Offene Fragen

Wird sich das Böse in Menschengedanken,
blitzartig ändern und aufrichtig handeln;
am Wegkreuz der Hoffnung ein Wendepunkt sein,
zu gleiten ins Chaos durch Willkür und Schein?

Kann der teuflische Geist in jedermann dringen
und perfide voll List dessen Plan gelingen?
Wird das Herz der Welt durch Kammerflimmern
irgendwann stillstehen, sich die Lage verschlimmern?

Ist die Wissenschaft böse, die Waffen erfindet,
die Menschen auslöscht, an Erpressungen bindet?
Ist es gewollt, wenn Millionen entleibt,
ihre Energie frei zu den Lichtgöttern steigt?

Kann sich das Schweigen aus Gräberreihen,
wo kein Kreuz gleicht dem andern,
wie ein Wunder durch himmlischen Schluss,
plötzlich in Lachen verwandeln?

Polarität

Quelle: Pinterest
Wenn man vergleicht, was unvergleichbar ist,
sucht man im Gegenstück sein eignes Ich zu sehen.
Das Leben ist Vergleich und man wägt ab, 
um auf der Lebensbühne zu bestehen.

Doch alle Gegensätze dienen nur dem Ganzen,
ist von der Schöpfung ein gewollter Akt,
lässt funkensprühend eine Zweiheit tanzen,
die in Verschiedenheit nicht existieren mag. 

Erfahrungen im Leben sind Aromen,
die wohl dosiert das Dasein schmackhaft machen;
doch würde stets dasselbe darin wohnen,
dann gäbe es kein Weinen und kein Lachen. 

Und gäbe es nicht Licht und Dunkelheit,
nicht Liebe oder Hass, nicht Tod und Leben,
dann hätten Tag und Nacht dasselbe Kleid,
dann würd‘ es keine Unterschiede geben.

Wie kann die Seele zu sich selber finden,
wenn kein Vergleich entscheidend ist;
bewusst erst im Erkennen zu verbinden,
was gut und schlecht erscheint im wahren Licht?

Fruchtbarkeit

Feldarbeit – Walter Rudolf Leistikow (1865-1908)
Den Boden bereiten, die Fruchtbarkeit lösen,
Bedingungen schaffen, die notwendig sind,
damit auf den bloßen Häuptern des öden,
die Schollen erwachen durch Sonne und Wind.

Ist wie ein Mensch, der die Welt nicht versteht,
damit den Geist und das Wachstum hemmt;
sieht, wie auf Erden das Leben vergeht,
wenn er sich gegen die Göttlichkeit stemmt. 

Der Ur-Keim ist da, vom Schöpfer gepflanzt -
hat Wachstum nur in fruchtbaren Reihen;
bestellt den Boden, dann wird hier mit Glanz
und wachsender Schönheit das Blühen gedeihen. 

Hammer und Meißel

Steinmetz-Bruderschaftsrelief auf dem Quatuor Coronati- Fries in Florenz. – Quelle: Pinterest
Ein Leben lang bin ich der Bildner,
der meiner Seele Form verleiht;
am Anfang war ich wie ein Wilder,
das Ungestüme brach die Zeit. 

Sie glättete die neuen Wege,
machte sie gangbar, sandte Licht;
das hell mir schien auf jene Stege,
die zu mir raunten: „Geh sie nicht!“

Zeigten ein Bild der Menschenbrücke,
die schnell zerbricht, bei jedem Schritt;
ein Trugbild, das mit List und Tücke
verleitet in den Abgrund glitt.

Und plötzlich war ich erdentbunden,
hob ab, ganz körperlos und frei,
ich schwebte durch Jahrhundertrunden,
sah meiner Seele Konterfei.

Der Traum war mir ein milder Schimmer,
in dem mir Gott den Meißel bot.
Ich bilde jeden Tag noch immer
mein Seelenbild – ganz ohne Not. 

Kalte Gedanken

Julius Sergius von Klever (1850-1924)
Es wird bald Nacht sein, Gott,
gib für die letzte Fahrt mir Licht.
Kalt bläst der Wind von Nord
und rötet mein Gesicht.

Es wird noch lang nicht tauen -
der Reif hängt an den Zweigen
und aus dem flachen Land
seh ich die Nebel steigen.

Zeig mir den Weg nach Haus,
halt an die Weltenuhren,
deck zu mit Sternenglanz
und Mondlicht meine Spuren. 

Lass Kirchenglocken schlagen,
hör‘ sie durch Eis und Schnee;
so Gott will, werd‘ ich’s tragen,
das Schwere, wenn ich geh.

Wird sein kein Steingebilde,
geschmücktes Grab und Trauer,
wer Wahrheit führt im Schilde,
der ist allein – auf Dauer.

So blind bin ich, vertraue,
tappe durch Finsternisse;
wie die Lebendigen glauben -
und nur die Toten wissen. 

Aus deinen hohen Stämmen
wob Nacht nun graue Fäden,
der Schneeluft gilt kein Dämmen,
wenn lichte Flocken weben.

Gespenst der Nacht, nun weiche!
Unholde Wesen kriechen
um schneeverwehter Eiche,
aus Wald und Mauernischen. 

Muss dunkle Pfade gehen - 
tritt mir auch Angst entgegen,
werd‘ starken Mutes sehen:
auch dort liegt Gottes Segen.

Schattendasein

Ludvig Munthe (1841-1896)
Altes Jahr, du bist gegangen,
wie die Stunden, die dich füllten;
wechselhaft war dein Verlangen,
wenn sie sich in Gleichklang hüllten.

Wolltest leben und erneuern,
wie die Trauben an den Reben,
Menschenherz beglückt erfreuen,
andren Tod und Abschied geben.

Jedes Leben trägt die Schatten
längst vergang’ner Zeit wie Schleier,
die durchlöchert, denn sie hatten
nicht nur Frieden, Freude, Feier.

Schicksalsstunden, Angst und Leid,
der uns längst verlorenen Stimmen,
treiben mit uns durch die Zeit,
wo sie unvergessen schwingen.

Hoffe auf den neuen Frühling! 
Leidenswege müssen enden,
um im Osterland des Lichtes
alles Elend abzuwenden. 

Groß und mächtig

„Caesar“ – Adolphe Yvon (1817-1893)
Blutgetränkt sind viele Stätten,
die einst große Namen tragen,
derer, die mit Leid bedeckten
und mit Krieg, die für sie starben.

Die man „groß“ und „mächtig“ nennt,
sind nur Namen der Geschichte;
erst, als man ihr Tun erkennt,
hat sie eigner Hass gerichtet.

Schicksalsmächtiges Erleben
schlägt mit Wucht die Stirne nieder;
kann voll Demut sie nicht heben,
treibt die Schwere in die Glieder. 

Kein „Gewöhnen“ kann es dämpfen,
und man deckt es zu mit Schweigen;
still ergeben, statt zu kämpfen,
ringend sich mit Gleichmut neigen. 

Durchzukämpfen sind die Stunden,
mit Naturgewalten ringen
oder auf der Weltenbühne
mit den hohen Häuptern singen. 

Tragen volle Segensschalen
hin zu göttlichem Geschehen,
denn die vielen dunklen Tage
sind als heilige Pflicht zu sehen. 

Bildner Leid, du bist ein Treuer,
stählst Charakter, überwindest;
wahrhaft groß ist der Erneurer,
der in Gottes Kraft sich findet. 

Nachtgedanken

Leere Nacht - wohin ich schaue!
Von Laternenlicht erhellte, 
triste Gräue, die geflutet,
Dunkelheit dagegenstellte. 

Regenschauer wäscht die Mauern.
Fahl und kalt die Morgenfrühe.
Lichtlos sind des Himmels Pforten,
Wind vertreibt die Wolkenzüge.

Schlafen noch die schwarzen Vögel,
die durch meine Seele zogen;
trübe Welt, wie die Gedanken,
als sie aus dem Traum entflogen. 

Wetterwogen, Winterschwäche –
fern vom lichterfüllten Treiben,
die uns legt die Welt in Zauber,
schneebedeckt im Festtagskleide.

Schicksal webt den rauen Faden,
der aus Schmerz und Leid gesponnen;
tauchen auf aus Nebelmeeren,
wie von Geisterhand gewonnen. 

Doch der Norne dunkles Treiben
in der Menschenwelt Getümmel,
ist die Antwort kalter Herzen -
lieblos scheint ihr Plastikhimmel. 

Unter Bäumen, die bald glänzen
und in grauen Stuben schimmern,
lässt der nahe Klang des Krieges
Gott geweihte Kerzen flimmern. 

Vergehen

Rembrandt van Rijn (1606-1669)

So gläsern ihre Haut,
scheint durch wie Pergament;
vor Jahren schon ergraut –
die Lebenszeit, sie rennt.

Und plötzlich war sie alt,
gezeichnet ihr Gesicht;
die einst so jung,
von stattlicher Gestalt,
geht jetzt gebückt,
den Tag erkennt sie nicht.

Wenn stumme Blicke grüben
sich wie ein Strom, der fließt,
aus ihrem Blick, dem trüben,
so manche Tränen schießt.

In einer Welt versunken,
in der sie ganz allein,
Erinnerung ertrunken
wird sie am Ende sein.

Das Essen und das Trinken
hat sie längst eingestellt,
will ganz und gar versinken
nun in der Anderwelt.

Ist schon die Macht, die ziehet,
die sagt: Die Zeit ist reif!
Das Lebenslicht verglühet
zur wohl bestimmten Zeit.

Schließt ihre Augen beide,
in erdumgrenztem Kreis –
getröstet ist die Seele,
die neue Wege weiss.

Der Mensch

Bild: Karin M.
Unvollkommen in der Art zu leben,
als Maschine, gut trainiert im funktionalen Sinn. -
Ist er heil, wenn körperliches Streben,
achtet, was ihm Nahrung und Hygiene bringt?

Ist er denn im Geist vollkommen,
wenn er keine Fragen nach dem Sinn des Lebens stellt?
Nur, das, was ihm nützlich scheint wird angenommen,
fern von Ethik und Moral auf dieser Welt. 

So versagen sie im Angesicht der Dinge,
wenn sich diese nicht um Oberflächlichkeiten drehen;
wichtig ist ihm, dass ihm materiell gelinge,
besser, größer, als die anderen dazustehen. 

Schauderhaft sind schrecklich intelligente Wesen,
kalte Roboter, bevölkern diese Welt mit Kraft;
lustlos, im perfekten Überfluss ihr Streben,
das nervös, neurotisch, aggressiv und freudlos macht. 

Wissenschaftlich die Natur bestimmen, 
hat nur eine Art von Weltansicht hervorgebracht,
nur, was wissenschaftlich messbar ist, wird gelingen,
nützlich, sinnvoll sein, mit materieller Kraft.

Deklassiert sind andere Werte, andere Dinge,
wichtig scheint nur, was mit klarer Sicht betrachtet;
nur, wenn Mensch in Trauer Zuflucht sucht,
ratlos ist, sind Ausnahmen erachtet. 

Dunkel sind deshalb getönt die lichten Dinge,
lieber meiden möchte man sie und umgehen.
Zeitlos, nicht kausal, wird das Gesetz gelingen,
das nicht messbar ist und göttlich anzusehen. 

Andere Wirklichkeiten kann man hier benennen,
die sich gefühlsbetont, in der Empfindung offenbaren,
in der wir Glaube, Liebe, Sehnsucht, Hingabe erkennen, 
unmessbar sind sie, wenn im Großen Geist die Hoffnung naht.