Nach einiger Zeit stellte sich heraus, dass ‚die Dame‘ den wohlklingenden Vornamen Regina Maria hatte. (hier R. M.) Ob das ein Täuschung war oder echt? So stand sie jedenfalls im Telefonbuch. Jemand der solch einen Namen hat, kann ja nur gut sein, oder? War wie ein Ablenkungsmanöver, eine Art Werbeträger.
R. M. besaß Macht über Personen, manipulierte sie, und bestach uns alle zunächst durch ihren Charme und ihre Befähigungen. Was sie tat, bannte uns magisch. Man fragte sich immer wieder, wie sie das machte.
Es war kurz nach unserer ersten Begegnung in der Praxis der Heilpraktikerin, als ich eines nachmittags zum Kaffee bei mir zu Hause einlud. Der Einladung folgten R. M., die Heilpraktikerin, ebenso eine auf dem esoterischen Sektor bewanderten Sozialarbeiterin, dann die Hinweisgeberin auf die Heilpraktiker-Praxis, I. und eine Pädagogin aus der Kölner Gegend, die ich über I. kannte.
Sozialarbeiterin und R. M. waren sich von Anfang an spinnefeind. Die ansonsten eher quirlige und redelustige Sozialarbeiterin, die immer einen Meter über den Boden zu schweben schien, schwieg in deren Gegenwart, brach unser Treffen nach kurzer Zeit ab und verließ unzufrieden die Wohnung, weil sie in dieser Gesellschaft nicht Mittelpunkt war.
Den hatte R. M. bereits in kurzer Zeit eingenommen. Ihr Aussehen war ungewöhnlich: zierlich, hochgestecktes Haar, schwarze Kleidung, Tüll Rock mit Spitzenbluse, dazu schwarze Strumpfhosen und außergewöhnlich derbes Schuhwerk, das heute sicherlich modern wäre. Später sagte sie mir, sie habe einen Klumpfuß, den sie durch diese Schuhe versteckte. Der Teufel mit dem Klumpfuß? Unwillkürlich denke ich im Nachhinein daran.
Damals jedenfalls waren wir fasziniert. Bei diesem Besuch hatte sie mir als Gastgeschenk eine Schiller-Biografie mitgebracht, ein kleines Büchlein vom Rowohlt-Verlag. Darüber wunderte ich mich sehr, weil mich die Klassiker nie interessiert haben. Das Buch kam durchgeblättert und ungelesen ins Regal.
Während des Kaffeetrinkens folgte ihr I., nach Aufforderung, einige Male ins Wohnzimmer. R. M. hatte angeblich Kontakt mit dem verstorbenen Mann und wollte ihr den übermitteln.
Das beängstigte mich nicht. I. kam jedes Mal mit rot angelaufenem Gesicht zur Kaffeetafel zurück.
Später waren wir alleine. Die Heilpraktikerin war nach Hause gefahren. Dann redete R. M. intensiv mit mir und den anderen. Sie erklärte mir, weshalb sie mir das Buch über Schiller geschenkt hatte.
Zunächst würde ich Gedichte schreiben. Viele Seelen im astralen Bereich würden darauf warten, durch mich schreiben zu können. Ich sei sozusagen ‚empfangsbereit‘.
Danach würde ich eine Biografie über Friedrich Schiller schreiben, was ich damals völlig ausschloss. R. M. sagte mir, ich würde noch bis ins hohe Alter schreiben und sah mich als alte Frau an meinem Schreibtisch sitzen. Ich soll doch schon mal ein Bücherregal leer räumen.
Die Pädagogin war ein besonderer Fall. Sie mochte keine Kinder, obwohl sie Lehrerin war. R. M. ‚sah‘, dass sie in ihrem Vorleben Nonne gewesen ist. Tatsache war: Die Lehrerin zog es mindestens ein Mal am Tag in die katholische Kirche. Dort saß sie dann stundenlang und betete.
I. sollte sich von ihrem verstorbenen Mann lösen. Sie hatte als reiche Witwe sehr viele Gemälde und teure Gegenstände, die früher ihrem Mann gehörten. R. M. überredete sie, diese Gegenstände an sie herauszugeben, um die Wohnung zu reinigen, was I. auch tat.
Jedes Mal, wenn I. in die Stadt fuhr, kaufte sie ein Geschenk für R. M. Das war wie ein Zwang, der mich anfangs genauso traf. Zwar kaufte ich nichts, schenkte ihr aber zwei in Filethäkelei gefertigte Handschuhpaare aus den 20er Jahren.
R. M. sagte einmal: „Du bist nicht reich. Ich habe bei dir reingesehen.“
Sie konnte immer überall ‚reinsehen‘. Deshalb war sie solo, denn sie wusste im Voraus, was ihr Partner tun würde. Geschenke, die man ihr machen wollte, konnte sie ‚sehen‘. Ihr blieb nichts verborgen!
Sie besaß die Fähigkeit, die Zukunft vorauszusagen. Sie sprach dann durch den ‚göttlichen Kanal‘. Sie schien Werkzeug des Kanals zu sein, der sie verband. Von diesem wurde sie geschult, wie sie sagte, und war dann tagelang telefonisch nicht erreichbar. Dann war die Telefonleitung gestört und man hörte nur ein Knacken und Knistern.
Mir sagte sie eine neue Liebe voraus. Den Mann sollte ich 2006 kennenlernen. Diese Verbindung würde bis ans Lebensende halten. Sie sah das an zwei Ringen.
Natürlich sollte sie recht haben. Es kam so, wie sie es sah. Dieser Mann sollte mein letzter sein. Gut ist, es bedrückt mich heute nicht mehr. Er war im Leben nicht für mich bestimmt, war jedoch eine Art Muse, die mir zu schreiben half, nachdem er fort war.
Was sonst noch mit R. M. geschah, Silvester 2002 in der Wohnung von I., erzähle ich ein anderes Mal.