Fremder im Spiegel

Christoffer Wilhelm Eckersberg (1783-1853) –
Collage Pinterest
Jugend vergeht, mit ihr geh‘n Zukunftspläne,
man reist ins Leben und verändert sich,
und die Verluste fordern manche Träne,
weil auf dem Weg sich Licht und Schatten bricht.

Vor anderen zeigt man stolz Besitz und Status,
doch manchmal wiegt er schwer wie Blei und fällt.
Leben wird einsam, Weg von Pontius zu Pilatus,
wenn Geld zum dürft’gen Überleben fehlt.  

Auf Sand gebaut, was auf Materie gründet,
bestandlos wird es sein, hält kurze Zeit.
Was man in den Gesichtern wiederfindet,
ist Hülle, Schale, nicht die Wirklichkeit.

Wir schauen in Spiegel und erkennen nicht,
dass wir das eigene Ich nicht fanden.
Ein fremder Schatten liegt auf dem Gesicht;
sich selbst zu finden, ist uns schier entgangen. 

Das Spiegelbild

The Mirrow – Sir Frank Francis Bernard Dicksee (1853-1928)

Oh, du Ergraute,
wie fremd wird mir dein Bild,
das Altvertraute,
und wie erscheint es mir so unbekannt?

Wo gestern noch der späte Sommer
wob mein Lebensband,
dort spüre ich den Herbst nun leise schleichen
und meinem unbeschwerten Ausseh’n
mussten Falten weichen.

Noch gestern blickte ich in junge Augen,
doch heute schau’n sie müde, voller Sorgen,
spür’ ich die Zeit an meinen Lebenskräften saugen,
frag’ ich dich Spiegel, was zeigst du
mir morgen?