Vater und Familie

Foto: Almuth Köhler, Mein Vater backte die leckersten Torten

Familie, in die hineingeboren,
ich mich wie ausgeliefert sah.
Als Baby, neu und unverdorben,
nahm ich den Vater ‚böse‘ wahr.

Sein Schreien, aggressiv im Tone,
sein Schlagen, wenn ein Wort nicht passte,
bis ich dem Männerbild zum Hohne
ein Vater-Abziehbild verpasste.

Ich musste ‚Bitte, Bitte‘ machen,
wenn Vater was gewähren sollte.
Ins Wohnzimmer geschlichen bin ich,
damit der Vater mir nicht grollte.

Foto: Almuth Köhler – Aus Familienbeständen

Und meine Mutter stand ganz stumm,
wenn voller Furcht die Tränen rannen.
Was Vater tat, schien ihr nicht dumm,
ich sollte Folgsamkeit erlangen.

Und jede Träne war sein Ziel,
er hasste meine jungen Schwächen.
Für ihn war es ein ‚schwarzes‘ Spiel,
mich bei Missfallen zu verdreschen.

Foto: Almuth Köhler – Aus Familienbeständen

Ich liebte ihn, trotz alledem.
Er war mein ‚böser Friederich‘*.
Erst spät im Alter konnt‘ ich sehn,
weshalb am Leben man zerbricht.

So lieblos, wie man ihn erzog,
gab er‘s cholerisch mir zurück.
Dass man mit falschen Werten wog,
ist der Gewissheit schweres Stück.

*aus dem „Struwwelpeter“

Anmerkung: Mein Vater wurde mit 15 Jahren zum Militär einberufen. Sämtliche Kameraden sind damals in Stalingrad gefallen. Er war zwei Jahre in französischer Kriegsgefangenschaft. Solch eine Erfahrung bleibt nicht ohne Folgen.

Autor: Gisela

Bitte auf meiner Seite "Über mich" nachlesen.

8 Gedanken zu „Vater und Familie“

    1. Lieber Rolf, wir sind anscheinend Leidensgenossen. Vergangenes ist in uns. Wir können es nicht abschütteln und tragen es mit uns, solange wir leben. Es hat uns geformt.
      Leid ist etwas, das uns umgeformt hat.

      Liebe Grüße

  1. Liebe Gisela,
    mein Herz schwingt mit, wenn ich deine Worte lese.
    Auch mein Vater ist durch den Krieg und die russische Kriegsgefangenschaft, die er als 17-jähriger durchmachte, geprägt worden und das war für mich auch eine Erfahrung, die nicht leicht war. Genauso wie du bin ich schon lange in Frieden damit.
    Dein Text ist gerade ein Anlass ihm mal wieder in Liebe zu gedenken.
    Und auch unseren inneren Prägungen und Verletzungen, die wir dadurch erhalten haben, immer mal wieder, wenn wir sie wahrnehmen, Liebe zu geben.
    Von Herzen
    Marina

    1. Hab Dank für Deinen Kommentar, liebe Marina. Es gibt auch viele gute Dinge, die meinen Vater ausmachte, nur mit seinen Kindern konnte er nicht liebevoll umgehen. Er hat getan, was er konnte. Ich habe ihm verziehen, auch wenn ich seine Taten nicht vergessen kann. Es ging sicher vielen so, wie Dir und mir. Eine Umarmung von mir und liebe Grüße.

      1. O danke für deine Umarmung, liebe Gisela,
        die nehme ich gerne an und erwidere sie mit Freude.
        Manchmal kann eine Geste, wie umarmen oder Hand halten so viel geben…
        Ja… einen großen Strahl an Frieden, Verstehen, Liebe und Licht an alle, die gelitten haben und leiden – sei es in der Opfer- oder Täterrolle.
        Von Herzen alles Liebe
        Marina 🙂 <3

        1. Sind wir Geißel oder Meißel? Wir können wählen, was wir sein wollen. Unser Los auf Erden ist Werkzeug zu sein. Oft fehlt uns die rechte Wahl.
          Alles Liebe auch für Dich und Gottes Segen.

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