Verwachsene Seelen

Entzweit sein, werden wir und einsam
verloren sein, uns fühlen wie ein Kind,
das Dunkelheit umhüllt verlassen,
sich fürchtet, als sei‘s plötzlich blind.

Blühendes Leben, golden war’s beschienen,
voll Lebensübermut und Zuversicht;
das innere Kind spielt zwischen den Ruinen,
sieht nur die Furcht im Dunkeln, ohne Licht.

Entreißt das Schicksal Menschen, was sie lieben,
verliert ihr wundes Herz den Lebenssinn.
Das, was verwachsen und im Geist getrieben –
mit Herzblut geht ein Teil verloren und dahin.

Das innere Kind, gebrannt in Seelenflammen,
ergab sich mit gebundenen Händen unter Tränen;
es glimmt ein letztes Glühen in den Herzenskammern,
ist wohlverborgen unter Asche reichem Sehnen.

Festtag

KI generiert – Quelle: Pinterest
Einmal umflattert uns die Ewigkeit,
auf sanften Schwingen trägt sie uns davon;
sie schneidert uns ein neues Festtagskleid
legt unser altes in das Fach „Erinnerung“.

Doch unsere Seele öffnet ihre Gärten
voller Gedanken, bunt wie Tausendschön;
wird neu erblühen auf den Fährten,
die wir durchschwebend als Zuhause sehn.

Hier darf man sein, sich froh gebärden
und wachsen, sprossen bis zur Blütenfülle;
hier kann nichts Zeit und Raum gefährden,
hier wiegt die Schwingung Gottes in der Stille.

Der Tragödie letzter Teil

Quelle: Pinterest
Seht, die Vielen, die da weinen,
wie sie sich im Leid vereinen,
wie sie tastend vorwärtsgehen,
ängstlich keinen Ausweg sehen.

Finden nicht den Weg hinaus,
denn sie irren durch ein Haus
ohne Türen, fensterlos,
leeren Räumen, riesengroß.

Abgeschlossen von der Welt
sind sie auf sich selbst gestellt.
Nur die Nächsten gehen mit
einen Steinwurf weit ein Stück.

Wie es ihre Glieder schüttelt,
wie der Tod am Leibe rüttelt!
Die, die jetzt verlassen sind,
weinen Tränen wie ein Kind.

Treiben in erregter Stunde
durch des Strudels Todesrunde;
was im Körper aufbegehrte,
schwebt alsdann auf stiller Fährte.

Dann erlischt der Augenblick,
nimmt das Licht der Welt zurück,
um in letzter Agonie
loszulassen – irgendwie.

Wohl dem, der mit innerem Blick
tröstend sieht, der Stunde Glück,
denn er fühlt sich neugeboren,
leibbefreit und ohne Morgen.

Fit gemacht zur nächsten Phase
wird Verzückung zur Ekstase,
denn es dient dem Seelenheil
der Tragödie letzter Teil.

Schlussakkord

Image by hosny salah from Pixabay
Durch neue Ghettos treiben schwarze Schatten,
nur Mollakkorde spielt die Zeit,
ein übler Pesthauch weht durch alle Straßen,
ein Jeder ist zum letzten Kampf bereit.

Bedeckt von Dachgebälk und kalten Steinen,
die hingeworfen aus der Bombenglut
den Fall des Niedergangs in sich vereinen -
in großem Abgesang steht Hab und Gut.

Leuchtende Freiheit, wer hat dich gestohlen?
Wer gab dich hin für ein verborgenes Glück,
das für Vernichtung steht am Morgen
und das am Abend nimmt ein Seelenstück?

Führt nicht ins Freie, die umgrenzte Furt,
die eingeschnürt in ein Gebiet der Schande
den Atem nimmt, - ein viel zu enger Gurt,
nur zur Vernichtung dient er hier im Lande.

Zur Schweigsamkeit verdammt und zuzusehen,
wie sich ein Mörder an den Mördern rächt,
das ist ein böser Trieb im Weltgeschehen;
die Welt, sie schweigt. Der Mensch ist schlecht!

Nimmt anderen das Haus und die vier Wände,
die ausgebombt nur noch aus Schutt bestehen.
Leer ist ihr Blick, leer sind auch ihre Hände,
verhungern lässt man sie und untergehen.

Die ihre toten Kinder tragen durch den Staub,
wehklagend in der Hoffnungslosigkeit,
sehen kein Leben, nur den Tod, der’s ihnen raubt.
Tote sind glücklicher! Begraben ist ihr Leid.

All die, die von der Heimaterde scheiden,
weil wie ein wildes Tier der Schächer kam,
weil er mit Lust an Menschenleiden
nur ein Verbrecher ist, der Leben nahm.

All die Verlorenen und Schwachen,
bedrängt vom Trutz und Hohn der Macht,
mag Moses kommen und es möglich machen,
dass sich das Meer zur Flucht ihm teilt bei Nacht.

Bilder im Traum

Folter und Hexenverbrennung im Mittelalter
Ein Engel streifte nachts mein Haar,
streute mir Traumgesichte in den Sinn.
Betört und friedvoll lag ich anfangs da
und folgte meines Traumes Anbeginn:

Ich sah entlang des Stadttors dunkle Mauern
und an dem schwarzen Turme Fackelfeuer.
Mich trieb die tiefe Welle des Bedauerns,
als ich vernahm, das klagende Gemäuer.

Es schien, als drängten Tränen durch die Ritzen,
sie liefen auf den dunklen Grund hernieder
und bildeten in salzig, kleinen Pfützen
die Münder, weinend, mir als Bilder wieder.

War all der vielen Unsichtbaren Trauer,
die man gequält, entmenschlicht, umgebracht.
Die hinter heren, alten Kirchenmauern
erlagen Folterungen dunkler Macht.

Ich hörte Schreie von den längst Verbrannten,
sah Höllenfeuer unter ihren Füßen.
Be-Geisterung bei ihren Art-Verwandten,
die Gaffer, die noch Lebenszeit verbüßten.
Brutale Folter und Tötung von Frauen durch den Klerus bis ins 18. Jahrhundert
Vernahm das dumme Volk in dichten Schleiern,
ein schwarzer Vorhang deckte ihr Gesicht.
Sah sie im Hier und Jetzt und damals feiern –
Vergangenheit entband im neuen Licht.

Noch immer gibt es üble ‚Weltenlenker‘,
die Staatsgewalt als gottgegeben präsentieren.
Die sich durch Religion bigotter Denker
zu teuflischen Armeen formieren.

Der Engel ist längst fortgegangen.
Mit ihm verging mein Traum; ich bin erwacht.
Die Welt ist alt und neu das menschliche Verlangen,
doch hat es Unbewusstes klar gemacht?

Ist Böses nicht schon immer bös gewesen?
„Du sollst nicht töten“, unsere größte Pflicht?
Die Welt wird nicht am Leid genesen,
egal ob Priester oder Führer spricht!

Kapitel aus meinem Roman „Jenseits des Schleiers„:

Inquisition Teil 1

Mit versteinerter Miene stand der Henker breitbeinig und wie eingepflanzt auf der Mitte des dörflichen Marktplatzes. Das Volk strömte herbei und versammelte sich laut grölend um den Platz direkt hinter der Kirche. Es beschimpfte die Angeklagte mit Hurenweib und Teufelin, die den Strick nicht wert sei, um vom Leben zum Tod gebracht zu werden. Brennen sollte sie! Brennen!

Eva Maria wurde von ihren Peinigern an den hölzernen Pfahl gebunden. Auf einem Karren war sie im grobleinenen Büßergewand zum Richtplatz gefahren worden. Das Haupt hatte man ihr zuvor kahl geschoren. Mit leeren, umschatteten Augen starrte sie zum Himmel hinauf, als würde sie auf ein Wunder warten. Kein Schluchzen, kein Klagen kam über ihre Lippen. Ihr Tränenfluss war längst versiegt. Sie schwieg. Nur das Kind, das sie unter ihrem Herzen trug, konnte die Todesangst spüren, die mehr und mehr von ihr Besitz ergriff. Der Scheiter war längst entzündet, und der harzige Duft von schwelenden Tannenscheiten kroch in ihre Nase und gemahnte an den qualvollen Tod, den sie gleich erleiden sollte. Im Stillen bat sie Gott darum, der Henker möge sich ihrer erbarmen und aus dem langsamen Sterben durch einen Dolchstoß ein kurzes machen. 

Unter der langen, grausamen Folter hatte sie schließlich mit gebrochenen Gliedern den Beischlaf mit Satan gestanden und zugegeben, dass er sich ihr mit phosphorischem Leuchten und nach Schwefel riechend genähert habe. Alsdann hätte sie sich mit ihm vereinigt und verbündet. Nun trug sie ein Kind der Hölle von ihm. Der Abt hatte den Stab über sie gebrochen und das Urteil gesprochen: Sie musste brennen, wie auch der teuflische Bastard in ihr brennen musste!

Kein Jammern, keine Reue, keine Erklärung hatte ihr helfen können. Der Teufel ging um in den mittelalterlichen Gemäuern, Kirchen und Dörfern. Allerorts warnte man vor ihm. Selbst in der Kirche, auf den Märkten und Gassen, in den armseligen Küchen und Kammern, bei Tag und in der Nacht versuchte er die Seelen der Menschen. Er fing sie wortgewandt und listig mit seinen teuflischen Netzen und brachte Unheil über Ernte, Vieh und Dorfgemeinschaft.

Fortsetzung folgtTeil 2

Morgen- und Abendrot

Foto: Gisela Seidel

Die Morgenröte der Möglichkeiten
erwacht im Lichtstrahl der Erkenntnis;
der Dunkelheit entstiegen,
erweckt sein,
voll von Gottvertrauen,
Leben fühlen und getragen sein von Vollkommenheit,
die begeistert,
einen unbekannten Weg zu gehen,
das Wofür zu finden im tieferen Sinn,
ihn anzunehmen,
auf die Zukunft gerichtet durch höhere Macht,
von ersten zaghaften Schritten,
hin zur letzten Wegstrecke des Alters.
In der Stille der Dämmerung,
sich als Kind fühlen,
das geborgen ist im Gegenwärtigen,
deren Hände ruhen vor dem Dunkelwerden,
das im höchsten Glück vollendend geistig macht.

Nach Hause gehen

William Adolphe Bouguereau 1825-1905

Wir sind geblieben,
ließen dich nach Hause gehn,
nun stehn wir hier im Regen,
allein lässt du uns stehn
mit unsrer Trauer,
weil wir nicht begreifen,
dass dein Seelenreifen
vollzogen.

So bist du uns entflogen,
wie ein Vogel aus dem Käfig flieht,
wenn er fern das Sonnenlicht
am Himmel sieht.

Die liebsten Wünsche
begleiten deine Reise
und du wirst leise
schwebend deine Seele heben,
um zu erreichen deiner Sehnsucht
unendliches Streben.

Wirst du verbunden sein
mit dem, der deinen Namen rief,
dann schlafe sanft in seinem Arm und tief.

Länder ohne Frieden

Quelle: Pinterest
Länder ohne Frieden,
ausgebombt die Dächer,
offen und zerstört die Mauern.

Frühling kam,
drängt stürmisch durch die kalten Wände;
wo es grünen sollte,
liegen Häuserfronten, Steine, Eisen.

Werden irgendwo durch diesen Schutt die Blüten steigen?

Dort,
wo das bröckelnde Gestein über gebrochenen Balken die Toten begräbt,
dort ist das österliche Licht erloschen,
bluten die gegeißelten Wunden.

Ausgeharrt die Wenigen,
die den Strahl des Zukunftsglaubens empfingen,
ihn immer noch durch die sterbende Stadt tragen
und mit verschleierter Sicht auf Erlösung hoffen.

Seht nicht auf die Einsamkeit des Ortes,
auf den Ursprung der Tat.
Schaut auf den nächtlichen Himmel;
seht die Sterne,
die auch über den Wüsten die Welt mit ihrem Schein bezaubern.

Seht, es ist der Mensch,
der die Erde bedeckt durch den eigenen Schatten!

Wann ist’s genug?
Unzählig sind Menschen gestorben.
Mitten im Leben gefällt durch die Hand des Nächsten,
aus Willkür, Hass und Diktat,
wie blühende Bäume gestürzt.

Frevel ist es,
wenn menschliches Geheiß uns zu morden gebietet,
wenn die Not uns befiehlt zu töten, was wir lieben könnten – unseren Nächsten.

So ragen die Stämme der Bäume zerschossen aus dem Schutt der Gemäuer,
wo sie ihre blühenden Kronen verloren.

Bis zuletzt mit erhobenen Häuptern,
wie die gefallenen Kämpfer es taten.
Sie sind untergegangen, wie die Sterne,
die trotzdem am Himmel sichtbar bleiben.

Über den Ruinen liegt eine verschleierte Schönheit,
und in Fenstern,
die keine Scheiben mehr tragen,
taucht fahles Mondlicht die Nacht in Vergessen.

Der Erinnerung Blüten winden sich zum Kranz,
legen Segen in die Herzen,
die vergehen.

Morsch und leer sind die Ruhmeshallen!
Denn darin welkt der Duft des Todes und der großen Einsamkeit.

Der Krieg geht weiter, es ist ein ewiger Krieg.
Es kann kein Nachlassen geben.
Krieg wird auf dem Schlachtfeld des Materialismus geführt.

Der Geist wird über die Materie triumphieren, denn der Geist ist Herr und die Materie ist Diener. Es ist töricht, dem Diener zu erlauben, den Meister zu beherrschen.

Muss Sterbliches gehen, wo Er seinen Blick erhebt?
Seht: Er richtet nur unsere Schatten, trägt sie ins Licht!

Seelenflammen

William Adolphe Bouguereau 1825-1905

So, wie der Flamme gold’ner Schein
sich züngelnd streckt gen Himmel sanft empor,
so werden auch die alten Seelen
zu den lichten Höhen streben.
 
Und öffnet sich durch Endlichkeit
des Erdendaseins fremder Sphären Tor,
verbindet sie die Ewigkeit des Seins,
um sie in fernste Galaxien fort zu heben.
 

Vergehen

Rembrandt van Rijn (1606-1669)

So gläsern ihre Haut,
scheint durch wie Pergament;
vor Jahren schon ergraut –
die Lebenszeit, sie rennt.

Und plötzlich war sie alt,
gezeichnet ihr Gesicht;
die einst so jung,
von stattlicher Gestalt,
geht jetzt gebückt,
den Tag erkennt sie nicht.

Wenn stumme Blicke grüben
sich wie ein Strom, der fließt,
aus ihrem Blick, dem trüben,
so manche Tränen schießt.

In einer Welt versunken,
in der sie ganz allein,
Erinnerung ertrunken
wird sie am Ende sein.

Das Essen und das Trinken
hat sie längst eingestellt,
will ganz und gar versinken
nun in der Anderwelt.

Ist schon die Macht, die ziehet,
die sagt: Die Zeit ist reif!
Das Lebenslicht verglühet
zur wohl bestimmten Zeit.

Schließt ihre Augen beide,
in erdumgrenztem Kreis –
getröstet ist die Seele,
die neue Wege weiss.