Es graute schon der Morgen.
Die Sonne stieg empor am Horizont;
brachte den neuen Tag, noch zeitverborgen,
von abgewandter Welt, wo Fremdheit wohnt.
In Träumen vorbestimmt, war mir, den Weg zu gehen.
Ich ging ihn langsam. – Was er bringen mag?
Nur zögernd kam der Sinn, es zu verstehen,
als schwere Last, die ich alleine trag.
Vom Schlaf beraubt, war schwer die Stirne.
Einsam, der Ort, den ich zu glauben wählte:
die Höhle von Cumae, dessen Geist im Hirne,
der empathielos Wahrheit mir erzählte.
Ängstlich, dem Schicksal Stirn zu bieten
oder es anzunehmen, wurd mir offenbar.
sich aufzulehnen, gegen die, die mich verrieten,
den Thron besteigen, der mir sicher wahr.
Draußen die Kälte, drin das kalte Grauen –
es roch nach Tod, als ich den Berg durchschritt.
Durch diese Höhle glitt mein erstes Schauen,
vom Mittelpunkt gebannt, als es entglitt.
Da lag im Boden, skelettiert die alte,
und in der Mitte saß die neue Seherin;
sie trug das Amt, wie alle die Gestalten,
die vor ihr waren und im Tod vergingen.
In Furcht erstarrten meine Glieder,
vom Mut verlassen sank ich auf die Knie.
Die Sinne schwanden immer wieder,
vom Rauch des Schaleninhalts – irgendwie.
Die Fackeln schwelten an den kahlen Wänden,
erleuchteten den Raum, der rauchdurchzogen;
den Kopf gesenkt und mit gekreuzten Händen,
vor einer Frau, die starr den Blick erhoben.
Sie saß auf ihrem Thron, an einem Orte,
der einzig Licht durchließ zu ihrem Haupte,
die Dunkelheit verschluckte erste Worte,
als sie mir sagte, was ich ahnend glaubte.
Ein rotes Tuch, das ihre Schultern wärmte,
erwärmte nicht die Kälte, die sie brachte,
und ihr Gesicht, das jung und schon verhärmte,
war wie erstarrt, nichts, was sie menschlich machte.
Die Tote, unsichtbar im Raum verborgen,
als sich das kegelhafte Licht im Raum ergoss,
herausgewachsen aus dem Schatten war der Morgen,
der nur die Seherin gezielt umfloss.
„Ich bin gekommen, um mein Schicksal zu erfragen,
auch das von Rom. Wie Feuer brennt es mir!“
Hörte mich stotternd diese Worte sagen;
ich zitterte und schämte mich dafür.
Verändert war der Ausdruck des Gesichtes,
es überkam sie die Gewalt des Sehens;
sie wand sich in der Macht des Lichtes,
prophetisch konnte sie alsdann verstehen.
Ein Windhauch wehte durch den Raum,
ein Flügelschlag hat meinen Sinn gestreift,
und göttlich war die Stimme, wie im Traum,
die aus ihr kam, von Dringlichkeit gereift.
Was sie mir sagte, will die Nachwelt wissen? –
Sie kannte die Geschichte meines Lebens.
Lang liegt bereits mein Schicksal im Vergessen.
Es lehrt: „Der Idiot“ war klug, Gespött vergebens!
Dieses ungewöhnliche Gedicht habe ich dem römischen Kaiser Claudius gewidmet, der zehn Jahre vor Beginn der christlichen Zeitrechnung geboren wurde. Es gab eine Filmserie, die ich in den 70er Jahren von meinem Krankenbett aus gesehen hatte, in der mich diese Persönlichkeit anzog.
Zu seinen Lebzeiten wurde „Tiberius Claudius Nero Germanicus“, (*1. August 10 v. Chr. in Lugdunum, heute Lyon; † 13. Oktober 54 n. Chr.), von seinen Freunden, Verwandten und Mitarbeitern als „Claudius der Idiot“ oder „Claudius der Stotterer“ verunglimpft. Auch in späteren Geschichtsbüchern wird er dargestellt als ein nicht zurechnungsfähiger Pedant, der seinen Frauen und Sekretären hörig war und eine Marionette der kaiserlichen Garde gegenüber.
In Wahrheit aber war er, obwohl er über keinerlei Praxis verfügte, einer der fähigsten, geschicktesten Herrscher gewesen, die Rom je gehabt hat. Seine finanziellen, religiösen und juristischen Reformen, seine militärischen Erfolge, die großen öffentlichen Arbeiten, die er angeregt hat, seine wohlwollende Gesinnung für das Volk müssen mit großer Bewunderung verfolgt werden.
Viele Beispiele, die für seine sogenannte Stumpfsinnigkeit angeführt werden, beweisen nur, dass er einen sonderbaren, feinen Humor hatte, dem der Beobachter unzugänglich war.
Eine große Klugheit zeigte er in der Außenpolitik, besonders nach Hermanns Sieg über Varus. Er verzichtete auf jede Anwendung von Gewalt, weil er die alteingewurzelte Abneigung der Deutschen gegen jede fremde Einmischung kannte und sorgte vor, stattdessen Britannien für das Römische Reich zu gewinnen.
Hier möchte ich ein Fazit zur jetzigen Zeit ziehen: Vieles ist besser als es scheint!