Vom Christkind

von Anna Ritter

KI generiert durch Gemini
Denkt euch, ich habe das Christkind gesehen!
Es kam aus dem Walde, das Mützchen voll Schnee,
mit rotgefrorenem Näschen.
Die kleinen Hände taten ihm weh,
denn es trug einen Sack, der war gar schwer,
schleppte und polterte hinter ihm her –
was drin war, möchtet ihr wissen?
Ihr Naseweise, ihr Schelmenpack –
meint ihr, er wäre offen, der Sack?
Zugebunden bis oben hin!
Doch war gewiss etwas Schönes drin:
Es roch so nach Äpfeln und Nüssen!
Anna Ritter (1865-1921)

Wintergedanken

Ernst Ferdinand Oehme (1797-1855)
Quellen müssen die Gedanken
gerad‘ in langen Winternächten,
wo sie Wort um Wort begannen
einsam Reim an Reim zu flechten.

Für die Vielen nicht, für manche;
nur für diesen oder jenen,
der abseits der großen Menge
lauscht den bald vergessenen Tönen.

Wie mit Schritten zur Kapelle,
auf verschneitem Weg zu kommen,
ganz abseits des Pilgerzuges,
doch im Feuerschein der Frommen.

Demütig, gebückten Hauptes,
durchs verschneite Pförtlein treten,
um vor weihnachtlicher Krippe
und dem Kindlein selbst zu beten.

Denn die Zeit ist schwer geworden,
macht den Heiligen Geist zur Fabel,
und aus neuen Wohlstandstrümmern
baut der Wahn ein neues Babel.

Oftmals möcht‘ ich schier verzagen:
Geld und Macht sind höchste Götter.
Unbedeutend werden sterben,
all die Heuchler und die Spötter.

Helf’ uns Gott den Weg nach Hause
aus dem Erdenelend finden,
lass aus Glaube, Liebe, Hoffnung
uns den Kranz „Erlösung“ binden!

Geöffnete Blüten

KI generiert mit Gemini
Das Jubeln der Menschen vom Frieden auf Erden,
bedarf der Gemüter sanftem Erblühen,
deren höherer Sinn nur ihr eigenes Werden,
wie geschlossene Blüten ziehen sie dahin.

Sie kommen und gehen den Gang ihres Lebens,
unachtsam für das, was um sie geschieht;
erkennen erst spät, wie sinnlos ihr Streben,
leichtfertig, was vor dem Ernsthaften flieht.

Und reiten sie mit auf finsteren Wellen,
die vorbildlich scheinen in ihrer Macht,
werden sie untergehn mit den Gesellen,
die so glanzvoll erscheinen in ihrer Pracht.

Sie werden niemals den Duft erfahren,
dessen Süße und Sanftheit die Seele erweckt,
wenn die Blüte, geöffnet nach all den Jahren,
ihre leuchtende Seele zum Himmel streckt.

Warten aufs Christkind

Das erste Lichtlein wird entzündet,
in dieser doch so dunklen Welt,

die gute Botschaft, die verkündet,
mit der ein Frieden hergestellt,

braucht auf der Erde viele Lichter,
Gebete, die aus voller Brust

mit Hoffnung zeichnen die Gesichter,
die nicht auf Illusionen fußt.

Den Docht des heiligen Friedens brennen,
des Krieges Ende heiß erflehen,

den Friedefürst und Heiland nennen,
im Untergang und Auferstehen.

Traumgestalten

Bild KI generiert mit Gemini
Der Mond wird voll sein in den nächsten Tagen,
die Träume ziehen durch mich, wie gesiebt;
die Seele löchrig, grau, voll Unbehagen,
sieht Menschen, Häuser, Wege, ungeliebt.

Bin der Pierrot im Traum, der niemals lachte,
der weißgeschminkt die Augen niederschlägt,
naiv und melancholisch Mitleid brachte,
der wortlos diente, bis das Licht ausgeht.

Gedankengänge, die sich nicht vollenden,
wie Fetzen, ausgerissen und verweht;
unheilbar hier, wie Risse in den Wänden,
im Haus, das bald schon nicht mehr steht.

Versunken in der Traumwelt dieses Lebens,
von Mond zu Mond mit vollem Angesicht.
Zeig mir dein Rund. War all mein Tun vergebens?
Bin ich ein Harlekin* bei Tageslicht?
Bild KI generiert mit Gemini

*Der Harlekin als eine Figur von doppelter Natur: Gauner und Heiler, Priester und Teufel, Schamane und Spaßvogel.

Zusammenfassung

Das vorliegende Gedicht reflektiert in eindringlichen Bildern die Unvollkommenheit und Vergänglichkeit menschlicher Existenz. Es thematisiert unerfüllte Gedanken, brüchige Lebensräume und den Zwiespalt der eigenen Rolle, dargestellt durch die Figur des Harlekins, der zwischen Gegensätzen wie Heilung und Täuschung, Ernst und Spiel pendelt. Die Atmosphäre ist von Melancholie, Selbstzweifel und der Suche nach Sinn geprägt.

Himmlisches Versprechen

Sulamith Wülfing (1901-1989)
Wenn du mich rufst, dann komme ich
durch finst’re Nacht zu dir.

Wenn du mich suchst, dann brennt ein Licht
ganz hell an meiner Tür.

Du findest mich im Überall,
siehst mich in deinen Träumen;

bin schneller bei dir als der Schall,
wie Wind in allen Bäumen.

Den Plan für deine weiteren Wege,
halt ich in meiner Hand;

du wirst sie sicher finden,
darauf hast du mein Pfand.

Ließ ich doch mein Vertrauen
und meine Liebe dir,

so lass’ mich durch dich schauen,
des Lebens Wunder hier.

Dann fließen alle Fragen
und alle Zweifel fort,

nie soll dein Herz verzagen,
an einem falschen Wort.

Das Moor

KI-Bild erstellt mit Gemini
Kalt ist es, wo die unwegsamen Moore
eröffnen ihren bodenlosen Grund;

hier sind die Schollen tief und fest vergoren,
wie ein aus Moos und Pflanzen nimmersatter Schlund.

Es riecht nach Fäulnis, und des Torfes Tiefe
liegt vollgesaugt mit Regen dort im Dunst.

Verirrt ist, wen die Nebelgeister riefen,
bis er versinkt in deren Todesbrunst.

Mit Händen fühlte er den Leib gezogen,
je mehr er sich dagegen stemmt, mit Kraft,

bis über ihm die dunklen Wasser wogten,
und tief im Sumpf aus Leichen Mumien macht.

Des Herbstes Wandel

Erstellt mit Google Gemini
Kraftlos sinken sie hernieder,
denn wie bittere Tränen rannen
all des Herbstes kühle Schauer
rauschend durch die dunklen Tannen.

Busch und Bäume, die sich laublos
zitternd zueinander schließen
und morbide mit den Zweigen
winken wie ein letztes Grüßen.

Fort für lange – Abschiednehmen!
Bäume, die das Feld beschirmten,
windzerzaust; die letzten Früchte
fielen, wo das Laub verstürmte.

Zwischen morgendlichen Schwaden
sah man Nebelgeister schwanken,
tanzten hin zum Herrn des Winters,
zwischen abgeblühten Ranken.

Durch die Bäume und die Tiere
wechselten geheime Reden,
denn von Stamm zu Stamme wob
sich die Eiszeit weiße Fäden.

Fern im Nord schon weiße Flocken,
einzeln sah ich sie schon treiben,
um auf weiß gefärbtem Boden
größer werdend hier zu bleiben.

Seufzte nur der Wind, der kalte:
„Ew‘ges Licht im Herzen brenne!
Lass die Tage golden glühen,
dass Mensch Weg und Ziel erkenne.“

Der Erlkönig

von Johann Wolfgang von Goethe

Wer reitet so spät durch Nacht und Wind?
Es ist der Vater mit seinem Kind;
Er hat den Knaben wohl in dem Arm,
Er fasst ihn sicher, er hält ihn warm.

"Mein Sohn, was birgst du so bang dein Gesicht?"
"Siehst, Vater, du den Erlkönig nicht?
Den Erlkönig mit Kron und Schweif?"
"Mein Sohn, es ist ein Nebelstreif."

"Du liebes Kind, komm, geh mit mir!
Gar schöne Spiele spiel ich mit dir;
Manch bunte Blumen sind an dem Strand;
Meine Mutter hat manch gülden Gewand."

"Mein Vater, mein Vater, und hörest du nicht,
Was Erlenkönig mir leise verspricht?"
"Sei ruhig, bleibe ruhig, mein Kind;
In dürren Blättern säuselt der Wind."

"Willst, feiner Knabe, du mit mir gehn?
Meine Töchter sollen dich warten schön;
Meine Töchter führen den nächtlichen Reihn
Und wiegen und tanzen und singen dich ein."

"Mein Vater, mein Vater, und siehst du nicht dort
Erlkönigs Töchter am düstern Ort?"
"Mein Sohn, mein Sohn, ich seh es genau:
Es scheinen die alten Weiden so grau."

"Ich liebe dich, mich reizt deine schöne Gestalt;
Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt."
"Mein Vater, mein Vater, jetzt fasst er mich an!
Erlkönig hat mir ein Leids getan!"

Dem Vater grauset's er reitet geschwind,
Er hält in Armen das ächzende Kind,
Erreicht den Hof mit Mühe und Not;
In seinen Armen das Kind war tot.
Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832)

Traumverbunden

Luftschlösser bauen mit bezaubernden Räumen
und mit Engeln aus allen Wolken fallen;
von Freundschaft mit sprechenden Tieren träumen,
verborgene Schönheit sehen in allem.

Im Märchenbuch des Lebens das Gute finden,
mit Schatten, die du nicht werfen willst,
und Flüsse, die sich kreisend verbinden,
vergangenes tragen als ewiges Bild.

Durch Ideen kunstvoll das Sein gestalten,
Wunder hervortun, in glanzvoller Pracht.
Den Strahl der Sonne als Zauberstab halten,
der in der Natur grüne Wahrheiten schafft.

Verbunden sein, mit denen, die fehlen
und spüren die enge Umarmung zugleich,
dieses Prickeln elektrisierend erleben,
das ist Liebe, die aus dem Jenseits gereicht.