Vergehen

Rembrandt van Rijn (1606-1669)

So gläsern ihre Haut,
scheint durch wie Pergament;
vor Jahren schon ergraut –
die Lebenszeit, sie rennt.

Und plötzlich war sie alt,
gezeichnet ihr Gesicht;
die einst so jung,
von stattlicher Gestalt,
geht jetzt gebückt,
den Tag erkennt sie nicht.

Wenn stumme Blicke grüben
sich wie ein Strom, der fließt,
aus ihrem Blick, dem trüben,
so manche Tränen schießt.

In einer Welt versunken,
in der sie ganz allein,
Erinnerung ertrunken
wird sie am Ende sein.

Das Essen und das Trinken
hat sie längst eingestellt,
will ganz und gar versinken
nun in der Anderwelt.

Ist schon die Macht, die ziehet,
die sagt: Die Zeit ist reif!
Das Lebenslicht verglühet
zur wohl bestimmten Zeit.

Schließt ihre Augen beide,
in erdumgrenztem Kreis –
getröstet ist die Seele,
die neue Wege weiss.

Wie ein Blatt im Wind

Will wie ein Blatt zu Boden fliegen,
der Herbstwind, er soll sanft mich wiegen,
 
lass‘ hinter mir die warmen Zeiten;    
muss langsam mich nun vorbereiten,
 
auf Stürme, stark und kalte Nächte.
Wenn doch der Winter wiederbrächte
 
den neuen Lenz mir, voller Sehnen,
mit allen lebensfrohen Tönen.
 
Auch, wenn ich weiß, was folgen wird,
gehn meine Schritte unbeirrt.
 
Erst, wenn ich durch den Tod gegangen,
kann ich die Wiederkehr erlangen.
 
Der Lebenskreislauf schließt sich dann,
damit ein Frühling kommen kann.

So wandelt sich das Erdenleben
zum geistig lichterfüllten Streben.
 
Gott wird begleiten meine Zeit
bis hin in alle Ewigkeit.

Leben und Tod

John William Waterhouse 1849-1917 – Borea

Lebensfahrt

Es eilt des Lebens Fahrt
vorbei an Freud’ und Leid,
nie hält es an,
erst, wenn das Ziel erreicht,
steht es im Trauerkleid.

Was kommt nach dem Tod?

Diese Frage beschäftigt uns alle früher oder später und niemand weiß eine Antwort darauf.

Wenn man jung ist, steht das Leben im Mittelpunkt. Die Frage nach dem Tod scheint dann nicht wichtig. Er wird verdrängt, sogar verleugnet. Es kann doch gar nicht sein, dass die Lebenskraft vergeht, fast unmerklich, wenn sie nicht plötzlich durch ein großes Unglück genommen oder durch Krankheit eingeschränkt wird.

Ewiges Leben, bewusst, in einem einzigen menschlichen Körper, ist für mich persönlich eine Horrorvorstellung. Sterben und Vergehen bietet Raum für Neuwerdung und Verwandlung. Dann kommt der Tod als Freund.

Menschen hoffen schon immer auf ein ewiges, körperliches Dasein. Wie würden sie sich im Schlaraffenland langweilen, wo Überfluss herrscht und schöne Eintönigkeit?! Die Juden und andere Glaubensgemeinschaften warten bereits seit ewigen Zeiten auf den Erlöser, den Messias, der das Gleichgewicht und die Gerechtigkeit auf dieser Welt wiederherstellt.

Für mich sind Überlegungen vom materiellen Paradies auf Erden Utopie. Dieses Paradies befindet sich auf einer anderen, geistigen Ebene. Dort, wo es weder Tod noch Krankheiten gibt, nur ewige Glückseligkeit, von der alle Propheten, Dichter und Denker schrieben.

Ich freue mich, wenn ich meinen alten Körper irgendwann ablegen darf und auf mein Zuhause bei Gott, ganz egal wie das aussehen mag. Sind wir nicht alle wie die Schmetterlinge? Den alten Kokon abstreifen, der uns solange gequält hat und mit offenen Flügeln dem Licht entgegen fliegen!  

Wir alle haben vergessen, woher wir einst kamen, doch manchmal scheint uns eine vage Erinnerung mitten ins Herz hinein.

Auch, wenn ich „nur“ als winzige Spur wieder ein Teil des Ganzen werden sollte, und die Persönlichkeit meines jetzigen Lebens sterben wird, wie alle davor, vertraue ich darauf, dass meine Ur-Seele in ihrer Einzigartigkeit erhalten bleibt.

Der Tod trennt Körper und Seele, diese beginnt mit der erreichten Entwicklungsstufe ihr neues Leben. Sie kann nicht höher und nicht niedriger sein als das, was sie ist. Das Naturgesetz hat Kenntnis von jedem einzelnen Faktor und übt Gerechtigkeit. Man bestraft sich selbst, genauso wie man sich selbst belohnt, durch jede Handlung, die man vornimmt. Der Mensch wächst oder versagt durch sein eigenes Leben. Er erlöst oder verdammt sich selbst durch seine Taten.

Immer ist das, was Gott für alle Menschen nach dem Tod vorgesehen hat, sinnvoll und gut.

Auferstanden im Licht

Bild von Stefan Keller auf Pixabay
Die Stürme sind los, im lenzlichen Prangen,
des ersten Blühens im Land ohne Frieden,
wo Regengüsse die Böden erlangen,
der Häuser, die dachlos, wo Leben vertrieben. 

Gemächer, so schutzlos, die Wände zerbrochen,
der bröckelnden Mauern, knirschend‘ Gebälk.
Hält denn noch stand, was den Tod gerochen,
was nicht wankt und im heren Wunsche nicht fällt?

Himmel, er dunkelt trüb über dem Felde,
Wolkentreiben weint auf unsere Not.
Alles ist fort! – Dort auf dem Minenfelde
keimte Korn, letztes Jahr, für unser Brot.

Doch die Natur lässt sich nicht besiegen;
Trauerweiden verschleiern die Sicht.
Ob schon die ersten Schneeglöckchen blühen?
Zwischen Ruinen sieht man sie nicht.

Irgendwo draußen wird es wieder grünen -
österlich leuchtend, der Horizont.
Die Leiber getötet, dem Guten dienend,
auferstehen im Licht, wo die Liebe wohnt. 

Zur Quelle allen Seins

Wasser – Hu JunDi (chinesischer Maler)
Wenn sein Tod die Geburt in den Geist des Lebens ist,
wandert der Mensch zur nächsten Etappe,
im Geiste seine eigne Persönlichkeit erhaltend.

Die Pilgerreise endet nicht im Nichts,
sondern dient der Verfeinerung 
aller dem Geist innewohnenden Eigenschaften,
zur Entwicklung, Belebung, Entfaltung bereit,
um sich der Quelle allen Seins zu nähern.

Der Mensch, der Geist ist, 
potenziell vollkommen erschaffen,
wird nicht in der Gottheit aufgehen,
bis er gereift ist,
in Entwicklungsgängen der Vervollkommnung,
die so unendlich sind wie Gott selbst. 

Geistige Qualitäten

Quelle: Pinterest – donhosho
Der Mensch packt eine leichte Tasche,
stark voll Bewusstsein und Verstand,
sein Körper wird zum Staub, zur Asche,
nachdem er körperlich verschwand. 

Sein Geist ist einzig, ihm zu eigen -
er ist ganz Geist auf Studienfahrt.
Ein physisch losgelöstes Treiben,
mit Eigenschaften seiner Art.

In ihm die Fähigkeit zu lieben
und zugeneigter Empathie;
sein Geist ist frei, im Sein geblieben,
zu neuer Lebensharmonie.

Sonnenferne Zeiten

Peder Mørk Mønsted (1859-1941)
Die Morgensonne färbt die Welt in Licht,
wenn sie erneut durch dichte Wolken bricht.
Vertreibt die Nachtgestalt am Horizont,
bringt warme Farben, die das Leben sonnt.

Wie Sonne sich die Wege gülden malt,
den Herbst mit sanftem Glanz bestrahlt,
so wird die Welt in sonnenfernen Zeiten,
auf malerischen Strahlen durch die Kühle gleiten.

Gesegnet sinkt die Stunde uns hernieder,
in der wir müde, und wir ruhen wieder,
bis wir die Welt mit hellen Augen sehen,
im Lebenskreislauf wiederauferstehen. 

Mitten im Leben

Quelle: Pinterest
Wandle auf ausgetretenen Pfaden,
tief sind die Spuren eingebracht,
doch nach der Sonne blassem Tagen,
erfolgte mir kein Tag, nur Nacht.

Es ist der Monat, der mir grauste,
webte zu oft des Weggangs Muster.
Der Tod, mitten im Leben haust er,
so unbarmherzig, kalt und duster.

Wie eine Kerze angebrannt,
löst sich das Lebenswachs im Licht.
Nach kurzem Feuer dann verschwand
der Geist des Lebens und es bricht.

Es bleibt ein körperloses Schweben,
ein Dasein, unbeachtet still.
Verborgen sind im Geistesleben,
die um uns sind, so Gott es will. 

Hilfloses Altern

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay
Die Tür‘ fällt leis‘ ins Schloss!
Du musst verlassen deines Wirkens Stätte.
So, wie ein langer Regen sich ergoss
und dann versickert tief im Erdenbette,
so flossen deine Tage voller Schaffen,
doch langsam wich die Kraft aus deinen Zellen,
vorbei der Ansporn, das Zusammenraffen,
der Zahn der Zeit, er nagt an allen Stellen.
 
Ein letzter Blick fällt auf das Altvertraute,
ein tiefer Seufzer den Erinnerungen.
Der mit Elan einst Zukunftsschlösser baute,
ist ohne Ziele, hoffnungslos durchdrungen.
 
Die Wehmut lenkt die Schwere deiner Schritte,
nichts hält dich, niemand der dein Dasein wandelt;
was du einst liebtest und dich hielt in deiner Mitte,
ist doch längst fort, vorbei und abgehandelt.
 
Hältst Zwiegespräche mit den Unsichtbaren,
die schon vor langer Zeit die Welt verließen.
Hilflosigkeit wächst mit den täglichen Gefahren
und tückisch scheint der Weg unter den Füßen.
 
So gehst du hin in eine Heimstatt, die man wählte,
und überschaubar werden deine letzten Jahre.
Am Ort, wo die Vergessenheits-Gequälten
vergessen werden, steht bereits die Bahre.
 
Wenn Menschenhände dich längst losgelassen,
du mit Erinnerungen nur im Damals lebst,
bleibt dir nur Gott – er wird dich nicht verlassen,
wenn du auf deine letzte Reise gehst.

Welk geworden

William Adolphe Bouguereau (1825-1905)
Wie zwei welk geword’ne Rosen,
schließen sich die müden Lider,
sind des Blickes trübe Sehnsuchtslose,
fühl‘n des Wirkens Abschluss in den Gliedern.

Sind verbraucht, ein winzig Licht in ihnen,
bis ihr letzter Lebenshauch verlischt;
schlafen hinter blassen Traumgardinen
wo ihr eigner Himmel Richtung ist.   

Letzter Kampf streckt hin die Glieder,
gegenwärtig Abschied und Verzicht.
Ihrem Antlitz spielt ein Lächeln wider,
doch gelöst und geistlos ist der Blick.

Nebelgeister schweben durch die Räume,
ziehn wie graue Schleier durch die Schwere,
trennen sanft die Silberschnur der Träume,
füll‘n mit goldnem Licht die Grabesleere.