Des Vaters Haus

Norwegische Künstlerin Lisa Aisato Njie Solberg (* 1981)
Ist meiner Leben steter Wandel:
ich ziehe um von Haus zu Haus
und keines gleicht, mir wohl vertraut;
mal ist es wie ein Kartenhaus.

Dann stürzt es ein, das Dach von oben,
ist ungeschützt von Sturm und Regen;
nur Schmutz und Leere, ohne Licht,
so hause ich auf dunklen Wegen.

Im Traume trag ich manches Bündel,
mein Hab und Gut darin verstaut.
Meist bin ich einsam und verlassen,
so, wie die alte Wohnstatt auch.  

Lichtlos und abgewohnt die Räume -
von Menschen abgelebter Ort.
Ich hause in den kleinsten Hütten,
nur auf dem Boden leb‘ ich dort. 

Es ist ein ewig Auf und Nieder,
so, wie ein Reisen durch die Zeit.
Kaum bin ich umgezogen wieder,
bekommt mein Heim ein neues Kleid.

Gestern im Traume sah ich Räume,
die hell und rein, vom Licht beschienen;
dort zog ich ein, war nicht allein,
sah Menschen, die mir freundlich schienen.

Das Haus, es hatte einen Garten,
der mir bekannt war und vertraut,
ich konnte ihn von oben sehen,
von Brücken, die Erinnerung baut. 

Als Kind bin ich hindurch gegangen,
wohl jeden Tag zur hellen Stunde.
Sah über mir das Dach der Sterne,
die Welt in Gott geweihter Runde.

In dieses Haus möchte ich ziehen,
mein Kleid lasse ich gern zurück.
Trag des Bewusstseins kleine Kerze
hinein ins neue Lebensglück. 

Luftschlösser

Künstler: Ciro Marchetti – Quelle: Pinterest
Die Kinderwelt von einst verging,
Erinnerung bleibt allein.
Als ich an Mutters Lippen hing – 
voll Wissbegier und klein,

da war die Welt ein großes Spiel,
dem wahren Märchen gleich,
in Luftschlössern, der Anzahl viel,
geheimnisvoll und reich.

Die Kindheitssonne malte bunt,
was grau in dunklen Mienen;
fand so im jahrgekränzten Rund
noch Sommerglanz in ihnen. 

Die Träume blieben unerfüllt,
sind lange schon vergangen.
So blieb das Licht in jener Welt
im Märchenland gefangen.

voll Mond

Bild von Larisa Koshkina auf Pixabay
Unbeweglich ist alles, die Fenster geschlossen,
es dringt sein fahles Licht durch den Store.
Bald ist er rund, wie in den Himmel gegossen,
seine Strahlung öffnet manch mystisches Tor. 

Die Nacht wird zum Tage, in Silber getaucht,
die Verborgenheit bekommt durch ihn ein Gesicht;
es lächelt nicht, ist uralt und verstaubt,
taucht die Welt in kaltes, gleißendes Licht.

Die Flüche flieh‘n vor des Tages Erwachen,
die im Jenseits beschatteten Wölfe der Nacht.
Der Tod bringt zum anderen Ufer den Nachen,
Vampire gehn schlafen – die Welt ist erwacht. 

Der lange Schlaf

Quelle: Pinterest
Wenn die Nacht den Sternenmantel breitet,
und die Zeit unmerklich vorwärtsschreitet,
sich die Lider fest geschlossen wähnen,
Schlafes trunken nach Traumbildern sehnen.

Lichte Gärten altbekannter Stätten,
wie Oasen sich in Wüsten betten,
und die Nacht, sie löscht des Tages Spuren -
bleibt im zeigerlosen Ticken alter Uhren,

Zifferblätter, zahlenlose Scheiben;
zeitlos geht die Nacht, im stillen Treiben,
wie die Schnecken - schleimige Gefährten,
deren Spur durchzieht geträumte Gärten.

Langsam wird die Nacht ins Traumland führen
und entschweben durch geschloss’ne Türen,
in die Welt, wo die schon längst Gegang’nen,
schweigend, neue Ewigkeit empfangen.

Jedes Leben eine Perle auf der Schnur.
Nur der Schlaf erlöst des Tages wehe Spur,
breitet sich im Unbewussten aus,
bringt den langen Schlaf von Haus zu Haus. 

Auf und nieder

Quelle: Pinterest – Marina Terauds
Ich fliege durch die Gärten meiner Träume,
die Flügel weit gebreitet, alles sehend.
Die Lüfte tragen mich durch kahle Bäume,
wie Vogel Roch, nach kleinster Beute spähend. 

Die milde Sonne trocknet mein Gefieder,
auf einem Zweig sitz‘ ich zu kurzer Rast.
Ich schaue auf die karge Erde nieder,
mein Geist wird von Erinnerung erfasst. 

Gebunden ruht das Leben unter Rasen, 
wo einstens Felder waren, liegt das tote Land.
Die Bäume werden niemals Früchte tragen,
fruchtbare Böden kiesbedeckt verbannt. 

Hinunter stürze ich vom Zweige, flügellahm;
zum Fliegen ist mein Sinn von einst veraltet. 
Im Schweben kam ich einst auf Erden an,
doch meine Schwingen sind vom Gram gefaltet.

Nehmen und Geben, wie ein Auf und Nieder
der Schwingen, die sich in die Lüfte heben, 
lässt das vom Geist gesegnete Gefieder
geerdet leben und zum Himmel streben. 

Die Schlafwandlerin

Die Nachtwandlerin – Maximilian Pirner ( 1854-1924)
Der Traum ist dein Teil, nicht das Wachen,
durch Silbergewässer dein Nachen
trägt rosenbekränzt dich zurück.
Wenn morgens die Sterne verblassen,
dann gehst du durch irdische Gassen
und freust dich am irdischen Glück.
 
Wie wenige wissen vom Träumen,
wie viele verwundert dein Säumen
und dass du es dennoch erreichst,
dass Sonne wie Wolken dich segnen,
dass Wunder dir lächelnd begegnen.
Sie wissen nicht, wie du uns gleichst,
 
uns heiteren Traumlandgefährten,
die wir unsern Schutz dir gewährten,
dich sandten, mit Rosen bekränzt,
im Lande der Wachen zu sagen,
wie reich deine Traumgärten tragen,
bis Wachen und Traum sich ergänzt.

<Ephides>

Tanz auf den Wolken

William Adolphe Bouguereau 1825-1905

In hohen Sphären mit den Winden tanzen,
auf weißen Wolken lichtwärts schweben;
lasse von himmlischen Romanzen,
mich weit in ferne Himmel heben.

Verbinde mich im Reigen mit der Zeit
und flieg mit Engeln durch die Sonnenpforte,
im Tanz verbunden, schwebe ich so weit,
der Wind trägt mich bis an die fernsten Orte.

Und meine Seele hebt sich in die Lüfte,
vermählt sich mit den warmen Sommerwinden,
trägt mich in höchste Höh‘n und über tiefste Klüfte,
wird den verborgnen Weg zu Dir nach Hause finden.

Traumwiesen

Foto: Gisela Seidel

Auf den Wiesen meiner Träume,
blumenreich, voll Sonnenschein,
goldne Strahlen Gräser malen,
Bäume, wie von innen strahlen,
Wärme flutet Stock und Stein.

Wie die alten, starken Bäume
weise sich zum Himmel strecken,
liegen Sträucher rings der Säume
unter blütenvollen Decken.

Wiegen sanft die Vogelnester,
wirbeln leise mit dem Wind.
Bunte Blumenaugen frommen,
federleicht, vom Glanz benommen,
schauen, wie ein kleines Kind.

Traumgesichter seh ich lachen,
mich darin, bin eins mit ihnen.
Bin am Tag allein im Wachen,
nachts auf Wiesen, licht-beschienen.

Gedankenflüstern

Bild von prettysleepy1 auf Pixabay

Wenn alles schweigt, dann flüstern die Gedanken.
Draußen die Welt, im Zeitgeist ihrer Schranken.

Die Einfalt tanzt in elitären Kreisen,
hilft Hirngespinsten falsche Freiheit tragen.
Gefährlich droht die Dummheit zu entgleisen
und trägt zum Massengrab die Todeszahlen.

An Tagen reißen die Kalenderblätter,
sind Maßband zwischen Anbeginn und Ende,
Erinnerung in abgelebter Kette,
hängt wie verharzt am stillen Zeitenpendel.

Vergang’nes will mit groben Händen greifen,
durch Dickicht von Dornröschen-Träumen,
zieht lebenslange Dauerschleifen,
wie Raben, kreisend über Bäumen.

Nebelträume

Bild von Trần Anh auf Pixabay

Die Welt ist grau, trägt Schleier in den Bäumen,
es wabern Nebel durch den Straßenzug.

Der Übergang von Nacht- zu Tagesträumen,
gleitet wie unbemerkter Wolkenflug.

Die Vögel sind verstummt, kein Liebessingen.
Die Nester sind verwaist, die Brut entflogen.

Die Melodien erfüllen das Erinnern
an Frühlingsluft und buntem Regenbogen.

Das Jahr geht hin, mit ihm gehn viele Pläne,
die unerfüllt, wie offene Wunden sind,

sind inhaltslos, wie ausgetrocknete Kanäle,
machen für neue Sicht die Augen blind.

Und das Da-Draußen birgt die Menschenferne,
wie sie tagtäglich fremd auf Straßen wandelt.

Nicht eine Seele für mich! Und die Sterne
hat die Tristes in unsichtbar verschandelt..

Mein Herz sehnt sich nach alten Stätten,
dem Elternhaus, wo längst ein andrer wohnt.

Erinnerungen füllen neu belegte Betten,
verklärt im Nebel, der in Hirnen thront.