Frühlingssehnsucht

Eichen im Schnee – Eugen Bracht 1842-1921

Gar freudig ist das Schauen!
Verwandelt ist der Regen,
es liegt ein zarter Flaum
auf Puderzucker-Wegen.

 Der Vogelsang verklungen –
Schneestille fließt so weiß;
im Herzen wurd’ gesungen
von Frühlingssehnsucht leis.

Foto: Gisela Seidel

Es wird noch lange dauern,
bis die Natur erwacht
und vor den tristen Mauern
 die helle Sonne lacht.
 
Doch einmal wird er kommen,
der Lenz nach langer Nacht,
bringt das Gefühl der Wonnen,
das alle glücklich macht.

Winterfarbe

Bild von marcelkessler auf Pixabay
Das Wasser ist so trüb, so träg quält sich der Fluss,
und die Natur verdunkelt ihre Lebenslichter,
verstreut der tristen Winterstunden graues Muss,
treibt müdes Gähnen auf die Ruhezeit-Gesichter.

Der Boden, Höhlung durch des Wassers Kraft,
liegt hart und steinern unter weicher Fläche,
als eisig glitzernd in der Flocken Pracht,
der Frost anhielt der Fluten ew’ge Bäche.

In blasse Trauerfarben hüllt der Tag sich ein,
gefolgt von einer ewig langen Nacht,
die dunkel sich im Wintermondenschein
mit schwarzen Schatten kalt und endlos macht.

Fallende Blätter

Die Blätter – wie sie fallen!
Und jedes wird schon bald im Tod vergehn,
ein müdes Kräfteschwinden ist in allen,
ein letztes Gleiten ohne Wiedersehen.

Die Bäume leeren sich, wie Automaten,
zu füllen, wenn der Lenz erneut erwacht.
Das Astwerk bleibt bereit in Gottes Garten,
trotz weißer Decke in der Winternacht.

Die Sonnenstrahlen dringen durch den Nebel,
der herbstlich deckt die Müdigkeit der Welt,
bis jedes abgelebte Blatt, so wie ein Segel,
zu Mutter Erde gleitet, die es bei sich hält.

Nebel der Nacht

Quelle: Pinterest
Die Nebel der Nacht, sie weichen,
vom Licht des Tages durchströmt,
zu Pan‘s verborgenen Reichen,
wenn der Weckruf des Morgens tönt.

Morgen, der grau umfangen,
lichtarm zeigst du dich und mild;
nebelhaft giert dein Verlangen
nach einem herbstlichen Bild.

Schlummerschwer sind alle Augen,
wenn sie vom Tiefschlaf erwacht;
tragen aus traumhaften Lauben,
Schleier, der herbstlichen Pracht.

Stehen an Fenstern und sehen,
Blatt für Blatt, wie sie fallen;
sehen die Herbstzeit vergehen
und das Fallen in Allem.

Waldeinsamkeit

Iwan Iwanowitsch Schischkin (1832-1898)

Öffne des Waldes Zaubertruhe,
horch, wie der Kuckucksruf erschallt,
in Abgeschiedenheit und Seelenruhe,
fern von Motoren und Asphalt.

Erlebe sanft die festen Schritte,
weich federnd, blätterreich begründet,
schau, wie des Weges grüne Mitte,
sich in der Ferne wiederfindet.

Nimm auf, die goldnen Sonnenstrahlen,
die abgedämpft im Blätterwald,
genieße, wie sie flimmernd fallen,
wie sich zerstreut ein Schatten malt.

Gib den Minuten stilles Schweigen,
wenn sanft der Wind durchs Buschwerk weht,
wenn fern ein Hirsch mit Prunkgeweih
sein stolzes Haupt im Forst erhebt.

Vergiss des schweren Alltags Nöte,
leb auf beim Wandern und Gesang,
beschau die stille Abendröte,
hör auf den Nachtigallen-Klang.

Herbstwinde

Ich stehe am Fenster und schau in die Ferne,
seh’ durch die beschlagenen Scheiben hinaus.
Betrachte das herbstliche Treiben so gerne;
der Wind fegt mit heftigem Brausen ums Haus.
 
Bald werden sie kahl sein, die noch vollen Zweige.
Die Wiese, sie füllt sich allmählich mit Laub.
Es kommen die Stürme – das Jahr geht zur Neige.
Der Herbst bringt die Kälte und Dunkelheit auch.
 
Die Ernte liegt sicher in Scheunen und Hallen,
der Dank wird gesprochen, der Segen erteilt.
Wenn erst die schweren Frühnebel wallen,
dann macht sich das Jahr zum Sterben bereit.
 
Ich lausche dem Wind, er pfeift durch die Schächte,
treibt Regen und Blattwerk, streut bunt seine Spur.
Nicht enden wollen die unruhigen Nächte,
die Wärme der Sonne verlässt die Natur.

Baum im Herbst

Quelle: Pinterest
Lebensbaum – die Blätter fallen,
frühjahrsblühend sein Gewand,
was berauschend war gediehen -
duftumzogen war sein Stand -

trieb nur Blüten. Frucht zu werden
war des Wachstums hehres Ziel;
doch nun fallen seine Blätter,
fruchtlos seine Zeit verfiel.

Kühler Geist, du bist gekommen!
Fröstelnd steht der Baum des Lebens.
Blätter taumeln, wie die Jahre,
fallen, durch des Windes Schweben.

Webt der Herbst nun graue Schleier,
lässt er die Natur genesen;
neue Kraft fließt, Frucht zu werden,
zur Vollendung aller Wesen.

Zeit der Raben

Quelle: Pinterest

September geht. – Hör schon die Raben!
Seh, wie sie kreisen und nach Futter darben.

Mit Schläue überschweben sie die Menge
an toten Steinen, über Stadtgedränge;

sie streifen grünlich breitende Kulturen,
wie Rasen und die letzten Sommerspuren.

Sie krächzen über nebelhaftem Schleier,
der tausend Tode deckt, in alter Leier.

Des Jahres würdevoller Atemhauch,
vernehmbar,
Blatt für Blatt an Baum und Strauch.

Herbstzeit

Die müden Blätter fallen von den Zweigen
und auf den Straßen liegt das nasse Laub;
schwer, wie die Äste sich im Wind verneigen,
und Regen mischt sich mit dem Straßenstaub.
 
Von Ferne naht die Nacht mit dunklen Schatten,
und um die Häuserecke pfeift der Wind.
Ein braunes Blatt tanzt auf den Gehwegplatten;
die feuchte Luft macht Fensterscheiben blind.
 
Spinnweben schmücken sich, wenn Tropfen fallen –
der Regen zieht schon über Stadt und Land.
Mit vollen Zweigen die Kastanien prahlen,
stehn majestätisch dort am Straßenrand.
 
Hör’ fern vom Kirchturm her der Abendglocke Ton.
Ihr Klang ist anders, als an Sommertagen.
Die graue Stille ist des Herbstes Handwerkslohn –
bald kommt die Kälte, will das Läuten sagen.
 
Und oft in dieser finstren Totensonntags-Zeit,
lässt sich ein Lichtstrahl durch die kahlen Äste gleiten.
So wirst du Mensch – traf dich auch wehes Leid –
zu neuer Hoffnung über Gräber schreiten!