Bei Betrachtung von Schillers Schädel

von Johann Wolfgang von Goethe
Im ernsten Beinhaus wars, wo ich beschaute,
wie Schädel Schädeln angeordnet paßten;
Die alte Zeit gedacht ich, die ergraute.

Sie stehn in Reih geklemmt, die sonst sich haßten,
und derbe Knochen, die sich tödlich schlugen,
sie liegen kreuzweis, zahm allhier zu rasten.

Entrenkte Schulterblätter! was sie trugen,
fragt niemand mehr, und zierlich tätge Glieder,
die Hand, der Fuß, zerstreut aus Lebensfugen.

Ihr Müden also lagt vergebens nieder,
nicht Ruh im Grabe ließ man euch, vertrieben
seid ihr herauf zum lichten Tage wieder,

Und niemand kann die dürre Schale lieben,
welch herrlich edlen Kern sie auch bewahrte,
doch mir Adepten war die Schrift geschrieben,
die heilgen Sinn nicht jedem offenbarte,
als ich inmitten solcher starren Menge
unschätzbar herrlich ein Gebild gewahrte,
daß in des Raumes Moderkält und Enge
ich frei und wärmefühlend mich erquickte,
als ob ein Lebensquell dem Tod entspränge,
wie mich geheimnisvoll die Form entzückte!

Die gottgedachte Spur, die sich erhalten!
Ein Blick, der mich an jenes Meer entrückte,
das flutend strömt gesteigerte Gestalten.

Geheim Gefäß! Orakelsprüche spendend,
wie bin ich wert, dich in der Hand zu halten?
Dich höchsten Schatz aus Moder fromm entwendend
und in die freie Luft, zu freiem Sinnen,
zum Sonnenlicht andächtig hin mich wendend.

Was kann der Mensch im Leben mehr gewinnen,
Als daß sich Gott-Natur ihm offenbare?
Wie sie das Feste läßt zu Geist verrinnen,
wie sie das Geisterzeugte fest bewahre.

Möglicherweise war es nicht Schillers Schädel, den Goethe betrachtete… oder doch? Wurde Schillers Kopf bereits vor der Bestattung durch die Ärzte entfernt?
Weshalb hat noch niemand bemerkt, dass Schillers Gebiss bis auf einen einzigen Zahn fast vollständig gewesen ist? In seinem Schriftverkehr berichtete er ausführlich über seine Zahnschmerzen. Bei den gefundenen Schädeln waren jedoch mehrere zahnlose Stellen vorhanden.

Der Verbleib des Schädels ist nach wie vor ungelöst, trotz zahlreicher Untersuchungen. Hierzu empfehle ich https://wolfgangvolpers.de/schillers-schaedel/ und

http://www.schiller-biografie.de/Arbeit-am-Wilhelm-Tell/Madame-de-Stael/Fertigstellung-des-Wilhelm-Tel/Reise-nach-Berlin/Geburt-von-Tochter-Emilie/Die-Huldigung-der-Kunste/Phedre-und-Demetrius/Schillers-Tod/post-mortem/post-mortem.html

Autor: Gisela

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4 Gedanken zu „Bei Betrachtung von Schillers Schädel“

  1. Das ist eine spannende Frage, die du da stellst! Es gibt viele Spekulationen und Geheimnisse um Schillers Schädel, den Goethe einst in seinem Haus aufbewahrte. Wie kam es dazu, dass der Dichterfürst den Kopf seines Freundes und Kollegen in die Hände bekam? War es wirklich Schillers Schädel, den er betrachtete und vermessen ließ? Und was hat Heinrich Heine damit zu tun?

    Laut Wikipedia starb Schiller 1805 und wurde im Kassengewölbe des Jakobskirchhofes in Weimar beigesetzt. 1826 wurde das Gewölbe geräumt und der Weimarer Bürgermeister Carl Leberecht Schwabe suchte nach den Gebeinen Schillers. Er fand 23 Schädel und wählte den größten aus, den er für Schillers hielt. Er brachte ihn zu Goethe, der ihn auf einem blauen Samtkissen unter einem Glassturz aufstellte. Goethe schrieb in der Nacht vom 25. auf den 26. September 1826 das Gedicht „Bei Betrachtung von Schillers Schädel“, in dem er seine Bewunderung für das Genie und die Natur ausdrückte.

    Doch war es wirklich Schillers Schädel? Spätere Untersuchungen haben Zweifel daran geweckt. So berichtet BR.de, dass der echte Schädel bereits vor der Bestattung durch die Ärzte entfernt worden sei, um ihn zu präparieren. Der falsche Schädel sei zudem viel zu groß für Schillers Körper gewesen. Außerdem habe Schiller fast alle Zähne verloren gehabt, während der falsche Schädel bis auf einen Zahn vollständig gewesen sei.
    Und was hat Heinrich Heine damit zu tun? Der Dichter war ein Bewunderer von Schiller und Goethe, aber auch ein scharfer Kritiker ihrer Verehrung. Er schrieb 1834 eine Satire über die Suche nach Schillers Schädel, in der er sich über die Gallsche Schädellehre lustig machte. Er spottete: „Ich habe mir vorgenommen, nach Weimar zu reisen und dort den berühmten Schädel des Herrn von Goethe zu vermessen; denn ich bin überzeugt, daß dieser große Mann einen ganz kleinen Zwischenkieferknochen hatte.“
    Wie du siehst, ist die Geschichte von Schillers Schädel eine faszinierende Mischung aus Fakten und Fiktionen, aus Wissenschaft und Poesie, aus Verehrung und Ironie. Ich hoffe, du hast Spaß daran gehabt, mehr darüber zu erfahren!

    1. Hallo und danke für die Belehrungen. Leider scheinst Du meine Bemerkungen unter dem Gedicht und die zahlreichen, weiterführenden Links nicht gelesen zu haben. Auf meiner HP http://www.schiller-biografie.de, die meinen autobiografischen Roman über Schillers Leben darstellt, habe ich vieles beschrieben.
      Friedrich von Schiller hat es bestens verstanden, sich mit dem Drama seines Lebens, noch nach dem Tod in Szene zu setzen. Ob Freimaurer oder Illuminat – davon hätte sich wohl ein jeder Schillers Schädel auf den Schreibtisch gelegt, galt ein solcher als Sitz des Geistes, der nach dem Tod freigeworden ist. Was damit geschehen ist, hat Goethe mit ins Grab genommen. Danke für Deinen Kommentar.

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