Mit einem Neigen seiner Stirne weist er weit von sich was einschränkt und verpflichtet; denn durch sein Herz geht riesig aufgerichtet das ewig Kommende das kreist.
Die tiefen Himmel stehn ihm voll Gestalten, und jede kann ihm rufen: „Komm, erkenn!“ -
Gib seinen leichten Händen nichts zu halten aus deinem Lastenden. Sie kämen denn bei Nacht zu dir, dich ringender zu prüfen, und gingen wie Erzürnte durch das Haus und griffen dich, als ob sie dich erschüfen und brächen dich aus deiner Form heraus.
Lichter spiegeln sich in schmutzig-nassen Pfützen, gelb und fettig, schmutzig auch und schwer. Helle Häuserfenster können gar nichts nützen. Tore, Hallen hehr und leer.
Liegt der Nebel müde auf den Straßen und der Regen rinnt und rinnt. Menschen sind zu traurig, um sich noch zu hassen, und es hüstelt irgendwo ein Kind.
In den Gärten liegen halbverfaulte Blätter, stehen Bänke, traurig, nass und grau, kommt die Sonne immer seltener und später, nimmt’s der Mond mit Scheinen nicht genau.
Dringt das halbe Tageslicht noch durch den Nebel, trüb und grau und klebrig schwer. Klirrt die Wache schläfrig mit dem Säbel und ein nasser Vogel zittert sehr.
Stehen dürre, hungrige Pferde dampfend da, mit müden Augen. Ganz durchweicht, verstreut auf nasser Erde, kann der Hafer nicht mehr taugen.
An der moderigen Mauer eine nasse Katze schleicht. Mit hervorgekehrtem Pelz ein Bauer schaut, ob ihm das Geld noch reicht.
Ich sprach von Dir als von dem sehr Verwandten, zu dem mein Leben hundert Wege weiß, ich nannte Dich, den alle Kinder kannten, für den ich dunkel bin und leis.
Ich nannte Dich den Nächsten meiner Nächte und meiner Abende Verschwiegenheit, und Du bist der, in dem ich nicht geirrt, den ich betrat wie ein gewohntes Haus. Jetzt geht Dein Wachsen über mich hinaus: Du bist der Werdenste, der wird.
Aus dem Worpsweder Tagebuch 4.10.1900
XIII. Sonett an Orpheus
Sei und wisse zugleich des Nicht-Seins Bedingung, den unendlichen Grund deiner innigen Schwingung, dass du sie völlig vollziehst dieses einzige Mal.
Die Träume, die in stillen Feierstunden, Die dunkler Schatten mir so oft verlieh, Die süße Ruh, die ich bei Dir gefunden, Mein Lieblingsbaum, o die vergeß‘ ich nie!
Oft sah ich neben Dir die Sonne untergehen, Entzückt von ihres Anblicks Majestät. Oft hat des Herbstes lindes, kühles Wehen Mit Deinem bunten Laub mich übersäet.
Vor meinen Blicken schwebten holde Bilder, Im lichten Glanz der Jugendfantasie, Da träumt ich mir des Schicksals Härte milder, Und jeder Mißton wurde Harmonie.
Und liebend grub ich einst in Deine Rinde Den Nahmenszug, der in mir brannte, ein; Auch darum wirst Du mir, Du stille Linde, Vor allen Bäumen ewig theuer seyn.
Wenn sich in Deinen blüthenvollen Zweigen Des Westes leiser Odem kaum bewegt, Fühlt mein Gemüth sich durch das tiefe Schweigen Der heiligen Natur so ernst erregt.
Dann denk‘ ich all‘ der Wünsche, die vergebens In meine Seele kamen, und entflohn, Und seufze: wär‘ der kurze Traum des Lebens Vorüber, wie so manche Hoffnung schon.
Und wäre einst nach meiner Tage Mühen, O Baum, den stets mein Herz mit Liebe nennt, Ein stilles Grab mir unter Dir verliehen, Du wärest dann mein liebstes Monument.
So komm, du wilder West, und sing geheimnisvoll und runenkundig in meinen Kiefern und Wacholderbüschen das uralt düstere Jahreslied des Todes! Und reiß aus meinem Herz des Sommers Freuden, reiß sie gleich müd gewordenen Blättern ab, auf daß mein Fuß sie raschelnd von sich stoße. So wie von jenem Ahorn taumelnd dort die schwarzgefleckten Blätter landwärts wirbeln, laß all des Sommers gaukelnde Gestalten zu krausen Scharen windgewiegt ins graue Land Vergessenheit hinflattern! Und dann, oh West, oh wilder West, saug aus des Weltmeers weitgeebbten Brüsten dir Sturmeskräfte hoch und schleudere mich hohnlachend jenen Spukgestalten nach und brause, laut aus vollen Lungen tobend, über das Sommerglück, das du zerstört!
Des Menschen Seele Gleicht dem Wasser: Vom Himmel kommt es, Zum Himmel steigt es, Und wieder nieder Zur Erde muß es, Ewig wechselnd.
Strömt von der hohen, Steilen Felswand Der reine Strahl, Dann stäubt er lieblich In Wolkenwellen Zum glatten Fels, Und leicht empfangen, Wallt er verschleiernd, Leisrauschend Zur Tiefe nieder.
Ragen Klippen Dem Sturz entgegen, Schäumt er unmutig Stufenweise Zum Abgrund.
Im flachen Bette Schleicht er das Wiesental hin, Und in dem glatten See Weiden ihr Antlitz Alle Gestirne.
Wind ist der Welle Lieblicher Buhler; Wind mischt vom Grund aus Schäumende Wogen.
Seele des Menschen, Wie gleichst du dem Wasser! Schicksal des Menschen, Wie gleichst du dem Wind!
Auf der Heide blüh’n die letzten Rosen; braune Blätter fallen müd vom Baum,
und der Herbstwind küsst die Herbstzeitlosen; mit dem Sommer flieht manch Jugendtraum.
Möcht einmal noch wie damals kosen, möcht‘ vom Frühling träumen und vom Glück.
Auf der Heide blüh’n die letzten Rosen, doch die Jugendzeit kehrt nie zurück.
Versunken ist die Frühlingszeit, kein Vogel singt im Lindenhain; die Welt verliert ihr Blütenkleid und bald wird Winter sein. Verlassen ist der Holderstrauch, an dem ich einst geküsst. Es blieb ein Duft, der wie ein Hauch, aus fernen Tagen ist.
Auf der Heide blüh’n die letzten Rosen, braune Blätter fallen müd vom Baum,
und der Herbstwind küsst die Herbstzeitlosen; mit dem Sommer flieht manch Jugendtraum.
Möcht einmal noch wie damals kosen, möcht‘ vom Frühling träumen und vom Glück.
Auf der Heide blüh’n die letzten Rosen – ach, die Jugendzeit kehrt nie zurück. Holde Jugend, holde Jugend – kämst du einmal doch zu mir zurück.
Feinslieb, nun ist es Blätterbraun Schon wieder in den Spitzen Wann wir unterm Kastanienbaum Am Abend fröstelnd sitzen Das Jahr geht fort mit schwerer Fracht Es bindet sich die Schuh‘ Ich bin so traurig heute Nacht – Und du, du lachst dazu!
Feinslieb, die schwarze Jacke hängt Die Schultern ab mir wieder Wann schon so früh das Dunkel fängt Uns und die Kält‘ die Glieder In deinen Augen glimmt noch leis‘ Der Sommer voller Ruh‘ Ich wein‘, weil ich nicht weiter weiß – Und du, du lachst dazu!
Feinslieb, das war es also schon Der Sommer ist vertrieben Die Vögel sind auf und davon Und wir sind hier geblieben Fremd zieh‘ ich ein, fremd zieh‘ ich aus Ich weiß nicht, was ich tu‘! Heut‘ Nacht, verwelkt ist mein Zuhaus‘ – Und du, du lachst dazu!
Feinslieb, komm stirb mit mir ein Stück Sieh, müd‘ die Blätter schunkeln Wir dreh’n das Jahr doch nicht zurück Und seh’n uns nicht im Dunkeln! Lass in dem Kommen, Bleiben, Geh’n Zertanzen uns die Schuh‘ Ich will noch soviel Himmel seh’n – Und du, du lachst dazu!
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