Schicksal und Wissenschaft

Paul-Albert Besnard (1849-1934) – Wahrheit und Wissenschaft

Es sei der Friede des Abends in Euch, es werde die Stille, die die Fülle birgt und mit sich bringt, in Eurem Herzen laut und spreche mit der Sprache, die keine Worte hat.

Wenn Ihr in Worten Erkenntnisse, die andere erkannt haben, vermittelt bekommt, müsst Ihr Euch an dem Band der Worte zurücktasten zu jenen Quellen, woraus die Erkenntnis floss, und nur wem selbst schon die Quellen fließen, vermag dieses Zurücktasten, dieses am Band der Worte sich zurückfinden zum Ursprung zu bewerkstelligen. Ein anderer bleibt bei den Worten stehen, und die Erkenntnis, die sie verbergen, geht ihnen nicht auf.

Es erkennen einander die Seelen, die auf gleicher Stufe stehen oder um des gleichen Zieles willen zusammengeführt werden. Es grüßen einander die Seelen, deren Fähigkeit ausgebildet ist, an dem Band der Worte zurückzufinden zum Ursprung der Worte. Sie haben die gleiche Sprache, und daher verstehen sie einander in jeder Erdensprache. Sie haben die gleichen Augen, die hinter die Dinge schauen können, und daher sehen sie bei allen Dingen, die immer nur Symbol sind, und bei allen Begebnissen, die nur letzter Ausdruck, nur ins Irdische übertragener Ausdruck des Geistigen sind, das Gottgewollte, das Schicksalhafte, während Menschen mit geschlossenen Geistesaugen die Dinge alleine sehen und sie in ihrer Vielfalt sehen, sie zählen, sie untersuchen und einordnen statt sie unterzuordnen dem Sinn.

Menschen, die offene Geistesaugen haben, fragen nicht mehr: Was ist das?, sondern sie fragen: Was bedeutet das? Und wie sie die gleiche Sprache und die gleiche Kraft der Deutung haben, so haben sie die gleiche Sehnsucht. Die Sehnsucht aber ist das Höchste, weil sie dem Höchsten entgegenführt. Sie ist das Wissen, denn nur was man weiß, wenn auch schattenhaft und unklar nur weiß, kann man ersehnen. Es trägt das Wissen und die Weisheit in sich, wer der Sehnsucht fähig ist, es ist schon dem Licht verbunden, wer zur Flamme der Sehnsucht wurde, wer wärmen und entzünden kann. Wisst Ihr, dass damit die Aufgabe des Wärmespendens und Entzündens verbunden ist? Und wisst Ihr, dass, wer eine Aufgabe erhalten soll, erst geprüft werden muss?

Ich wisst es und schreckt doch vor jeder Prüfung zurück, Ihr sehnt Euch und wollt doch behalten, was Ihr habt, und beharren, wo Ihr steht. Aber seht, was Eure Hände nicht hergeben können, das Schicksal, das gütige, der Vollstrecker Eurer eigenen Sehnsucht, entwindet es Euch. Es erfüllt an Euch, wozu Ihr selbst nicht die Kraft findet, es führt aus, was Euer eigenes inneres Wollen und Streben ist.

Die Ihr das Leuchten der Sehnsucht in Euch habt, wärmt und entzündet andere Lichter auf der dunklen Welt und seid getrost: Der Euch zu Lichtern werden ließ, der weiß warum und zu welchem Zweck.

<Ephides>