Ich stehe am Fenster und schau in die Ferne,
seh’ durch die beschlagenen Scheiben hinaus.
Betrachte das herbstliche Treiben so gerne;
der Wind fegt mit heftigem Brausen ums Haus.
Bald werden sie kahl sein, die noch vollen Zweige.
Die Wiese, sie füllt sich allmählich mit Laub.
Es kommen die Stürme – das Jahr geht zur Neige.
Der Herbst bringt die Kälte und Dunkelheit auch.
Die Ernte liegt sicher in Scheunen und Hallen,
der Dank wird gesprochen, der Segen erteilt.
Wenn erst die schweren Frühnebel wallen,
dann macht sich das Jahr zum Sterben bereit.
Ich lausche dem Wind, er pfeift durch die Schächte,
treibt Regen und Blattwerk, streut bunt seine Spur.
Nicht enden wollen die unruhigen Nächte,
die Wärme der Sonne verlässt die Natur.
Autor: Gisela
Rattenfänger
Altes Volk, in Harm und Sorge,
kraftlos auf die Knie gesunken,
bist du, trotz der Schar der Hüter
dieses Ortes, fast ertrunken.
Doch das laute Weh verklang
in der Dämmrung Horizont;
Heimat – auf dem Boden trat
man vor dem, der oben thront.
Keine Antwort, nur ein Schweigen
rieselt durch die Wolkenbälle;
sieht die Armen, wie sie wandern,
folgen der Gedanken Welle,
und die zieht, wie ein Gewinde,
näher hin zu den Gefahren.
Laut und schneller wird der Drall,
hält die Pilgerschaft zum Narren.
Wieder steht so manche Größe,
tut sich auf mit Siegerworten,
doch nur leer wie Seifenblasen
platzen die an allen Orten.
Lasst sie doch ihr Werk vollbringen,
das sie johlend propagieren.
Heils-Botschaften, die misslingen,
wird das Volk zur Wahrheit führen!
Östlich stehen sie und schreien -
aus den Mündern schlagen Flammen.
Fackelt ab die Nebelkerzen,
die die wahre Sicht verschlangen!
Gerechtigkeit
Gerechtigkeit, dein Maß, wo ist‘s geblieben,
was hat dich fortgetrieben?
Bist du des Lebens Preis?
Konnt‘ dich nicht immer halten,
dein waagerechtes Walten,
es glitt mir aus dem Gleis.
Die Schalen deiner Waage in Harmonie zu bringen,
sie halten, soll gelingen. –
Kein menschliches Geschick!
Denn dein Gewand der Wahrheit,
in leidvoll süßer Klarheit,
nimmt den globalen Blick.
Kurzsichtig ist das Leben, sieht nicht die finstre Brücke;
besorgt sein Haus zum Glücke,
noch in der Tageszeit.
Hört nicht des Todes Lachen,
wenn er mit seinem Nachen
am Abend steht bereit.
Bunt sind schon die Wälder
Interpreten: Zupfgeigenhansel
Musik von Johann Friedrich Reichardt (1752-1814)
Bunt sind schon die Wälder,
gelb die Stoppelfelder,
und der Herbst beginnt.
Rote Blätter fallen,
graue Nebel wallen,
kühler weht der Wind.
Wie die volle Traube
aus dem Rebenlaube
purpurfarbig strahlt!
Am Gelände reifen
Pfirsiche, mit Streifen
rot und weiß bemalt.
Dort im grünen Baume
hängt die blaue Pflaume
am gebognen Ast
gelbe Birnen winken
daß die Zweige sinken
unter ihrer Last
Welch ein Apfelregen
rauscht vom Baum! es legen
in ihr Körbchen sie
Mädchen, leicht geschürzet
und ihr Röckchen kürzet
sich bis an das Knie
Winzer, füllt die Fässer
Eimer, krumme Messer
Butten sind bereit
Lohn für Müh und Plage
sind die frohen Tage
in der Lesezeit
Unsre Mädchen singen
und die Träger springen
alles ist so froh
Bunte Bänder schweben
zwischen hohen Reben
auf dem Hut von Stroh
Geige tönt und Flöte
bei der Abendröte
und bei Mondenglanz
schöne Winzerinnen
winken und beginnen
frohen Erntetanz
Text von Johann Gaudenz von Salis-Seewis (1762-1834)
Baum im Herbst
Lebensbaum – die Blätter fallen,
frühjahrsblühend sein Gewand,
was berauschend war gediehen -
duftumzogen war sein Stand -
trieb nur Blüten. Frucht zu werden
war des Wachstums hehres Ziel;
doch nun fallen seine Blätter,
fruchtlos seine Zeit verfiel.
Kühler Geist, du bist gekommen!
Fröstelnd steht der Baum des Lebens.
Blätter taumeln, wie die Jahre,
fallen, durch des Windes Schweben.
Webt der Herbst nun graue Schleier,
lässt er die Natur genesen;
neue Kraft fließt, Frucht zu werden,
zur Vollendung aller Wesen.
Kraftvoll
Überwältigende Kraft –
die aus dem Nichts ein Alles macht,
die Welt mit Farben überzieht,
gerecht ist und gleich gültig liebt;
aus Staub geformt, durch Geisteskraft,
den Mensch in diese Welt gebracht,
die Sterne und Planeten formte,
Gezeiten - Ebbe, Fluten normte,
millionenfach in Duft und Fülle,
mit Klang erfüllte tote Stille.
Natur, sie lässt ein reiches Leben,
in Wasser, Erde, Luft erbeben;
die Kraft, die nie versagt und führt,
was Menschheit wahrheitssuchend spürt.
Mensch drückt sich aus als Teil der Kraft,
im Dienen ist sein Zweck vollbracht.
Nie enden wird des Menschen Zeit,
die Leben aneinander reiht,
der Chancen ewiger Neubeginn,
Karma und Ausgleich - Lebenssinn.
Zeit der Raben
September geht. – Hör schon die Raben!
Seh, wie sie kreisen und nach Futter darben.
Mit Schläue überschweben sie die Menge
an toten Steinen, über Stadtgedränge;
sie streifen grünlich breitende Kulturen,
wie Rasen und die letzten Sommerspuren.
Sie krächzen über nebelhaftem Schleier,
der tausend Tode deckt, in alter Leier.
Des Jahres würdevoller Atemhauch,
vernehmbar,
Blatt für Blatt an Baum und Strauch.
Liebe
Du Riese der Gedanken, warst nur Schein!
Als ich dir nahte, sah ich mich allein;
schon greifbar, bist du mir entschwunden.
Ich hoffte noch, ich könnt‘ an dir gesunden,
voll Durst erglühen, bis die Flammen sanken –
den Schierlingsbecher leeren, aus dem Götter tranken.
In einem toten Meer aus Wandlung, Schmerz und Licht,
sah ich die Hoffnung, die auf einmal bricht;
ein kurzer Schlag nur, ein gebrochenes Streben –
gleich einem Herz, das ständig lebt im Beben.
Als sie dann fortgenommen, wurd mir klar,
dass Liebe nur ein Schein des Himmels war.
Herbstlied
von Hans Eckardt Wenzel und Band
Text:
Feinslieb, nun ist es Blätterbraun
Schon wieder in den Spitzen
Wann wir unterm Kastanienbaum
Am Abend fröstelnd sitzen
Das Jahr geht fort mit schwerer Fracht
Es bindet sich die Schuh‘
Ich bin so traurig heute Nacht –
Und du, du lachst dazu!
Feinslieb, die schwarze Jacke hängt
Die Schultern ab mir wieder
Wann schon so früh das Dunkel fängt
Uns und die Kält‘ die Glieder
In deinen Augen glimmt noch leis‘
Der Sommer voller Ruh‘
Ich wein‘, weil ich nicht weiter weiß –
Und du, du lachst dazu!
Feinslieb, das war es also schon
Der Sommer ist vertrieben
Die Vögel sind auf und davon
Und wir sind hier geblieben
Fremd zieh‘ ich ein, fremd zieh‘ ich aus
Ich weiß nicht, was ich tu‘!
Heut‘ Nacht, verwelkt ist mein Zuhaus‘ –
Und du, du lachst dazu!
Feinslieb, komm stirb mit mir ein Stück
Sieh, müd‘ die Blätter schunkeln
Wir dreh’n das Jahr doch nicht zurück
Und seh’n uns nicht im Dunkeln!
Lass in dem Kommen, Bleiben, Geh’n
Zertanzen uns die Schuh‘
Ich will noch soviel Himmel seh’n –
Und du, du lachst dazu!
Sibyllenweisheit – Claudius Gang nach Cumae
Es graute schon der Morgen.
Die Sonne stieg empor am Horizont;
brachte den neuen Tag, noch zeitverborgen,
von abgewandter Welt, wo Fremdheit wohnt.
In Träumen vorbestimmt, war mir, den Weg zu gehen.
Ich ging ihn langsam. – Was er bringen mag?
Nur zögernd kam der Sinn, es zu verstehen,
als schwere Last, die ich alleine trag.
Vom Schlaf beraubt, war schwer die Stirne.
Einsam, der Ort, den ich zu glauben wählte:
die Höhle von Cumae, dessen Geist im Hirne,
der empathielos Wahrheit mir erzählte.
Ängstlich, dem Schicksal Stirn zu bieten
oder es anzunehmen, wurd mir offenbar.
sich aufzulehnen, gegen die, die mich verrieten,
den Thron besteigen, der mir sicher wahr.
Draußen die Kälte, drin das kalte Grauen –
es roch nach Tod, als ich den Berg durchschritt.
Durch diese Höhle glitt mein erstes Schauen,
vom Mittelpunkt gebannt, als es entglitt.
Da lag im Boden, skelettiert die alte,
und in der Mitte saß die neue Seherin;
sie trug das Amt, wie alle die Gestalten,
die vor ihr waren und im Tod vergingen.
In Furcht erstarrten meine Glieder,
vom Mut verlassen sank ich auf die Knie.
Die Sinne schwanden immer wieder,
vom Rauch des Schaleninhalts – irgendwie.
Die Fackeln schwelten an den kahlen Wänden,
erleuchteten den Raum, der rauchdurchzogen;
den Kopf gesenkt und mit gekreuzten Händen,
vor einer Frau, die starr den Blick erhoben.
Sie saß auf ihrem Thron, an einem Orte,
der einzig Licht durchließ zu ihrem Haupte,
die Dunkelheit verschluckte erste Worte,
als sie mir sagte, was ich ahnend glaubte.
Ein rotes Tuch, das ihre Schultern wärmte,
erwärmte nicht die Kälte, die sie brachte,
und ihr Gesicht, das jung und schon verhärmte,
war wie erstarrt, nichts, was sie menschlich machte.
Die Tote, unsichtbar im Raum verborgen,
als sich das kegelhafte Licht im Raum ergoss,
herausgewachsen aus dem Schatten war der Morgen,
der nur die Seherin gezielt umfloss.
„Ich bin gekommen, um mein Schicksal zu erfragen,
auch das von Rom. Wie Feuer brennt es mir!“
Hörte mich stotternd diese Worte sagen;
ich zitterte und schämte mich dafür.
Verändert war der Ausdruck des Gesichtes,
es überkam sie die Gewalt des Sehens;
sie wand sich in der Macht des Lichtes,
prophetisch konnte sie alsdann verstehen.
Ein Windhauch wehte durch den Raum,
ein Flügelschlag hat meinen Sinn gestreift,
und göttlich war die Stimme, wie im Traum,
die aus ihr kam, von Dringlichkeit gereift.
Was sie mir sagte, will die Nachwelt wissen? –
Sie kannte die Geschichte meines Lebens.
Lang liegt bereits mein Schicksal im Vergessen.
Es lehrt: „Der Idiot“ war klug, Gespött vergebens!
Dieses ungewöhnliche Gedicht habe ich dem römischen Kaiser Claudius gewidmet, der zehn Jahre vor Beginn der christlichen Zeitrechnung geboren wurde. Es gab eine Filmserie, die ich in den 70er Jahren von meinem Krankenbett aus gesehen hatte, in der mich diese Persönlichkeit anzog.
Zu seinen Lebzeiten wurde „Tiberius Claudius Nero Germanicus“, (*1. August 10 v. Chr. in Lugdunum, heute Lyon; † 13. Oktober 54 n. Chr.), von seinen Freunden, Verwandten und Mitarbeitern als „Claudius der Idiot“ oder „Claudius der Stotterer“ verunglimpft. Auch in späteren Geschichtsbüchern wird er dargestellt als ein nicht zurechnungsfähiger Pedant, der seinen Frauen und Sekretären hörig war und eine Marionette der kaiserlichen Garde gegenüber.
In Wahrheit aber war er, obwohl er über keinerlei Praxis verfügte, einer der fähigsten, geschicktesten Herrscher gewesen, die Rom je gehabt hat. Seine finanziellen, religiösen und juristischen Reformen, seine militärischen Erfolge, die großen öffentlichen Arbeiten, die er angeregt hat, seine wohlwollende Gesinnung für das Volk müssen mit großer Bewunderung verfolgt werden.
Viele Beispiele, die für seine sogenannte Stumpfsinnigkeit angeführt werden, beweisen nur, dass er einen sonderbaren, feinen Humor hatte, dem der Beobachter unzugänglich war.
Eine große Klugheit zeigte er in der Außenpolitik, besonders nach Hermanns Sieg über Varus. Er verzichtete auf jede Anwendung von Gewalt, weil er die alteingewurzelte Abneigung der Deutschen gegen jede fremde Einmischung kannte und sorgte vor, stattdessen Britannien für das Römische Reich zu gewinnen.
Hier möchte ich ein Fazit zur jetzigen Zeit ziehen: Vieles ist besser als es scheint!