hand des Nächsten zu ergreifen, mit ihm im Füreinander beten… Wenn sie’s doch täten!
Länder ohne Frieden, ausgebombt die Dächer, offen und zerstört die Mauern.
Frühling kam, drängt stürmisch durch die kalten Wände; wo es grünen sollte, liegen Häuserfronten, Steine, Eisen.
Werden irgendwo durch diesen Schutt die Blüten steigen?
Dort, wo das bröckelnde Gestein über gebrochenen Balken die Toten begräbt, dort ist das österliche Licht erloschen, bluten die gegeißelten Wunden.
Ausgeharrt die Wenigen, die den Strahl des Zukunftsglaubens empfingen, ihn immer noch durch die sterbende Stadt tragen und mit verschleierter Sicht auf Erlösung hoffen.
Seht nicht auf die Einsamkeit des Ortes, auf den Ursprung der Tat. Schaut auf den nächtlichen Himmel; seht die Sterne, die auch über den Wüsten die Welt mit ihrem Schein bezaubern.
Seht, es ist der Mensch, der die Erde bedeckt durch den eigenen Schatten!
Wann ist’s genug? Unzählig sind Menschen gestorben. Mitten im Leben gefällt durch die Hand des Nächsten, aus Willkür, Hass und Diktat, wie blühende Bäume gestürzt. Frevel ist es, wenn menschliches Geheiß uns zu morden gebietet, wenn die Not uns befiehlt zu töten, was wir lieben könnten – unseren Nächsten.
So ragen die Stämme der Bäume zerschossen aus dem Schutt der Gemäuer, wo sie ihre blühenden Kronen verloren. Bis zuletzt mit erhobenen Häuptern, wie die gefallenen Kämpfer es taten. Sie sind untergegangen, wie die Sterne, die trotzdem am Himmel sichtbar bleiben.
Über den Ruinen liegt eine verschleierte Schönheit, und in Fenstern, die keine Scheiben mehr tragen, taucht fahles Mondlicht die Nacht in Vergessen.
Der Erinnerung Blüten winden sich zum Kranz, legen Segen in die Herzen, die vergehen.
Morsch und leer sind die Ruhmeshallen! Denn darin welkt der Duft des Todes und der großen Einsamkeit.
Muss Sterbliches gehen, wo Er seinen Blick erhebt? Seht: Er richtet nur unsere Schatten, trägt sie ins Licht!
Wie Tentakel saugt es leer die Welt -
Böses hält sie fest in ihren Fängen;
hoffnungslos scheint es um sie bestellt,
blutleer wird sie sein, nach Opfergängen.
Und das sieche Volk schwimmt obenauf,
ausgebeutet durch Vampire dieser Zeit;
taumeln in den Sumpf im Todeslauf,
und das Leben trägt ein Trauerkleid.
Sind’s die letzten Phasen eines Niedergangs,
sind es letzte Zuckungen der kranken Welt?
Gibt es noch Genesung nach dem Gang
oder ist ihr Todeskampf bestellt?
Lichtgestalt – der Geist, der nie vergeht -
wandelst du noch heute durch die Reihen?
Der vor Gütigen und Reinen steht,
gib den düsteren Stirnen ein Verzeihen!
„Menetekel“ wird als Warnung offenbar,
übersättigt nagt der Hungerschrei,
denn das Unglück dieser Welt ist nah –
Göttlichkeit und Liebe steh‘ uns bei!
Die Vertriebenen – Erik Ludvig Henningsen (1855-1930)
Aus dem Haus getrieben,
wo sie lange wohnten,
zwangsgeräumt und arm, in heller Not;
alle Lebenswege, die gewohnten,
abgeschnitten, wie ein Stückchen Brot.
Was geblieben, sind die Sachen,
die erbärmlichen Habseligkeiten;
ihre Kinder weinen - Fremde lachen,
die am Straßenrand den Rauswurf feiern.
Ihre Hoffnung treibt sie durch die Straßen,
fest verzurrt mit einem kleinen Strick,
ist das wenige, das sie besaßen
und vom Nötigen doch nur ein Stück.
Freunde, die sie kannten, sind vertrieben,
und allein im Paragraphenwald
werden sie aus ihrer Stadt getrieben,
und der Abend dämmert doch schon bald.
Frierend ziehn sie ihren Karren,
mit der letzten Kraft, die ihnen blieb,
und schon lange drückt ihr leerer Magen,
doch es treibt der Selbsterhaltungstrieb.
Schritt für Schritt ziehn sie des Weges,
und der Horizont verliert ihr Bild. -
Sind wir alle nicht wie sie vertrieben,
auf dem dunklen Weg zum Zukunftsbild?
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