Dornen

John William Waterhouse (1949-1917)

So wie des Pflückers Zoll die blut’gen Hände,
wenn er die stolze Rose bricht,
so ist der Trennungsschmerz am Ende
des Lebens auf dem Weg ins Licht.
 
Dann bist so schmerzlich du umfangen,
fühlst dich alleine ohne Sinn,
hältst zur bereits geschlag’nen Wange
dem Schicksal noch die andre hin.
 
Du klammerst dich an die Sekunden,
am Ende bricht dein letzter Blick,
und hast du Traurigkeit empfunden,
tauchst du nun ein in lichtes Glück.
 
Musstest im Kampfe unterliegen,
als Sieger trittst du nun hervor,
gekränzt mit dornenlosem Frieden,
der Rosen dort am Himmelstor.

Dornenlose Rosen

Helmut Skarbina (1888 – 1945)

Engel der Weihnacht,
lassen Harmonie vom lichten Himmel rieseln,
mit Schneeglanz in den weißen Flügeln.

Aus unbekanntem Land der Leidenslosen
weben sie Rosen ins Erdenkleid,
so mancher Dorn wird Menschen Leid.

Doch jedes Leid schwingt höher, reiner –
im Weltendunkel sehn sie’s nicht,
und wo der Mond die Schatten flicht,
sind sie längst dazu ausersehen,
einmal im Blütenschmuck zu gehen.

Die Güte Gottes schenkt am jüngsten Tag
ein dornenloses Kleid zurück,
dem Leid entwachs’ne Himmelsrosen
gehoben in das Land der Leidenslosen.