Ruhezeit

Nils Hans Christiansen 1850 – 1922
Wenn schwarze Wolkenschatten ziehn,
so dunkel schwer, als würd der Himmel fallen,
dann scheint sie leer, die Stätte unter ihm,
es ruht die Welt und Ruhe ist in allem.

Über den hohen Bäumen kreisen Raben,
auf kargen Böden lugen sie nach Bissen;
die Welt scheint an sich selbst zu darben,
verliert an Fortschritt, ohne es zu wissen.

Sie gleitet hin auf rutschigem Gefilde
und niemand hilft ihr wieder aufzustehen.
Die Menschheit scheint ein sterbendes Gebilde,
das sanft verblutet nach dem Untergehen.

Der fahle Mond scheint durch die Zweige,
aus den Kaminen steigt der kalte Rauch;
bald geht das Feuer aus, der Mensch zur Neige,
und frostig treibt der Tod den Winter aus.

Reifezeit

John Atkinson Grimshaw (1836 -1893)
Graue Welt, nach langersehntem Regen
sind die Farben dir im Nass verwaschen,
und der sehnsuchtsvoll erbet‘ne Segen
legt sich über Land und Menschenmassen.

In den Pfützen springen Regentropfen;
gegen gelbe Wipfel stößt der Wind,
hinter Wolken liegt der Himmel offen,
Fensterscheiben sind beschlagen, blind. 

Nuancenreich und gelblich überhaucht
scheinen herbstlich alle Pfade hier,
wo der Weg im Nebel untertaucht,
zeigt das Tor zur großen Rast sich mir.

Abgeerntet geht die Welt in Ruhezeit, 
beendet aller Früchte Reifefrist.
Trägt ein Bild von Makellosigkeit,
die Geist der ewig jungen Zukunft ist. 

Herbstblätter

Sybille von Olfers (1881-1916) – Windchen

Wenn das Laubwerk fällt,
ist so kühl die Welt.

Wie ein letztes Scheiden,
ist das bunte Treiben,

pendeln sich im Schwingen
hin zum Neubeginnen,

Blatt für Blatt im Wind.

Ewig neues Leben,
ist der Schöpfung Streben.

Geben, wie die Bäume,
tragen Frühlingsträume,

Ruhezeit und Frieden,
sei dem Mensch beschieden,

dem der Herbst beginnt.