Ästhetik – Dichtung als Kunst

Foto: Gisela Seidel – Goethe und Schiller Denkmal in Weimar

Beim Betrachten der modernen Dichtung frage ich mich oft: „Was würden Goethe und Schiller dazu sagen?“ Ob Verswissenschaft oder Bauchgefühl: Poesie sollte einen gewissen Schönheitsanspruch an sich selbst stellen und nicht nur wie ein „Brainstorming“, wenige, für Uneingeweihte nicht erklärbare, oft sogar unschöne Worte beinhalten.

Hier möchte ich Immanuel Kant zitieren, der u. a. folgende Aussage machte: [..] In der Dichtkunst kann sich das Vermögen ästhetischer Ideen „in seinem ganzen Maße“ zeigen [..] oder weiter [..] Die Dichtkunst verdankt fast gänzlich dem Genie ihren Ursprung und nimmt den obersten Rang unter den Künsten ein.

Ist denn die ästhetische Urteilskraft, in der das Gefühl der Schönheit wurzelt, in der heutigen Gesellschaft nahezu verloren gegangen? Gibt es überhaupt ein objektives Prinzip des Geschmacks oder der Schönheit?

Schiller sah Kunst als Erlebnis. Er war der Überzeugung, dass nur DAS Werk schön zu nennen sei, das dieses Erlebnis der ästhetischen Freiheit auszulösen vermochte. In seinen Kallias-Briefen schrieb er: „…Schönheit ist Freiheit in der Erscheinung.“
Diese Freiheit gelangt uns dadurch zum Bewusstsein, dass wir nicht genötigt werden, nach einem Grund der Erscheinung zu fragen, der außerhalb des Gegenstandes liegt. Schön sei die Form, die sich selbst erklärt.

Man kann gewiss die Welt der Wissenschaft erlernen, was man mit Universitätsabschlüssen belegen kann. Menschen lieben derartige Zeugnisse, obwohl der Absolvent eines Germanistik-Studiums keine tiefgreifende Dichtung zustande bringen vermag, weil ihm das Gefühl dafür fehlt.

Ob die Dichtkunst den obersten Rang unter den Künsten einnimmt, kann ich nicht beurteilen. Zu Zeiten, in denen Kant gelebt hat, war die Dichtung etwas Erhabenes und viel mehr als nur ein Brotjob. Möglicherweise steht die Musik einen Rang darüber. Beides klangvoll zu vereinen ist eine große Kunst.

Taktgefühl vermitteln kann niemand, wenn man es nicht fühlt. Die Ästhetik ist in der modernen Lyrik leider größtenteils verloren gegangen. Da kann nichts mehr fließen. Da gibt es keine Sprachschönheit mehr, wenig Aussagekraft und keine Poesie.

Deshalb schreibe ich Gedichte und Gedanken in einer alten Form, obwohl manche denken, die sei obsolet wie ihre Schreiberin. Meine Gedichte mögen nicht in die Zeit passen, lassen mich jedoch fühlen, was mir in der modernen Schreibweise verborgen bleibt. Sie erschließt sich mir nicht.

Auch wenige Worte können viel aussagen. Verdichtete Gedanken sind das Konzentrat, mit dem Gott die Welt erschuf.

Autor: Gisela

Bitte auf meiner Seite "Über mich" nachlesen.

11 Gedanken zu „Ästhetik – Dichtung als Kunst“

    1. Danke, lieber Michael für den Hinweis „Sarah Lesch – Testament“. Eine wundervolle Person, die die Wahrheit in jeder Zeile singt. Ich kannte sie vorher nicht. Bin begeistert!
      Ja, diese Welt ist mir fremd geworden. Früher war gewiss nicht alles besser, nur haben die Götter nie so laut gelacht. LG

  1. „Schönheit ist Freiheit in der Erscheinung“ – was für kluge, wahre Worte! Ich bin Dir dankbar, liebe Gisela, dass Du in einer alten Form schreibst, die ich liebe. Echte Dichtkunst berührt und formt die Seele, da bin ich überzeugt. Fühle Dich umarmt, Elisa 🌹🌹

    1. Danke von Herzen, liebe Elisa, mit einer ebensolchen Umarmung zurück. Ich bemühe mich immer, den Worten Tiefe zu geben, in der Hoffnung, dass sie die Seele berühren. Liebe Grüße, Gisela 🌞💕

  2. Das frage ich mich auch manchmal, was Goethe, Schiller, Kant und andere zu der heutigen Situation sagen würden. Uns bleibt auf jeden Fall der Genuss der wunderbaren Worte. LG Marie

    1. Liebe Marie, damals war nicht alles gut und die Denkweise war bei Männern eher militärisch ausgerichtet. Frauen war das Schreiben von Gedichten und Romanen nicht gestattet. Was sie mit mir wohl machen würden?! Aber ihre schönen und klugen Worte haben sie uns hinterlassen. Das ist ihr Geschenk an die Welt. Liebe Grüße, Gisela

  3. Danke, liebe Gisela, das ist interessant, nachdenkenswert und bestärkt mich in meiner (ich denke) „konservativen“ Art und Weise, Worte zusammen zu bringen und dann und wann Verse entstehen zu lassen.
    Herzliche Grüße, Bettina

    1. Liebe Bettina, in jungen Jahren war ich eher revolutionär und wollte vieles verändern und verbessern. Heute dagegen lebe ich konservativ und das spiegelt sich wohl auch in meinen Gedichten wider. Altersweisheit. Ich freue mich immer, wenn es Mitstreiterinnen gibt, die ähnlich denken und Gedichte schreiben. Liebe Grüße, Gisela

Kommentar verfassen