Neuland

Diego Max
Gebunden ist manch Land, gar regungslos im Handeln,
es macht sich frei, dort neu, wo Leben lenkbar ist.
Um sich zu öffnen, Falsches umzuwandeln,
verlangen altgewohnte Muster Lösungsfrist.

Der Wohlstand wird zum Hochmut und das Werden
ein Akt von neuem Sklaventum; frei ist das Land
durch wahre Helfer, gottestreu auf Erden,
beherrschen alle Wildheit durch Verstand. 

Nicht Brücken bauen über wilde Fluten,
sondern zur Selbsterlösung, aller Freiheit Mühe.
Schenkt Friedensblumen ängstlichen Rekruten,
zeigt ihnen Schönheit frei gewachsner Blühte.   

Wie die Gedanken, die man nicht bezwingt,
hat jede Seele ihres Denkens Garten.
Ein Land, das demutsvoll von neuem Frühling singt,
dienend dem Ganzen darf es ihn erwarten. 

Land der Eichen

Quelle: Pinterest
Land der Eichen, du bist mild geworden,
deine Rinde, wie vom Sturm geglättet,
doch wächst deine Wurzel, alt verwoben,
mit dem Boden, der die Ahnen bettet.

Nahmst die Nahrung dir aus fremden Bächen
und aus blutgetränkten Schollen,
hörtest nicht auf andere, wie sie sprechen,
die wie Blumen um dich wachsen wollen.

Holz, lass deine Jahresringe zählen,
die in dir wuchsen, hin durch ferne Zeiten;
wenn die Geschichte spricht, ist’s wie ein Quälen,
man fühlt die neue Zeit darüber schreiten.

Durch die Heimat rauschen neue Klänge -
wie ein Sang aus tausend fremden Kehlen,
und das Eichenlaub teilt rauschend die Gesänge,
dünkt sich neu, aus unbekannten Seelen.

Idee und Erkenntnis

Das Hirn ist wie ein Pool der Fragen,
in den Ideen und Erkenntnis fließen,
die aus dem Urgrund sich ergießen
und darauf drängen, sich zu offenbaren. 

Die Zeit ist reif für neue Dimensionen,
für neue Energie und Wissenschaft.
Verbunden sind die Kräfte - zauberhaft,
die weltweit in den klugen Köpfen wohnen. 

Gefaltet sind die Flügel der Gedanken,
schwer hängt die Furcht am Menschenkleid.
Entschwebt nun mutig in die neue Zeit,
entdeckt die Rosen unter Dornenranken!

Fernes Leuchten

Oft kreisen die Gedanken wie Planeten, um einen Mittelpunkt, der strahlt im Licht;
manchmal lässt uns der Geist um Wahrheit beten, denn wir erkennen Gut und Böse nicht.

Der Kosmos ist so groß, der in uns klein und jeder Stern ist wieder eine eigne Welt –
vielleicht ist schon sein Licht Vergangenheit, aus einer Zeit, die nicht mehr zählt.

Zuweilen staunen wir, wenn jeder Stern am dunklen Himmelszelt, sein Leuchten schenkt,
doch wir vergessen ihn in heller Welt, wenn unser Geist an andere Ziele denkt.

Im Frühling werden an den Zweigen Knospen sprießen, als ob sie neu geboren sind;
unzählig wird sich Blütenpracht ergießen und kurz gelebt, verwehen mit dem Wind.

Auch diese Zeit verweht. Ihr folgen, die einst neu geboren, blühen und vergehen;
der Kosmos ist so groß und wir in ihm verloren – wir können nur den kleinen Teil verstehen,

der sichtbar ist und unseren Blick erhellt, nicht was im Dunkeln liegt und außer Sicht.
Gerüstet schon, mit Wonne zu erblühen, ist die Natur im hellen Frühjahrslicht.

Seelenfeind

Quelle: Pinterest
Seeleneinsamkeit und Leere, 
sind die Hintergründe manches lachenden Gesichts;
nur Fassade – weinen in sich manche Zähre, 
doch die Welt erkennt es nicht.

Herzenskaltes Selbstvergnügen,
Abgeschiedenheit, die Mittelmäßigkeit verdeckt,
selbstverliebt sind ihre kalten Züge,
stolz darauf, was viele andere schreckt. 

Menschenfeinde sind die Vielzuvielen,
die die Meinung anderer nicht hören;
die dem Chaos angehören, Bösem dienen,
und den größten Feind, sich selbst, dabei zerstören.

Seelentod durch solche Traurigkeiten,
jene Einsamkeit, die traurigste von allen:
die das Du der Mitmenschen verneinten
und im Egoismus liebesleer zerfallen. 

Tragik des Lebens

Foto: Gisela Seidel
Emporzusteigen auf dem Rücken anderer,
auf Herzen treten, kalt und rücksichtslos;
Erfolg zu haben, unter Welten-Wanderern,
immer nur nehmen, macht den Bösen groß.

Bringt es Befriedigung, bedeutend sein und mächtig,
was anderen schwer gelingen kann?
Viel schöner ist das Glück, das blüht und prächtig
durch eignes Tun im Menschenherz gelang. 

Ein Blümlein schauen, das im lichten Grünen
am Frühlingsmorgen Richtung Sonne strebt,
ist besser als Zertreten vor dem Blühen,
es auszureißen, damit der Rasen ‚lebt‘.

Der März

von Erich Kästner
Foto: Gisela Seidel
Sonne lag krank im Bett.
Sitzt nun am Ofen.
Liest, was gewesen ist.
Liest Katastrophen.

Springflut und Havarie,
Sturm und Lawinen, -
gibt es denn niemals Ruh
drunten bei ihnen.

Schaut den Kalender an.
Steht drauf: "Es werde!"
Greift nach dem Opernglas.
Blickt auf die Erde.

Schnee vom vergangenen Jahr
blieb nicht der gleiche.
Liegt wie ein Bettbezug
klein auf der Bleiche.

Winter macht Inventur.
Will sich verändern.
Schrieb auf ein Angebot
aus andern Ländern.

Mustert im Fortgehn noch
Weiden und Erlen.
Kätzchen blühn silbergrau.
Schimmern wie Perlen.

In Baum und Krume regt
sich's allenthalben.
Radio meldet schon
Störche und Schwalben.

Schneeglöckchen ahnen nun,
was sie bedeuten.
Wenn Du die Augen schließt,
hörst Du sie läuten.
Erich Kästner ((1899-1974)

Die Kraft zu sehen

Slavisches Epos – Alfons Mucha (1860-1939)
In der dunklen Welt, in der wir leben,
Kraft zu sehen, was im Hintergrund,
möcht‘ ich mir und all den ‚Blinden‘ geben,
denn ich höre Angst aus ihrem Mund.

Doch den Glanz, den wir nicht sehen,
der uns wunderbar umgibt,
würde ich am liebsten denen
senden, die noch nie geliebt. 

Nebel trüben der Materie Hüllen,
alles lastet im Gefühl der Schwere;
Wolkendecken, die den Himmel füllen,
hindern Licht und warme Atmosphäre.

Es erhält uns Geisteskraft und Liebe -
Leben kann nicht ohne sie geschehen.
Gott erhält uns und das Weltgetriebe,
lässt es nach Bedingungen geschehen. 

Alles ist Erfüllung der Gesetze,
sichtbar oder unsichtbar beschwingt;
schaffen Ausgleich für des Lebens Hetze,
mit Dynamik, die uns Klarheit bringt.

Geist in uns, vom Schöpfer aller Dinge,
der sein Potential in unser Dasein trägt,
führt uns, dass die Kraft in uns gelinge,
die uns Tag für Tag im Innen prägt. 

Andere Zeiten

Foto: Peter Henry Emerson (1856-1936)
Längst vergangen sind die beschwerlichen Zeiten, 
wo Bauern hinter Pferd und Pflug her schreiten,
im März, wo Äcker und Felder warten auf Licht,
und die Sonne durch Wolken und Nebel bricht. 

In der schwere Winde den Winter vertreiben,
aus gepflügten Schollen die Setzlinge treiben;
wo die karge Stube noch kalt von der Nacht
durch das wärmende Feuer des Ofens erwacht.

Wo die Hände der Landwirte schwielig und grob
von der harten Arbeit – schmal der Lohn und das Brot. 
Andere Zeiten - man vergaß mit den Jahren,
in ‚Goldener Zeit‘ nach dem Dunkel zu fragen.

Verlassen sein werden die kostbaren Schollen,
auf denen sie sich nicht mehr abrackern wollen,
damit auf ‚hohem Ross‘, mit schwerem Gerät,
Böden verseuchter Gewinn entsteht. 

Protest mit dem ‚goldenen Löffel im Mund‘ -
man will nicht verlassen den kostbaren Grund,
keinen Fußbreit abweichen von seinem Glück,
doch bleibt es nur kurz, wie der Lenz, ein Stück. 

Unschuld

William Adolphe Bouguereau (1825-1905)

Unschuldige Augen, leerer Blick,
Spiel mit dem Tod wirft Seelenschatten.
Zerstörung ist ihrer Väter Geschick,
kennen nur die Geborgenheit durch Waffen.

Wunde Seelen und zerbrochene Herzen,
schrei’n nach Vergeltung und Sühne;
Zeit heilt Wunden, doch nie die Seelenschmerzen
bei den Kindern der irdischen Bühne.

Seh’n eine Welt voll Zerstörung und Hass,
fühlen Verzweiflung und Angst.
Befolgen gehorsam der Alten Erlass,
ihre Kindheit vergessen sie ganz.

Eine Seele, die niemals die Leichtigkeit sah,
nur den Krieg und das Spiel mit Patronen,
die nimmt ihr Sein nur als Werkzeug wahr,
wird Kanonenfutter für die Nationen.