Wintergedanken

Ernst Ferdinand Oehme (1797-1855)
Quellen müssen die Gedanken
gerad‘ in langen Winternächten,
wo sie Wort um Wort begannen
einsam Reim an Reim zu flechten.

Für die Vielen nicht, für manche;
nur für diesen oder jenen,
der abseits der großen Menge
lauscht den bald vergessenen Tönen.

Wie mit Schritten zur Kapelle,
auf verschneitem Weg zu kommen,
ganz abseits des Pilgerzuges,
doch im Feuerschein der Frommen.

Demütig, gebückten Hauptes,
durchs verschneite Pförtlein treten,
um vor weihnachtlicher Krippe
und dem Kindlein selbst zu beten.

Denn die Zeit ist schwer geworden,
macht den Heiligen Geist zur Fabel,
und aus neuen Wohlstandstrümmern
baut der Wahn ein neues Babel.

Oftmals möcht‘ ich schier verzagen:
Geld und Macht sind höchste Götter.
Unbedeutend werden sterben,
all die Heuchler und die Spötter.

Helf’ uns Gott den Weg nach Hause
aus dem Erdenelend finden,
lass aus Glaube, Liebe, Hoffnung
uns den Kranz „Erlösung“ binden!

Warten aufs Christkind

Das erste Lichtlein wird entzündet,
in dieser doch so dunklen Welt,

die gute Botschaft, die verkündet,
mit der ein Frieden hergestellt,

braucht auf der Erde viele Lichter,
Gebete, die aus voller Brust

mit Hoffnung zeichnen die Gesichter,
die nicht auf Illusionen fußt.

Den Docht des heiligen Friedens brennen,
des Krieges Ende heiß erflehen,

den Friedefürst und Heiland nennen,
im Untergang und Auferstehen.

Engelgleiche Wesen

William Adolphe Bouguereau (1825-1905)
Liebe, Weisheit, Lebenswahrheit,
Essenz des Daseins ist gewonnen;
zeigt den Grund, dass all die Klarheit
aus des Geistes Welt genommen.

Die Erkenntnis ist das Erbe,
die nur weise Seelen schauen,
die durch Strahlen Seines Lichtes
auf der Erde ‚Himmel‘ bauen.

Die des Geistes Grund verbreiten
sind in diese Welt gekommen,
von der Wahrheit uns zu zeigen
und die Herzen zu besonnen.

Längst erleuchtet, erdgenesen,
die durch Menschenwerk uns dienen;
denn durch engelgleiche Wesen
wirkt der Große Geist in ihnen.
Auszug: William Adolphe Bouguereau (1825-1905)

Ewigkeitssonntag

Aus dem Poesiealbum meiner Mutter:
„Lass die Winde stürmen auf der Lebensbahn, ob die Wogen türmen gegen deinen Kahn. Schiffe ruhig weiter, wenn der Mast auch bricht. Gott ist dein Begleiter. Er verlässt dich nicht.“

Jahre vergehen wie im Flug. Es ist schon ein Kreuz mit der Zeit, die physikalisch in Ordnung gebracht, vierdimensional die Relativitätstheorie bildet. Sie erfüllt, beseelt den Alltag der Menschen oder kann ihn belasten. Niemand kann das Fortschreiten der Gegenwart, von der Vergangenheit kommend und zur Zukunft hinführend, halten.

Anders als heute tickten die Uhren zu Luthers Zeiten. Damals, als die Kirchen noch gut gefüllt waren, maß man dem Kirchenjahr eine große Bedeutung zu. Das tut man noch Jahrhunderte später. Obwohl ich mich von der Kirche entfernt habe, frage ich mich: Welche Bedeutung hat das Kirchenjahr heute noch?

Es beginnt mit dem 1. Advent in der dunklen Jahreszeit, nachdem der depressive November seine Nebel lichtet, wieder durchlässig wird für die Strahlen des Lichterglanzes. Eine Geburt kündigt sich an; etwas ganz Neues von größerer Reinheit soll entstehen. Nicht nur deshalb wird Maria als unberührte Jungfrau und dennoch als Mutter dargestellt.

In der Adventszeit beginnt die Zeit der Besinnung. Die Hektik des Alltags soll draußen bleiben. Man besinnt sich auf das, was wichtig ist, begegnet Liebe und Einsamkeit mit anderen Gefühlen als sonst.

Im neuen Jahr dann, darf das ‚geborene Kind‘ ganz zur Entfaltung kommen. Es bringt Hoffnung auf einen neuen Frühling, auf Licht und Leben. Es ist die Zeit, in der Unkraut und Weizen noch durcheinanderwachsen. Die Zeit der Ernte scheint noch weit. Viele Blüten werden sterben müssen, um anderen das Leben zu ermöglichen. Fastenzeit und Passion – Zeit des Leidens, des Sterbens und der Wiederauferstehung. Mensch und Natur entdecken die göttliche Kraft des Werdens.

Sommer – ermüdender Alltagstrott. Man kommt zurecht, wenn auch langsam unter der Hitze der Alltäglichkeiten.

Erntedankfest – die Speicher sind gut gefüllt für den Winter. Die Felder liegen brach. Die Herbstwinde fegen darüber und erinnern uns an unsere eigene Vergänglichkeit. Aber es bleibt eine Hoffnung auf einen neuen Frühling, darauf, dass der Tod nur eine Wandlung ist.

Der Ewigkeitssonntag beendet den Jahreskreis und alles beginnt aufs Neue.

Wir sind nicht allein auf diesem Weg, der uns nach dem Lebenssinn fragen lässt.

Man sagt, man müsse das Leben planen. – Eine aus der Hektik des Alltags geborene Halbwahrheit. Lebenszeit kann nicht geplant werden. Mein Sohn ist ohne vorheriges Anzeichen gestorben. Die Hektik des Alltags und die Einstellung der Menschen haben seine Lebenszeit verschlungen. Ich musste das Gefasstsein üben und frage mich, was wirklich wichtig ist.

Das ‚Christkind‘ wird trotzdem zur Welt kommen, alles Negative über Bord werfen und uns an das Lebenswerte in dieser Welt erinnern. Das sehe ich als Sinn dieses Geburtstages, auch wenn der genaue Zeitpunkt nirgendwo bestätigt ist.

Der christliche Geist trägt das zeitlos Liebevolle in sich und wird unser Herz durch schöne Klänge für angenehme Dinge öffnen und Familien zusammenführen. Er lässt uns nicht vergessen, dass die Liebe zu Gott auch Nächstenliebe heißt. Das schließt auch die Tiere mit ein.

Gelassenheit müssen wir lernen. Sich selbst nicht mehr so wichtig nehmen. Die Zeit zurückdrehen, in der die Kirchturmuhr noch halbstündlich läutete. Eine Oase finden, in der die Hektik der Zeit draußen bleibt.

Foto: Gisela Seidel

Ewige Harmonien

Quelle: Pinterest
Sind die Leben auch verschieden,
währen kurz nur oder lang,
dienen müssen wir hienieden,
Schüler sind wir lebenslang.

Gehen ausgetretene Wege,
Sehnsucht führt zum Lebensort.
Über teils zerbrochene Stege
treibt des Körpers Gang uns fort.

Ein Mensch sind wir nur von vielen,
jeder sucht das Ziel, den Sinn.
Finden schließlich inneren Frieden
nur im ewigen ICH BIN.

Gebet

von Rainer Maria Rilke

Viktor Sieger (1843-1905)

Ich sprach von Dir als von dem sehr Verwandten,
zu dem mein Leben hundert Wege weiß,
ich nannte Dich, den alle Kinder kannten,
für den ich dunkel bin und leis.

Ich nannte Dich den Nächsten meiner Nächte
und meiner Abende Verschwiegenheit,
und Du bist der, in dem ich nicht geirrt,
den ich betrat wie ein gewohntes Haus.
Jetzt geht Dein Wachsen über mich hinaus:
Du bist der Werdenste, der wird.

Aus dem Worpsweder Tagebuch 4.10.1900

XIII. Sonett an Orpheus

Sei und wisse zugleich des Nicht-Seins Bedingung,
den unendlichen Grund deiner innigen Schwingung,
dass du sie völlig vollziehst dieses einzige Mal.

Text: Rainer Maria Rilke 1875-1926

An den, der leis mich rief

Schweben im Meer der
Lautlosigkeit.
Der Lärm der Welt verklingt,
und um mich her versinkt,
wie schwerelos, die Zeit.

Sie trägt mich himmelan
und wirbelt mich im Tanz,
umhüllt und schließt mich ein
mit lichtem Strahlenglanz.

Erfüllt mich liebevoll
mit engelgleichem Traum;
glänzt wie ein kleines Licht
am großen Lichterbaum.

So frei, voll Harmonie,
in Quintenklangmusik,
geb’ ich mein Innen hin,
an DEN der leis’ mich rief.

Ein sprudelnder Brunnen

Quelle: Pinterest
Ein sprudelnder Brunnen mit Wasser des Lebens
füllt ohne Unterlass Schalen des Lichts,
gesegnetes Schenken des selbstlosen Gebens,
einer Quelle, die finstere Schatten durchbricht.

Wo ein Regenbogen den Ursprung spiegelt
und der Gold-Topf am Ende die weltliche Sphäre,
hat Gott die Sicht ins Jenseits versiegelt,
nur der Glaube daran füllt die seelische Leere.

Engel tragen das Licht in geöffnete Herzen,
füllen leere Münder mit göttlichen Worten,
dann öffnen sich Türen, weichen die Schmerzen,
und der Schleier öffnet die Jenseitspforten.

Glaubensbekenntnisse

Übersetzung:

Stell dir vor, es gäbe kein Himmelreich,
Es ist ganz einfach, wenn du es versuchst.
Keine Hölle unter uns,
über uns nur der Himmel.

Stell dir vor, alle Menschen
leben nur für das "Heute".

Stell dir vor, es gäbe keine Länder,
es ist nicht schwer, das zu tun.
Nichts, wofür es sich lohnt zu töten oder zu sterben
und auch keine Religion.

Stell dir vor, alle Menschen,
leben ihr Leben in Frieden.

Du wirst vielleicht sagen, ich sei ein Träumer,
aber ich bin nicht der Einzige.
Ich hoffe, eines Tages wirst auch du einer von uns sein,
und die ganze Welt wird eins sein.

Stell dir vor, es gäbe keinen Besitz mehr.
Ich frage mich, ob du das kannst.
Keinen Grund für Gier oder Hunger,
Eine Menschheit in Brüderlichkeit.

Stell dir vor, alle Menschen
teilen sich die ganze Welt.

Du wirst vielleicht sagen, ich sei ein Träumer,
aber ich bin nicht der Einzige.
Ich hoffe, eines Tages wirst auch du einer von uns sein,
und die ganze Welt wird eins sein.

Die Wahrheit über Religion ist, dass keine Religion die ganze Wahrheit besitzt.
Sie ist leider im Laufe der Jahrhunderte verzerrt und von den Glaubensbekennern verfälscht worden.

Kein Bewusstsein, kein Geist ist durch die Taten der Kirchen spirituell gewachsen.

Gespaltene Lager, geschaffene Barrieren, unnötige Unterschiede in Ländern und Familien wurden und werden verursacht.

Religion ist das, was den Großen Geist in uns befähigt, sich in unserem Leben zu offenbaren; es stärkt die Verbindung zwischen ihm und jedem Menschen.
Religion ist Dienst, Dienst ist Religion. Alles andere ist nicht wichtig.

Menschen sind dazu geschaffen, nicht in Isolation zu leben, sondern in williger Übereinstimmung mit allen anderen.

Diese Sichtweise muss sich in dieser Welt ausbreiten, die Erkenntnis, dass alle miteinander verbunden sind, dass keine Individuen, Klassen, Kasten oder Länder für sich allein aufsteigen und andere zurücklassen können.

Alle müssen gemeinsam aufsteigen und fallen, nicht nur die Menschen, sondern auch die Tiere, denn alles Leben ist eins, und die gegenseitige Abhängigkeit zieht sich durch das ganze unendliche System.

Bild KI generiert

Kirchen sollten Aufbewahrungsorte vitalisierender geistiger Kraft sein.
Sie sind zu dem geworden, was der Nazarener „getünchte Gräber“ nannte, wo sie unfruchtbare, sterile, antiquierte, dogmatische Lehren predigen, die keine Beziehung zum menschlichen Leben, seinen Problemen und seinen enormen Möglichkeiten haben. Die Autorität der Kirchen, der Bücher, der Glaubensbekenntnisse, all das schwindet. Sie werden allmählich über Bord geworfen, damit die Wahrheit sichtbar wird.

Die Macht des Geistes wird manifestiert, nicht durch Erzbischöfe, Bischöfe, Päpste, Priester, Imame und Rabbiner, sondern durch gewöhnliche Sterbliche, die mit der wunderbaren Aufgabe betraut sind, dem Großen Geist zu helfen, damit göttliche Liebe, Weisheit und Macht allen zur Verfügung stehen, die bereit sind, sie zu empfangen.

Den Kindern muss beigebracht werden, dass wahre Religion darin besteht, zu dienen, all die ausgefeilten Phrasen der Priesterkunst zu ignorieren und ein ehrliches, selbstloses Leben zu führen, in dem Wunsch, der Welt, in der es wohnt, zu helfen und so dem Großen Geist, von dem es ein integraler Teil ist, treu zu sein.

Hautfarbe, Klasse, Nationalität, Sprache – das sind nur physische Unterschiede. Geistig sind wir alle Glieder eines Kette, die ineinandergreifen. Wir bilden die große spirituelle Familie der Menschheit, weil das gemeinsame Band des Geistes uns alle mit seinem unzerstörbaren Band zusammenhält.

Plastikwelt

Lieber Stefan, ich habe Deine dramatische und kraftvolle Komposition gewählt, weil ich sie zum Thema passend finde. Ich hoffe, Du bist damit einverstanden.

In allen Seelen brennt ein Feuer,
ein Licht, mal ist es groß, mal klein;
treibt durch des Fährmanns Kraft am Steuer,
mit seinem Schiff ins Meer hinein.

Durch einen Ozean der Träume,
treibt‘s weit, bis einst der Kahn zerbricht;
stößt manchmal gegen Wellenschäume,
versperrter Blick durch Gegenlicht.

Es wogt das Schiff im Wellengang -
die Kraft, sie schwand; nach all dem Tun
will jedes Herz mit stillem Drang
auf einem Platz im Hafen ruhen.

Ich seh die Lichter dieser Erde –
ein jedes Licht, ein Mensch allein!
Als würd‘ das Schöpfungswort „Es werde!“
schon viel zu viel für alle sein.

Aus Kunststoff ist die Welt geworden,
Strände vermüllt, das Meer bedeckt;
das Licht des Menschen scheint verdorben,
das hinter Plastik sich versteckt.

Sie sehn kein Ziel, nur sich im Sinn!
Zerstören, was zu Noah's Zeiten
die Arche barg zu Anbeginn,
dem sie nun Kümmernis bereiten.

Beim nächsten Mal wird Feuer brennen -
das Klima ist längst aufgetan.
Mensch wird beim Flüchten erst erkennen:
der Fortschritt war sein Untergang!

1.Mose 9, 11 Und ich will meinen Bund mit euch aufrichten, dass künftig nie mehr alles Fleisch von dem Wasser der Sintflut ausgerottet wird, und dass auch keine Sintflut mehr kommen soll, um die Erde zu verderben.

Als Erinnerung an dieses Versprechen lässt Gott einen Regenbogen am Himmel entstehen.

Der Gilgamesch-Epos beschreibt eine ähnliche Geschichte, in der ein Mann ein Boot baut, um mit seiner Familie und allen Tieren einer Flut zu entkommen. Götter überfluten die Erde, um die Menschen dafür zu bestrafen, dass sie zu laut sind und den Schlaf des Gottes Enlil stören. Diese Erzählung entstand um 2100-1200 v. Chr. und ist viel älter als die Geschichte Noahs in der Bibel. Es gibt Ähnlichkeiten aber auch Zeitunterschiede, was die Dauer der Sintflut anbetrifft. Die Epen sind im Kern verschieden; die Mythen erzählen Geschichten längst vergangener Flutkatastrophen.

Kernaussage beider Geschichten ist: Die Menschen tragen die Schuld am Untergang der Welt. Sie verstoßen gegen die Naturgesetze.
Die Ausübung der Gaben des Geistes ist mit einer großen Verantwortung verbunden. Die Wohlstandsgesellschaft verteilt ihren Müll auf der ganzen Welt und behauptet, der Klimawandel sei eine Lüge.

Es ist ein Teil des Naturgesetzes, dass man etwas nicht umsonst haben kann. Da helfen auch keine Gebete. Das Gebet kann nicht in die Abfolge von Ursache und Wirkung eingreifen. Der Mensch besitzt nicht die Macht, die mathematische Gewissheit zu unterbrechen, dass die Wirkung mit unveränderlicher Präzision auf die Ursache folgt.