Meinem Sohn

Mein Sohn auf meinem Arm im Dezember 1981


Wie gerne würd’ ich dich beschützen,
dich weiter tragen durch dein Leben,
doch würde es dir wirklich nützen,
könnt’ ich dir ständig Hilfe geben?

Du drehtest aufstieglos im Kreise,
weil du nicht wächst und nicht veränderst,
und deine wohl bequemen Gleise
nicht in die richt’ge Richtung wendest.

Kein Ehrgeiz drängt dich, keine Kraft,
die dir die Stärke gibt zum Handeln;
doch nur dein eigner Wille schafft
den Aufstieg, wird dein Schicksal wandeln.

Ich wünsch’ dir Glück und Gottes Segen,
für alle Schritte, die du gehst.
Fang’ endlich an zu überlegen,
wie du dein eig’nes Leben lebst!

Dieses Gedicht habe ich geschrieben, als mein Sohn ca. 20 Jahre alt war.
Er entzog sich gerne der deutschen Ordnung. Das war nicht sein Naturell. In einer Welt des ständigen Drucks wollte und konnte er nicht leben. Er war hochsensibel, nahm immer Rücksicht auf andere, und als er Ende 2019 mit
37 Jahren starb, ging er auf ‚seine‘ Ebene zurück.

Als ich Ende des letzten Jahres im Krankenhaus war, träumte ich von ihm
und dieser Ebene zum Jahreswechsel. Ich hatte noch nie einen Traum, in dem
alles eine schwarze Färbung hatte. Jede Straße, jedes Haus, ja sogar der Himmel
waren schwarz. Ich kam an ein großes, offenes Tor. Dahinter existierte mein Sohn.

Er trug schwarzes Leder als Mantel, Hose und Hemd. Um ihn herum waren große Blütengesichter, ebenfalls schwarz, die sich öffneten und dann wieder
verschwanden. Es gab dort viele Tiere. Mein Sohn war allen bekannt und
guter Dinge. Ich sah, wie er mit einem schwarzen Panther spielte. Den hatte
er sich zu Lebzeiten immer gewünscht.

Dann erschien eine Art Spielbrett. Darauf sah ich zum ersten Mal in diesem Traum eine farbige Position, als kleine Filmeinlage: Eine Frau, die damit beschäftigt war, Ordnung in ihren Unterlagen zu schaffen. War ich diese Frau? Plötzlich zerplatzte das Bild und mir wurde bewusst, dass Ordnung eine Lernaufgabe für meinen Sohn gewesen ist.

Auf seiner Ebene brauchte er das nicht mehr. Alles war für ihn gut.
Dann verabschiedete er sich von mir, und wir standen noch lange am Tor und
umarmten uns. Es gab einen Abschiedskuss, und ich ging den schwarzen Weg
entlang, zurück in meine Welt, wo ich erwachte.

Dieser Traum hat mir sehr gut getan, weil ich weiß, dass es meinem Sohn an
nichts fehlt. Meine Liebe hat er gewiss!

Autor: Gisela

Bitte auf meiner Seite "Über mich" nachlesen.

18 Gedanken zu „Meinem Sohn“

  1. Liebe Gisela, das ist sehr bewegend und wie gut, dass von dem Traum ein Frieden ausging. Den Anderen beschützt und glücklich zu wissen, ist ja das Allerwichtigste. Und die Bande der Liebe sind stark und weben weiter 💛

  2. … immer tief im gebet verbunden liebe gisela …
    danke für alle deine worte.
    du machst mut, mit unseren träumen
    mitzugehen um anders zurückzukehren
    ich empfinde dankbar und friedlich.
    herzliche grüße

    1. Vielen Dank, liebe Marie. Ich denke, ich offenbare in jedem meiner Gedichte mein Innerstes und freue mich über die Leser.
      Herzliche Grüße, Gisela

  3. Lichtvolle und zutiefst mifühlende Grüße für dich, liebe Gisela…
    mit einem ganz großen DANK an dich, dass du dieses, dein so persönliches Erlebnis, hier mit uns allen teilst…
    Mein Innerstes ist durch deine Worte zutiefst berührt…
    In liebevoller Verbundenheit
    Elke

    1. Vielen Dank, liebe Elke. Mein Traum hilft mir immer, besonders wenn die Trauer zu groß ist.
      Mein Sohn sagte immer: „Es geht immer weiter. Was verbunden war, findet wieder zueinander.“
      So Gott will, wird das geschehen.
      Ganz liebe Grüße zurück. 🙏

        1. Ich denke an vieles, das meinen Jungen betraf. Aber, es gibt Tage, da bin ich besonders traurig. Da helfen mir seine Worte und der Traum. Dann ist alles gut. LG

  4. Liebe Gisela, ich finde den Text ebenfalls sehr berührend, vor allem auch Deinen Traum. Es ist schön, dass er Dir gut getan hat. Loslassen ist äusserst schwierig, dass habe ich inzwischen ebenfalls erfahren. Alles Liebe, Elisa

  5. Nun hast du mich eiskalt erwischt 🙈🙉🙊 ….bei mir rattert es nur so im Kopf aber letztendlich weiß ich nicht was ich hier schreiben kann, obwohl ich möchte !?!?!?
    LG

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