Nun, da die Frühlingsblumen wieder blühen

von Wilhelm Busch

Die Genesende – Albert Anker (1831-1910)
Nun, da die Frühlingsblumen wieder blühen,
in milder Luft die weißen Wolken ziehen,
denk ich mit Wehmut deiner Lieb und Güte,
du süßes Mädchen, das so früh verblühte.

Du liebtest nicht der Feste Lärm und Gaffen,
erwähltest dir daheim ein stilles Schaffen,
die Sorge und Geduld, das Dienen, Geben,
ein innigliches Nurfürandreleben.

So teiltest du in deines Vaters Haus
den Himmelsfrieden deiner Seele aus.
Bald aber kamen schwere, schwere Zeiten.
Wir mußten dir die Lagerstatt bereiten;

Wir sahn, wie deine lieben Wangen bleichten,
sahn deiner Augen wundersames Leuchten;
wir weinten in der Stille, denn wir wußten,
daß wir nun bald auf ewig scheiden mußten.

Du klagtest nicht. Voll Milde und Erbarmen
gedachtest du der bittern Not der Armen,
gabst ihnen deine ganze kleine Habe
und seufztest tief, daß so gering die Gabe.

Es war die letzte Nacht und nah das Ende;
wir küßten dir die zarten weißen Hände;
du sprachst, lebt wohl, in deiner stillen Weise,
und: oh, die schönen Blumen! riefst du leise.

Dann war’s vorbei. Die großen Augensterne,
weit, unbeweglich, starrten in die Ferne,
indes um deine Lippen, halbgeschlossen,
ein kindlichernstes Lächeln ausgegossen.

So lagst du da, als hättest du entzückt
und staunend eine neue Welt erblickt.
Wo bist du nun, du süßes Kind, geblieben?
Bist du ein Bild im Denken deiner Lieben?

Hast du die weißen Schwingen ausgebreitet,
und zogst hinauf von Engelshand geleitet
zu jener Gottesstadt im Paradiese,
wo auf der heiligstillen Blütenwiese
fernher in feierlichem Zug die Frommen
anbetend zu dem Bild des Lammes kommen?

Wo du auch seist; im Herzen bleibst du mein.
Was Gutes in mir lebt, dein ist’s allein.
Wilhelm Busch (1832-1908)

Vertraut

Adrian Ludwig Richter (1803-1884)

Wie liegt die Welt so frisch und tauig
vor mir im Morgensonnenschein.
Entzückt vom hohen Hügel schau ich
ins traute grüne Tal hinein.

Mit allen Kreaturen bin ich
in schönster Seelenharmonie.
Wir sind verwandt, ich fühl es innig,
und eben darum lieb ich sie.

Und wird auch mal der Himmel grauer;
wer voll Vertrau‘n die Welt besieht,
den freut es, wenn ein Regenschauer
mit Sturm und Blitz vorüberzieht.

Wilhelm Busch (1832-1908)

Der schöne Sommer

Otto Pippel (1868-1960)

Der schöne Sommer ging von hinnen,
der Herbst, der reiche, zog ins Land.
Nun weben all die guten Spinnen
so manches feine Festgewand.

Sie weben zu des Tages Feier
mit kunstgeübtem Hinterbein
ganz allerliebste Elfenschleier
als Schmuck für Wiese, Flur und Hain.

Ja, tausend Silberfäden geben
dem Winde sie zum leichten Spiel,
die ziehen sanft dahin und schweben
ans unbewusst bestimmte Ziel.

Wilhelm Busch (1832-1908)