Ich friere - zum ersten Mal in diesem Sommer; im Raum ist’s kühl, und ich verliere mich im Anbeginn des Tages. Die Nacht war kurz, bedeckte das Gefühl von Gleichmut unter Träumen, mit Menschen, fremd, von unbekannter Zahl, von Häusern, die sich an den Straßen säumen. Ich schließ das Fenster, schaue zu, wie Regentropfen an der Scheibe gleiten; in meiner kleinen Welt, da hat ein Herbst begonnen - noch bricht ein großes Grün durch feuchte Zeiten. Es wuchert ungestüm, wird mehr, verdeckt den Schmutz der Mauerwand und auf dem Boden blüht ein gelbes Meer, das sich mit Frühlingslöwenzahn und Klee verband. Und aus dem großen Wolkennass, entleeren sich die Tränen, die der Himmel weint, zeigen die Welt im dunklen Sonnenglas, wie Buntpapier, durch das gedämpftes Licht durchscheint.
Schlagwort: Sommer
Der Juli
von Erich Kästner

Still ruht die Stadt. Es wogt die Flur. Die Menschheit geht auf Reisen oder wandert sehr oder wandelt nur. Und die Bauern vermieten die Natur zu sehenswerten Preisen. Sie vermieten den Himmel, den Sand am Meer, die Platzmusik der Ortsfeuerwehr und den Blick auf die Kuh auf der Wiese. Limousinen rasen hin und her und finden und finden den Weg nicht mehr zum Verlorenen Paradiese. Im Feld wächst Brot. Und es wachsen dort auch die zukünftigen Brötchen und Brezeln. Eidechsen zucken von Ort zu Ort. Und die Wolken führen Regen an Bord und den spitzen Blitz und das Donnerwort. Der Mensch treibt Berg- und Wassersport und hält nicht viel von Rätseln. Er hält die Welt für ein Bilderbuch mit Ansichtskartenserien. Die Landschaft belächelt den lauten Besuch. Sie weiß Bescheid. Sie weiß, die Zeit überdauert sogar die Ferien. Sie weiß auch: Einen Steinwurf schon von hier beginnt das Märchen. Verborgen im Korn, auf zerdrücktem Mohn, ruht ein zerzaustes Pärchen. Hier steigt kein Preis, hier sinkt kein Lohn. Hier steigen und sinken die Lerchen. Das Mädchen schläft entzückten Gesichts. Die Bienen summen zufrieden. Der Jüngling heißt, immer noch, Taugenichts. Er tritt durch das Gitter des Schattens und Lichts in den Wald und zieht, durch den Schluß des Gedichts, wie in alten Zeiten gen Süden.

Nach dem Frühling

Die Frühlingswetter sind vorbeigezogen, nun glüht die Sonne über Feld und Stille und legt ein braunes Kleid über die Wogen des Korns, in durstig trockener Ackerfülle. Das Blühen ist vorbei an allen Bäumen, die Blüten längst verweht und fortgeflogen. Was haften blieb, ruht unter Blättersäumen; bald spricht die Herbstnatur in Epilogen. Der Wald gibt Raum im Blättermeer der Bäume, denen, die Schatten suchen, sich zu kühlen, und Vögel nässen freudig ihr Gefieder zwischen Sonnenschirm und Gartenstühlen. Das Heimchen ‚grillte‘ lange noch im Grase, dort, wo der Bach durch Schilf und Steine trieb, vorbei an bunter Wiese Traumoase, nahm er das Treibgut mit sich wie ein Dieb. Die Rosen blühen wieder in den Gärten, das Gold des Ginsters ziert die Ackerraine, durstig ist die Natur, sucht Wasserfährten zwischen Himmel und Erde - findet keine (?).
Sonnenschein und Regen

Bald schon ist der Mai gegangen, nahm die Lüfte rein und mild, zog mit ihnen in den Sommer, der schon schmückt das traute Bild. Frohnaturen jubeln, singen ihm entgegen wie ein Zug. Leise wandelnd, wandelt alles sich zur Reife, hin zum Pflug. Dunst und Dampf gewob’ne Tropfen - wo seid ihr im Nichts dort oben? Regen, falle auf die Erde, wenn im Schweiß ihr Kleid verwoben. Sollen Morgenwinde wehen, wie im Mai in erster Stunde. Zeig in Sonnenschein und Regen unseres Schöpfers Tat und Kunde.
Sommerplage

Ich wünsche mir mein Büro zurück, mit Klimaanlage und Kühle. Ich sehne mich nach vergangenem Glück, mit Schaukel und Gartenstühlen. Dem Sommer bin ich abgewandt, möcht‘ mich am liebsten verkriechen. Mag nicht das Meer und den vollen Strand; will nicht Schweiß und Sonnencrem‘ riechen. Die Menschen laufen draußen umher, so froh gelaunt und so munter, als gäbe es keine Hitze mehr. Ich lass‘ früh die Rollos herunter. Die Luft wird mir knapp, ist zum Schneiden fast, und nachts macht der Tag so weiter. Ich wünsch mir herbei ein herbstliches Nass, und der Winter macht dann weiter. Zerflossen in dieser ‚Sommerlust‘ wünsche ich mir kühlere Tage. Fühl‘ mich bedrängt von Wärme und Frust. Der Sommer ist meine Plage!
Einfach gut

Stockrosen schmücken das alte Haus mit duftigen Blütenkleidern, wie alte Damen sehen sie aus, begrünt in samtigen Leibern. Äcker und Felder sind dürr und erstarrt, von Sonne verbrannt und in Schwere. Abgeerntet so manche Saat, in den Fluren schon Spätsommerleere. Sonnenblumen sind standhaft und wach, wogen sanft in den flirrenden Gluten. Das Grün der Kartoffeln liegt hitzeschwach, gesenkt, über inneren Bruten.

Schon bald hebt der Bauer die Felder leer, geborgen, die kostbaren Knollen, die seit 300 Jahren, zu des Königs Ehr, ihm und dem Volk Achtung zollen. Als damals der Hunger die Mägen schnürte, war „Schmalhans Küchenmeister“. Wird heut‘ ein Koch mit Sternen gekürt - da „scheiden sich die Geister“. Die Gesellschaft liebt es mediterran, exotisch sind fremde Genüsse. Es jammert und giert der Größenwahn. Isst man arm, wenn man deutsch essen müsste? Die Hungersnöte sind noch im Land, fort sind die einfachen Katen. Wo stehen noch Stockrosen an der Wand? - In meinem erträumten Garten!

Eis mit Zitrone

Atmen fällt schwer, die Glieder so müde, ein langer Schlaf und trotzdem so schwach. Tatkraft ist nur eine Attitüde, was fehlt ist die innere Leidenschaft. Konzentration will nicht recht gelingen; schwerfällig setze ich jeden Schritt. Möchte die Wärme zum Weichen bringen, Ventilator verteilt die Hitze ein Stück. Draußen der Lärm, hier hüllt sich das Schweigen wie eine schwere Decke um mich. Hitzefrei will ich im ‚Kämmerchen‘ bleiben, einzig mit meinem schwitzenden Ich. Träume vom kühlenden Eis mit Zitrone, senken von innen die Temperatur. Menschen treibt es auf die Balkone, schweißtreibend hält mich der Sommer auf Spur.
Hitzewelle

Die Hitze hat des Sommers Los gesprochen, doch fühlt man schon den nahen Regen und bald, mit unsichtbarem Degen, hat jeder Blitz den Hitzeschild zerbrochen. Hör‘ in der Ferne erstes Donnergrollen, der Himmel ist verdichtet, Wolken ziehen. Ein jeder Halm schickt seinem Durst ein Wollen, als würden Pflanzen vor der Hitze fliehen. Bewegungsarm die Menschen in den Räumen, voll warmer Luft gelingt das Atmen schwer. Der Wunsch nach Kühle ist in allen Träumen - wie einst vom Sommer – bloße Gegenwehr.
Vertraut

Wie liegt die Welt so frisch und tauig
vor mir im Morgensonnenschein.
Entzückt vom hohen Hügel schau ich
ins traute grüne Tal hinein.
Mit allen Kreaturen bin ich
in schönster Seelenharmonie.
Wir sind verwandt, ich fühl es innig,
und eben darum lieb ich sie.
Und wird auch mal der Himmel grauer;
wer voll Vertrau‘n die Welt besieht,
den freut es, wenn ein Regenschauer
mit Sturm und Blitz vorüberzieht.

Frühnebel
Erste Frühnebel verschleiern die Stadt,
vom nahenden Herbst ein Erinnern.
Die Nachbarschaft in gedämpftem Matt,
in den Fernen ein graues Schimmern.
Ich freu mich auf Astern und Heidekraut,
den Balkon in Lila zu schönen,
auf gedämpftes Sonnenlicht, mild vertraut,
färbt die Blätter bunt, die jetzt grünen.
So erfrischend ist es, wenn Hitze vergeht,
Heißluft ist für mich eine Plage.
Der Herbst steht bereit, die Sommerzeit geht,
mit ihr gehen die Spätsommertage.