Und manchmal…

Tranquillo Cremona (1837 – 1878)

Und manchmal ist er noch da.
Dann füllt sich die Traumwelt mit Licht.
Obwohl schon so fern… doch so nah.
Und manchmal seh’ ich sein Gesicht.
 
Ich seh’ seine Lippen, so stumm,
und Hände, die greifen nach mir –
fühl’ seine Gedanken. Nur dumpf
dringt’s durch die verschlossene Tür.
 
Wie ein Reim, der harmonisch sich schließt…
War verbunden im Gleichklang mit ihm.
Wenn Moll Melodien durchfließt,
halte ich still sein Requiem.
 
Kein Gefühl dieser Welt füllt mein Herz,
kein Vers reimt sich wieder auf ihn.
Aus Harmonie wurde Trauer und Schmerz,
Erinnerung bleibt! – Wo der Sinn?

Meinem Sohn

Mein Sohn auf meinem Arm im Dezember 1981


Wie gerne würd’ ich dich beschützen,
dich weiter tragen durch dein Leben,
doch würde es dir wirklich nützen,
könnt’ ich dir ständig Hilfe geben?

Du drehtest aufstieglos im Kreise,
weil du nicht wächst und nicht veränderst,
und deine wohl bequemen Gleise
nicht in die richt’ge Richtung wendest.

Kein Ehrgeiz drängt dich, keine Kraft,
die dir die Stärke gibt zum Handeln;
doch nur dein eigner Wille schafft
den Aufstieg, wird dein Schicksal wandeln.

Ich wünsch’ dir Glück und Gottes Segen,
für alle Schritte, die du gehst.
Fang’ endlich an zu überlegen,
wie du dein eig’nes Leben lebst!

Dieses Gedicht habe ich geschrieben, als mein Sohn ca. 20 Jahre alt war.
Er entzog sich gerne der deutschen Ordnung. Das war nicht sein Naturell. In einer Welt des ständigen Drucks wollte und konnte er nicht leben. Er war hochsensibel, nahm immer Rücksicht auf andere, und als er Ende 2019 mit
37 Jahren starb, ging er auf ‚seine‘ Ebene zurück.

Als ich Ende des letzten Jahres im Krankenhaus war, träumte ich von ihm
und dieser Ebene zum Jahreswechsel. Ich hatte noch nie einen Traum, in dem
alles eine schwarze Färbung hatte. Jede Straße, jedes Haus, ja sogar der Himmel
waren schwarz. Ich kam an ein großes, offenes Tor. Dahinter existierte mein Sohn.

Er trug schwarzes Leder als Mantel, Hose und Hemd. Um ihn herum waren große Blütengesichter, ebenfalls schwarz, die sich öffneten und dann wieder
verschwanden. Es gab dort viele Tiere. Mein Sohn war allen bekannt und
guter Dinge. Ich sah, wie er mit einem schwarzen Panther spielte. Den hatte
er sich zu Lebzeiten immer gewünscht.

Dann erschien eine Art Spielbrett. Darauf sah ich zum ersten Mal in diesem Traum eine farbige Position, als kleine Filmeinlage: Eine Frau, die damit beschäftigt war, Ordnung in ihren Unterlagen zu schaffen. War ich diese Frau? Plötzlich zerplatzte das Bild und mir wurde bewusst, dass Ordnung eine Lernaufgabe für meinen Sohn gewesen ist.

Auf seiner Ebene brauchte er das nicht mehr. Alles war für ihn gut.
Dann verabschiedete er sich von mir, und wir standen noch lange am Tor und
umarmten uns. Es gab einen Abschiedskuss, und ich ging den schwarzen Weg
entlang, zurück in meine Welt, wo ich erwachte.

Dieser Traum hat mir sehr gut getan, weil ich weiß, dass es meinem Sohn an
nichts fehlt. Meine Liebe hat er gewiss!

Seelenleuchten

The Kiss – Silvio Allason (1845-1912)

Es war im Blicke seiner Augen,
ein Funken von Verbundenheit;
an wahre Liebe wollt‘ ich glauben,
an Feuer in der Dunkelheit.

Da war ein Leuchten unsrer Seelen,
etwas ergriff mein ganzes Herz,
es schien vom Boden mich zu heben
und gleichsam zog es voller Schmerz.

Es waren kurze Glücksmomente,
ein Losgelöst sein von der Zeit.
Des Glücks Sekunden sind zu Ende,
Erinnerung beschwert mein Herz.

Wieder ist Frühling! Aufgewühlt,
geht weit zurück ein altes Hoffen.
Nie wieder hab ich so gefühlt!
Kein Herz schien mir so nah und offen.