Ernte des Lebens

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So, wie ein Landwirt sein - ein Feld bebauen,
es fruchtbar machen, räumen Stein für Stein,
dem Wind, der Sonne und sich selber trauen,
zum Himmel schauen und geerdet sein.

So viele Ackerfelder, die als Brachland liegen,
das ungenutzt unter den Steinen ruht -
sie fortzuräumen und mit neuen Trieben
das Feld bebauen, liebevoll und gut.

Ein guter Same soll auf Äcker fallen,
die wohl besät im Sonnenlicht entstehen,
mit Wind und Regen aus den Himmelshallen
werden sie erntereich zum Ziele gehn.

Neuland

Diego Max
Gebunden ist manch Land, gar regungslos im Handeln,
es macht sich frei, dort neu, wo Leben lenkbar ist.
Um sich zu öffnen, Falsches umzuwandeln,
verlangen altgewohnte Muster Lösungsfrist.

Der Wohlstand wird zum Hochmut und das Werden
ein Akt von neuem Sklaventum; frei ist das Land
durch wahre Helfer, gottestreu auf Erden,
beherrschen alle Wildheit durch Verstand. 

Nicht Brücken bauen über wilde Fluten,
sondern zur Selbsterlösung, aller Freiheit Mühe.
Schenkt Friedensblumen ängstlichen Rekruten,
zeigt ihnen Schönheit frei gewachsner Blühte.   

Wie die Gedanken, die man nicht bezwingt,
hat jede Seele ihres Denkens Garten.
Ein Land, das demutsvoll von neuem Frühling singt,
dienend dem Ganzen darf es ihn erwarten. 

Land der Eichen

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Land der Eichen, du bist mild geworden,
deine Rinde, wie vom Sturm geglättet,
doch wächst deine Wurzel, alt verwoben,
mit dem Boden, der die Ahnen bettet.

Nahmst die Nahrung dir aus fremden Bächen
und aus blutgetränkten Schollen,
hörtest nicht auf andere, wie sie sprechen,
die wie Blumen um dich wachsen wollen.

Holz, lass deine Jahresringe zählen,
die in dir wuchsen, hin durch ferne Zeiten;
wenn die Geschichte spricht, ist’s wie ein Quälen,
man fühlt die neue Zeit darüber schreiten.

Durch die Heimat rauschen neue Klänge -
wie ein Sang aus tausend fremden Kehlen,
und das Eichenlaub teilt rauschend die Gesänge,
dünkt sich neu, aus unbekannten Seelen.

Idee und Erkenntnis

Das Hirn ist wie ein Pool der Fragen,
in den Ideen und Erkenntnis fließen,
die aus dem Urgrund sich ergießen
und darauf drängen, sich zu offenbaren. 

Die Zeit ist reif für neue Dimensionen,
für neue Energie und Wissenschaft.
Verbunden sind die Kräfte - zauberhaft,
die weltweit in den klugen Köpfen wohnen. 

Gefaltet sind die Flügel der Gedanken,
schwer hängt die Furcht am Menschenkleid.
Entschwebt nun mutig in die neue Zeit,
entdeckt die Rosen unter Dornenranken!

Fernes Leuchten

Oft kreisen die Gedanken wie Planeten, um einen Mittelpunkt, der strahlt im Licht;
manchmal lässt uns der Geist um Wahrheit beten, denn wir erkennen Gut und Böse nicht.

Der Kosmos ist so groß, der in uns klein und jeder Stern ist wieder eine eigne Welt –
vielleicht ist schon sein Licht Vergangenheit, aus einer Zeit, die nicht mehr zählt.

Zuweilen staunen wir, wenn jeder Stern am dunklen Himmelszelt, sein Leuchten schenkt,
doch wir vergessen ihn in heller Welt, wenn unser Geist an andere Ziele denkt.

Im Frühling werden an den Zweigen Knospen sprießen, als ob sie neu geboren sind;
unzählig wird sich Blütenpracht ergießen und kurz gelebt, verwehen mit dem Wind.

Auch diese Zeit verweht. Ihr folgen, die einst neu geboren, blühen und vergehen;
der Kosmos ist so groß und wir in ihm verloren – wir können nur den kleinen Teil verstehen,

der sichtbar ist und unseren Blick erhellt, nicht was im Dunkeln liegt und außer Sicht.
Gerüstet schon, mit Wonne zu erblühen, ist die Natur im hellen Frühjahrslicht.

Seelenfeind

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Seeleneinsamkeit und Leere, 
sind die Hintergründe manches lachenden Gesichts;
nur Fassade – weinen in sich manche Zähre, 
doch die Welt erkennt es nicht.

Herzenskaltes Selbstvergnügen,
Abgeschiedenheit, die Mittelmäßigkeit verdeckt,
selbstverliebt sind ihre kalten Züge,
stolz darauf, was viele andere schreckt. 

Menschenfeinde sind die Vielzuvielen,
die die Meinung anderer nicht hören;
die dem Chaos angehören, Bösem dienen,
und den größten Feind, sich selbst, dabei zerstören.

Seelentod durch solche Traurigkeiten,
jene Einsamkeit, die traurigste von allen:
die das Du der Mitmenschen verneinten
und im Egoismus liebesleer zerfallen. 

Ein Sonntag am streng katholischen Niederrhein um 1900

Gekürzter Auszug aus meinem autobiografischen Roman über Henriette Brey (1875-1953)
Familienbild in Geldern-Kapellen – Henriette Brey an der Hand ihrer Mutter

Hoch über den Baumwipfeln schaute der alte Kirchturm über die Gärten hinweg. Die von Linden umstandene Sankt-Georgs-Kirche, die nur wenige Schritte von unserem Haus entfernt lag, war unser tägliches Ziel. Nach Einsetzen des anfänglich leisen Glockengeläuts, welches dann bis zur Messe umso lauter und eindringlicher wurde, machten wir uns auf den Weg zum Gotteshaus, wenn Mutter Zeit hatte, bereits am Morgen in der Frühe. Nur manchmal begleitete uns Vater zur Abendandacht, denn nur selten kam er von seiner Arbeit rechtzeitig nach Hause. Aber am heiligen Sonntag, wenn die Glocken noch feierlicher als sonst klangen, gingen wir alle gemeinsam in feinstem Sonntagsstaat zur Messe.

Foto: Udo Spelleken

Vater hatte seinen großen Schnurrbart extra gezwirbelt, sein weißer Hemdkragen blitzte unter dem dunklen Anzug hervor. Zu besonderen Anlässen trug er einen schwarzen Zylinderhut, der ansonsten eingeklappt in einer Hutschachtel auf dem Schrank lag. In der Frühe, wenn wir nach unserem Tischgebet gemeinsam gegessen hatten, holte Vater seine Pfeife hervor und polierte den Kupferbeschlag des Pfeifenkopfes aus Maserholz, bis er glänzte. Anschließend kramte er den dunklen Tabak aus seinem ledernen Tabaksbeutel hervor und begann die Pfeife für den Heimweg nach der Kirche aufs Sorgfältigste zu stopfen. Mutter trug ihr schwarzes Sonntagskleid, das am Hals mit Spitze eingefasst und mit einer Gemme verziert war, dazu eine kleine schwarze Spitzenhaube. Meist legte sie ihre Perlenkette an, ein Geschenk von Vater, welche sie sonst, neben weiteren Goldkettchen, in einem Kästchen im elterlichen Schlafzimmer aufbewahrte.

Wir Kinder wurden ebenso fein herausgeputzt. Jedes Mädchen trug über ihrem von Mutter selbstgenähten Sonntagskleidchen eine Schürze, die mit einem Rüschenbesatz an den Armen endete und auf dem Rücken zu einer großen Schleife gebunden wurde. Zöpfe wurden auf dem Kopf festgesteckt und mit Spangen und Bändchen verziert. Die Jungen waren brav gekämmt und liefen mit Pomade fixierten Scheiteln, gesittet und artig, in schwarzen Hosen und weißen Hemden direkt hinter Vater durchs Kirchenportal.

Das Kircheninnere blieb trotz der vielen Menschen kühl. Wir tauchten unsere Finger in das Weihwasserbecken und suchten, nachdem wir uns bekreuzigt und uns demütig mit einem angedeuteten Knicks vor dem Altar verbeugt hatten, eilig die noch leeren Plätze auf den alten Holzbänken auf. Dann begann der Organist, feierlich auf der Orgel zu spielen, und es folgte der sonntägliche Ablauf der heiligen Messe.

Der Priester führte fort: „Der allmächtige Gott erbarme sich euer. Er lasse euch die Sünden nach und führe euch zum ewigen Leben. Amen.“

Es folgte die immer gleichbleibende Liturgie. Als der Höhepunkt der heiligen Opferfeier nahte, wo Christus unsere irdischen Opfergaben in seinen eigenen Leib und sein eigenes Blut verwandelt und so sich selbst dem himmlischen Vater opfert, saß ich ganz still und blickte ehrfürchtig zu den Lichtstrahlen empor, die durch die bunten Kirchenfenster fielen.

Der Pfarrer hatte einmal zu mir gesagt: „Weißt du nicht, Kind, dass in dem Augenblick, wo das heilige Sakrament auf den Altar kommt, der Himmel droben sich öffnet und Christus herniedersteigt und ankommt, dass Engelheerscharen vom Himmel zur Erde schweben und den Altar umringen, wo das heilige Sakrament des Herrn ist und alle mit dem Heiligen Geiste erfüllt werden?“

Die Dichterin vom Niederrhein – Henriette Brey (1875-1953)

So harrten wir aus, andächtig und erwartungsvoll, bis uns der Pfarrer den Segen erteilte und in den Tag entließ. Und manchmal glaubte ich Christus gesehen zu haben oder meinte, dass Maria von der Ecke des Altares gelächelt hätte, als ich sie ansah. Dann hing ich noch lange nach der Messe meinen Gedanken nach und grübelte den ganzen Nachmittag.

Gleich nach der Kirche steckte Vater seine Pfeife an und begann ein bedächtiges Gespräch mit Bekannten. Man redete über das neue Pumpenhaus, die geplante Raiffeisengenossenschaft oder über Politik. Alle sahen in ihrem Sonntagsstaat so anders aus als sonst, mit ihren geschwärzten Stiefeln, gesteiften Hemden und rotbackigen Sonntagsgesichtern. Ich kannte sie alle, die treuherzigen, von der Arbeit gezeichneten Gesichter der Männer und Frauen, auf die der stille Sonntagsfriede seinen sänftigenden Widerschein warf. Die sittsamen jungen Mädchen, mit ihren messingbeschlagenen Gesangbüchern, gingen vorbei an den jungen Burschen, deren Gedanken wohl schon von der Predigt hinüberschweiften zum kühlen Bier, wo es in den Wirtshäusern „Zum goldenen Löwen“ oder im „Drei Kronenhof“ beim Frühschoppen lustig zuging. Die Wirtsleute konnten sich wahrlich nicht über ausbleibende Gäste beklagen, denn ihre Stammtische und Gaststuben waren sonntags immer gefüllt.

Kirchenmaler Heinrich Brey (1872-1960)

Mein Bruder freute sich auf den langen Sonntag ohne Schulbücher und Unterricht. Zwar war es uns nur erlaubt, in Hof und Garten zu spielen, wo doch ferne die Wiesen und Felder lachten, und es in der Morgensonne blitzte und flimmerte. Wie ein grünes Meer wogten die jungen Roggenfelder und lockten uns mit rotem Mohn und Rittersporn darin. Dort lag unsere weite Welt und sie gehörte uns, soweit es unser Blick erlaubte, mit allen Bäumen, Sträuchern und Vögeln, mit Wiesen und Feldern voller Windesrauschen und Blütenduft.

Wenn Mutter nach Hause kam, begann sie fettdurchwachsenes Schweinefleisch zu kochen und ihre besten Klöße zu machen, und abends gab es Eierkuchen. Das Dorf roch nach Braten und Apfelkompott. Dann war wirklich Sonntag! Ein holder Tag, an dem der Arme durch den Besitz eines zweiten Hemdes oder eines besseren Kleides an Selbstwertgefühl gewann und ihn ein Gefühl von Freiheit von den Mühen des Lebens zuversichtlich, heiter und lebenslustig machte.

Tragik des Lebens

Foto: Gisela Seidel
Emporzusteigen auf dem Rücken anderer,
auf Herzen treten, kalt und rücksichtslos;
Erfolg zu haben, unter Welten-Wanderern,
immer nur nehmen, macht den Bösen groß.

Bringt es Befriedigung, bedeutend sein und mächtig,
was anderen schwer gelingen kann?
Viel schöner ist das Glück, das blüht und prächtig
durch eignes Tun im Menschenherz gelang. 

Ein Blümlein schauen, das im lichten Grünen
am Frühlingsmorgen Richtung Sonne strebt,
ist besser als Zertreten vor dem Blühen,
es auszureißen, damit der Rasen ‚lebt‘.

Die Kraft zu sehen

Slavisches Epos – Alfons Mucha (1860-1939)
In der dunklen Welt, in der wir leben,
Kraft zu sehen, was im Hintergrund,
möcht‘ ich mir und all den ‚Blinden‘ geben,
denn ich höre Angst aus ihrem Mund.

Doch den Glanz, den wir nicht sehen,
der uns wunderbar umgibt,
würde ich am liebsten denen
senden, die noch nie geliebt. 

Nebel trüben der Materie Hüllen,
alles lastet im Gefühl der Schwere;
Wolkendecken, die den Himmel füllen,
hindern Licht und warme Atmosphäre.

Es erhält uns Geisteskraft und Liebe -
Leben kann nicht ohne sie geschehen.
Gott erhält uns und das Weltgetriebe,
lässt es nach Bedingungen geschehen. 

Alles ist Erfüllung der Gesetze,
sichtbar oder unsichtbar beschwingt;
schaffen Ausgleich für des Lebens Hetze,
mit Dynamik, die uns Klarheit bringt.

Geist in uns, vom Schöpfer aller Dinge,
der sein Potential in unser Dasein trägt,
führt uns, dass die Kraft in uns gelinge,
die uns Tag für Tag im Innen prägt. 

Andere Zeiten

Foto: Peter Henry Emerson (1856-1936)
Längst vergangen sind die beschwerlichen Zeiten, 
wo Bauern hinter Pferd und Pflug her schreiten,
im März, wo Äcker und Felder warten auf Licht,
und die Sonne durch Wolken und Nebel bricht. 

In der schwere Winde den Winter vertreiben,
aus gepflügten Schollen die Setzlinge treiben;
wo die karge Stube noch kalt von der Nacht
durch das wärmende Feuer des Ofens erwacht.

Wo die Hände der Landwirte schwielig und grob
von der harten Arbeit – schmal der Lohn und das Brot. 
Andere Zeiten - man vergaß mit den Jahren,
in ‚Goldener Zeit‘ nach dem Dunkel zu fragen.

Verlassen sein werden die kostbaren Schollen,
auf denen sie sich nicht mehr abrackern wollen,
damit auf ‚hohem Ross‘, mit schwerem Gerät,
Böden verseuchter Gewinn entsteht. 

Protest mit dem ‚goldenen Löffel im Mund‘ -
man will nicht verlassen den kostbaren Grund,
keinen Fußbreit abweichen von seinem Glück,
doch bleibt es nur kurz, wie der Lenz, ein Stück.