Stille

Carl Vilhelm Holsøe (1863-1935)
All die lauten Stimmen meines Lebens
sind erstickt in meiner Einsamkeit.
Übertönt habt ihr mein Weiterstreben,
verschüttet meiner Seele Weg im Leid.

Habt mir betäubt das innere Bestreben,
mir fremdgeworden war mein eignes Ich;
ich hörte nicht die Stimme auf den Wegen,
die allerinnerst leise zu mir spricht. 

War eingehüllt von wirrem Unvermögen,
wie ein Paket, das mir das Leben schnürt;
ich sah nur das, was täglich mir geschehen -
es brodelte in mir, stets ungehört. 

Das Schicksal drängte mich in Einsamkeiten,
sie ist ein heilig Trost und still Erweckerin.
Gab mir die Kraft, den Ansporn, fortzugleiten,
durch alles Übel, das den Tag umfing. 

Ist in mir Licht – es glättet alle Falten,
zeigt mir den Ausweg aus dem Niemandsland;
versteht mit ruhiger Hand mein Herz zu halten,
im Stillesein zu segnen, was ich fand. 

Zeit der Ruhe

Bild von Bruno /Germany auf Pixabay
Der nahe Abend löscht schon bald das Licht,
die Sonne scheint im Horizont versunken,
Das Land verhüllt sein müdes Angesicht,
der Himmel rötet sich, noch sonnentrunken. 

Parzellen teilen ihre Flächen, grün und braun,
das Mondlicht legt sein fahles Licht darüber,
auf ersten Saaten bis zum Himmelssaum
liegt Nachtwind, macht die Erde kühler. 

Die Träume wandern durch die Heimatwelten
und in den Häusern dunkelt helles Licht.
Harmonie im Herzen, lässt im Schlaf vergelten,
was mancher Mund im Wachsein niemals spricht. 

Gott im Geiste, halte schützend Deine Hände 
über jede Heimstatt, ihren Nöten,
lass des Menschenhasses Brände
wandeln sich in Morgenröten. 

Traumwiesen

Foto: Gisela Seidel

Auf den Wiesen meiner Träume,
blumenreich, voll Sonnenschein,
goldne Strahlen Gräser malen,
Bäume, wie von innen strahlen,
Wärme flutet Stock und Stein.

Wie die alten, starken Bäume
weise sich zum Himmel strecken,
liegen Sträucher rings der Säume
unter blütenvollen Decken.

Wiegen sanft die Vogelnester,
wirbeln leise mit dem Wind.
Bunte Blumenaugen frommen,
federleicht, vom Glanz benommen,
schauen, wie ein kleines Kind.

Traumgesichter seh ich lachen,
mich darin, bin eins mit ihnen.
Bin am Tag allein im Wachen,
nachts auf Wiesen, licht-beschienen.

Gedankenflüstern

Bild von prettysleepy1 auf Pixabay

Wenn alles schweigt, dann flüstern die Gedanken.
Draußen die Welt, im Zeitgeist ihrer Schranken.

Die Einfalt tanzt in elitären Kreisen,
hilft Hirngespinsten falsche Freiheit tragen.
Gefährlich droht die Dummheit zu entgleisen
und trägt zum Massengrab die Todeszahlen.

An Tagen reißen die Kalenderblätter,
sind Maßband zwischen Anbeginn und Ende,
Erinnerung in abgelebter Kette,
hängt wie verharzt am stillen Zeitenpendel.

Vergang’nes will mit groben Händen greifen,
durch Dickicht von Dornröschen-Träumen,
zieht lebenslange Dauerschleifen,
wie Raben, kreisend über Bäumen.

Zuflucht

Caspar David Friedrich – (1774–1840)

Ich seh’ ein fernes Schimmern
am klaren Firmament,
das wie ein Hitze-Flimmern,
mir sehnsuchtsvoll entbrennt,

nach weiten Ozeanen,
nach bergesweißen Gipfeln,
nach langen Promenaden
und grünen Tannenwipfeln.

Nach unbefleckten Ecken,
fern von der Welten Nöte,
will sich die Seele strecken.
Ein Ort, der Zuflucht böte,

von weltlich lauter Plage,
geschützt vom Lärm der Zeit;
wo Gott die dunklen Tage
mit Regenbogen weiht.

Will bunte Brücken bauen,
zu einem Ort – so weit,
und dann verzaubert schauen,
den Platz der Ewigkeit.

Heimatland

Auszeit am See – Ulla Genzel, Kevelaer (1960 -)

Ein Lauschen in die Stille hinein,
letztes Vogelsingen am Feldesrand.
Kein Motorenlärm zwischen Häuserreihen,
in Natur bettet sich das weite Land.

Wege verlaufen durch Feld und Flur,
eine Bank bietet Ruhe und Rast,
der Sonnenglanz sprüht eine Abendspur
auf Blätter, gemildert im Glast.

Mit Sternenaugen schaut vom Abendhimmel
der tröstende Gott herab,
fern von Sorgen und Weltgetümmel,
ruht in Frieden der Wanderstab.

Muttersprache, Heimatglück!,
zwischen Bäumen und leichten Winden,
längst entschwunden meinem Blick,
jedes Erinnern ein Wiederfinden.

Abendstimmung

Gemälde: Caspar David Friedrich (1774-1840), Gemälde „Abendengel“: Alexandre Cabanel (1823-1889)

Wenn die Sonne kraftlos in das Meer versinkt
und mit letztem Glanze Abendstimmung bringt,
deckt die Welt sich zu, mit Sehnsuchtsschleiern,
und der junge Abend ringt in stillen Feiern
mit des Tages letztem Atemzug;
abgestreifte Hektik dieser Zeit –
tiefe Ruhe, Frieden, Einsamkeit.
Nur noch Schweigen ringsumher,
und die Schatten huschen durch das Meer
letzter Taggedanken.

In Acht und Bann

Labyrinth in der Cathédrale Notre-Dame de Chartres

Wo sonst Motoren dröhnen, war es still.
Gespenstisch ging die Ruhe durch die Nacht.

Der Nachtwind rauschte, ein Gefühl
von beinah ausgestorben, dichtgemacht.

Fast war es so, wie früher, autolos.
Das Fenster war gekippt, die Katze schlief.

Der dunkle Himmel spannte sternenlos
über dem Traumgeschehen, flüchtig, tief.

Es schien, als hält die Welt den Atem an,
als Zeichen für die schicksalhafte Zeit.

Ein Unsichtbarer legt in Acht und Bann,
was vormals Kirche tat, mit großem Leid.

Einst Strafe, höchster Reichserlass,
für vogelfrei erklärte Kreatur.

Was man nicht sehen kann, wird nicht gefasst!
Wir hemmen nur ein wenig seine Spur.

Ob es uns findet? Groß das Labyrinth.
Ich danke Gott und meiner Zuversicht:

Es wird kein Ende sein, Neues beginnt!
In jedem Chaos brennt ein Hoffnungslicht.

Stille

Dort, wo die Stille durch die Bäume sinkt
und friedvoll mit dem Dunst zu Boden schwebt,
dort, wo des Vogels Lied so traurig klingt,
dort sende ich dir Grüße im Gebet.
 
Dort, wo auf Gräbern, die vergessen liegen,
Unkräuter blühen, statt der Blumen Zier,
dort, wo die Zweige, die im Wind sich wiegen,
ganz leise flüstern zu den Mauern hier.
 
Dort, wo die Marmorsteine kraftvoll glänzen,
neben den namenlosen, alt und unerkannt,
wo Todesengel wachend bei den Kränzen
irrende Seelen führen in das Anderland.
 
Dort, wo der Tränen Fluss die Erde nährt
und auch der Himmel Trauertränen weint,
dort wird die Seele, die gen Himmel fährt,
still mit der Gottes-Ewigkeit vereint.
 

Einsamkeit

Caspar David Friedrich 1774-1840 – Frau am Fenster

Keine Stimme, die ruft,
kein Herz, dem ich fehle,
nur Einsamkeit, Stille,
durch die ich mich quäle –
aus der Ferne, der Klang der Motoren
und manchmal will sich die Ruhe
in meine Seele bohren.
 
Suche Beschäftigung,
die diesen Bann durchbricht,
doch wirklich finde ich sie nicht.
Kann mich nicht fügen,
nicht konzentrieren,
möcht‘ manchmal den Verstand verlieren.
 
Ich schau die Wände an –
es sind dieselben, die ich vor einer Stunde sah;
verwandeln möchte ich die gelben
in bunte, mit Punkten,
die ich dann zählen könnte,
um mich abzulenken,
vom Denken.