Ungeduld

Aufstieg – Ferdinand Hodler 1853-1918
Ungeduld durchströmt das Handeln,
ohne Ruhe scheint der Geist,
wenn sich der ersehnte Wandel
scheinbar endlos dreht im Kreis.
 
Fern dem Ziel erscheint die Strecke,
die zu bewältigen wir wählten,
die wir langsam wie die Schnecke,
Schritt für Schritt uns vorwärts quälen.
 
Und haben wir trotzdem erreicht,
was wir zu träumen nicht mehr wagten,
dann wird’s ums Herz uns richtig leicht,
vergessen, wenn wir fast verzagten.
 
D’rum setzt die Ziele nie zu hoch
und nie zu groß das Streben,
gelingt in kleinen Schritten doch
der Aufstieg durch das Leben.

Im Wartezimmer

Wladimir Jegorowitsch Makowski (1846-1920) – Im Wartezimmer

Im Wartezimmer herrschte Stille,
acht Stühle noch, wo sonst die Fülle.
Abstand statt Enge, mundgeschützt,
zeitungsbefreit, wo‘s Viren nützt.

Grabesgesichter machen Runde,
kein Lächeln flieht bedecktem Munde.
Fast Jeder nestelt in den Taschen,
um dort sein Handy zu erhaschen.

Geduldig pikst die Langeweile,
man blickt herum, scheint nicht in Eile,
hat Hektik und das rasche Leben
behandlungswillig abgegeben.

Von Zeit zu Zeit ertönen Namen,
der Smartphone-Blick entflieht dem Rahmen,
die Warteschleife neu formiert,
bald ist’s vorbei, wenn das passiert.

Es laufen weiße Helferlein
im Hin und Her zum Arzt hinein.
Da sitzt man nun, gespannt und stumm
und wartet aufs Martyrium.