Auf der Heide blühn die letzten Rosen

Auf der Heide blüh’n die letzten Rosen;
braune Blätter fallen müd vom Baum,

und der Herbstwind küsst die Herbstzeitlosen;
mit dem Sommer flieht manch Jugendtraum.

Möcht einmal noch wie damals kosen,
möcht‘ vom Frühling träumen und vom Glück.

Auf der Heide blüh’n die letzten Rosen,
doch die Jugendzeit kehrt nie zurück.

Versunken ist die Frühlingszeit,
kein Vogel singt im Lindenhain;
die Welt verliert ihr Blütenkleid
und bald wird Winter sein.
Verlassen ist der Holderstrauch,
an dem ich einst geküsst.
Es blieb ein Duft, der wie ein Hauch,
aus fernen Tagen ist.

Auf der Heide blüh’n die letzten Rosen,
braune Blätter fallen müd vom Baum,

und der Herbstwind küsst die Herbstzeitlosen;
mit dem Sommer flieht manch Jugendtraum.

Möcht einmal noch wie damals kosen,
möcht‘ vom Frühling träumen und vom Glück.

Auf der Heide blüh’n die letzten Rosen –
ach, die Jugendzeit kehrt nie zurück.
Holde Jugend, holde Jugend –
kämst du einmal doch zu mir zurück.

Text (1935): Bruno Balz 1902-1988

interpretiert von Herbert Ernst Groh

Herbstlied

von Hans Eckardt Wenzel und Band

Text:

Feinslieb, nun ist es Blätterbraun
Schon wieder in den Spitzen
Wann wir unterm Kastanienbaum
Am Abend fröstelnd sitzen
Das Jahr geht fort mit schwerer Fracht
Es bindet sich die Schuh‘
Ich bin so traurig heute Nacht –
Und du, du lachst dazu!

Feinslieb, die schwarze Jacke hängt
Die Schultern ab mir wieder
Wann schon so früh das Dunkel fängt
Uns und die Kält‘ die Glieder
In deinen Augen glimmt noch leis‘
Der Sommer voller Ruh‘
Ich wein‘, weil ich nicht weiter weiß –
Und du, du lachst dazu!

Feinslieb, das war es also schon
Der Sommer ist vertrieben
Die Vögel sind auf und davon
Und wir sind hier geblieben
Fremd zieh‘ ich ein, fremd zieh‘ ich aus
Ich weiß nicht, was ich tu‘!
Heut‘ Nacht, verwelkt ist mein Zuhaus‘ –
Und du, du lachst dazu!

Feinslieb, komm stirb mit mir ein Stück
Sieh, müd‘ die Blätter schunkeln
Wir dreh’n das Jahr doch nicht zurück
Und seh’n uns nicht im Dunkeln!
Lass in dem Kommen, Bleiben, Geh’n
Zertanzen uns die Schuh‘
Ich will noch soviel Himmel seh’n –
Und du, du lachst dazu!

Jahreszeiten eines Lebens

von Reinhard Mey

Ich mag die beiden gern am Dahlienbeet, in ihrem Garten,
im herbstlichen Nachmittagslicht die Blumen hegen seh’n.
Wie sie bedächtig arbeitend die Dämmerung erwarten,
die Schürze überm Arm, wenn’s kühl wird, in die Stube geh’n.
Bald dringt ein Lichtschein durch die Zweige, die im Herbstwind schwanken,
so friedlich, wie ein Erntefeuer, in der Nacht hinaus.
Ich ahn‘ sie beieinander sitzen, seh‘ sie in Gedanken,
die beiden alten Leute in dem stillen Haus.

Die Jahreszeiten eines Lebens haben die zwei vorübergehen seh’n,
die Zeit zu säen, die Zeit zu ernten,
ohne die Zeit, sich auch nur einmal umzudreh’n.

Die Zeit hat ihre Schritte nun langsamer werden lassen,
und ihre Gesten zögernd, beinah‘ unsicher und schwach.
Wenn sie einander stützen und sich helfend unterfassen;
ihr Gang mag müd‘ geworden sein, ihr Blick ist doch hellwach
und immer voller Zärtlichkeit für einander geblieben,
und mehr denn je ein Weg, einander wortlos zu versteh’n.
Ich glaub‘, die Zeit lässt Menschen, die einander so lang‘ lieben,
so ähnlich fühlen, dass sie sich einander ähnlich seh’n.

Die Jahreszeiten eines Lebens haben die beiden zusammen erlebt;
so haben sich längst die Schicksalsfäden
der beiden zu einem einzigen Band verwebt.

Es sind die Sorgen und die Freuden vergangener Jahre.
Geschichten, die man in ihren Gesichtern lesen kann.
Manch‘ Kummer und manch‘ Ärger sorgten für die weißen Haare,
und ganz gewiss hatten wir Kinder unsren Teil daran.
Die Kinder sind nun auch schon lange aus dem Haus gegangen,
haben mit ihren Kindern alle Hände voll zu tun.
Die beiden steh’n allein, so hat es einmal angefangen.
Hier hat ihr Leben sich erfüllt, hier schließt der Kreis sich nun.

Die Jahreszeiten eines Lebens sah’n manchen Wunsch in Erfüllung geh’n
Nun bleibt der sehnlichste von allen:
Die Zeit des Rauhreifs miteinander noch zu seh’n.

Hair / Frank Mills

Die Flower-Power Zeit ging vorbei, jedoch sind mir einige alte Hippie-Songs unvergesslich geblieben. So auch das Musical „Hair“ mit dem wohl bekanntesten Hit– „Aquarius/Let the Sunshine In“ von The 5th Dimension.

Kaum zu glauben, auch ich war damals jung und naiv, gerade mal 23 Jahre alt.

Foto privat 1976

Life gesungen von Esther Ofarim (1969), die ich damals sehr verehrt habe.
Der einzige Songtext, den ich heute noch laut mitsingen kann:

Originaltext:
 
I met a boy called Frank Mills
On September twelfth right here
In front of the Waverly* but unfortunately
I lost his address
 
He was last seen with his friend
A drummer, he resembles George Harrison of the Beatles
But he wears his hair
Tied in a small bow at the back
 
I love him but it embarrasses me
To walk down the street with him
He lives in Brooklyn somewhere
And wears this white crash helmet
 
He has golden chains on his leather jacket
And on the back are written the names
‚Mary and Mom
And Hell’s Angels‘
 
I would gratefully appreciate it
If you see him, tell him
I’m in the park with my girlfriend
And please
 
Tell him Angela and I
Don’t want the two dollars back
Just him
Übersetzung:
 
Ich traf einen Jungen namens Frank Mills
Am zwölften September genau hier
Vor dem Waverly*, aber leider
habe ich seine Adresse verloren
 
Er wurde zuletzt mit seinem Freund gesehen
Ein Schlagzeuger, er ähnelt George Harrison von den Beatles
Aber er trägt sein Haar
hinten zu einer kleinen Schleife gebunden.
 
Ich liebe ihn, aber es ist mir peinlich
Mit ihm die Straße entlang zu gehen
Er lebt irgendwo in Brooklyn
Und trägt diesen weißen Sturzhelm
 
Er hat goldene Ketten an seiner Lederjacke
Und auf dem Rücken sind die Namen geschrieben
‚Mary und Mom
Und Hell’s Angels‘
 
Ich wäre sehr dankbar dafür
Wenn Sie ihn sehen, sagen Sie ihm
ich bin im Park mit meiner Freundin
Und bitte
 
Sag ihm, Angela und ich
Wollen die zwei Dollar nicht zurück
Nur ihn
*Waverly Inn, Restaurant im West Village, New York

Meeresleuchten

von Friedrich Hebbel

William Adolphe Bouguereau (1825-1905)
Aus des Meeres dunklen Tiefen
stieg die Venus still empor
als die Nachtigallen riefen
in dem Hain, den sie erkor.

Und zum Spiegel, voll Verlangen,
glätteten die Wogen sich,
um ihr Bild noch aufzufangen,
da sie selbst auf ewig wich.

Lächelnd gönnte sie dem feuchten,
Element den letzten Blick,
davon blieb dem Meer ein Leuchten
bis auf diesen Tag zurück.
Friedrich Hebbel (1813-1863)

I am – Ich bin

von John Clare

John Clare (1793-1864)

Ich bin! doch was ich bin, wer kümmert sich darum, oder weiß es?
Meine Freunde lassen mich im Stich, wie eine verlorene Erinnerung.
Ich bin der Selbstverzehrer meines Leids.
Sie steigen auf und verschwinden, eine vergessene Schar,
Schatten des Lebens, deren Seele verloren ist.
Und doch bin ich – ich lebe – obwohl ich hin und her geworfen werde.

In das Nichts der Verachtung und des Lärms,
in das lebendige Meer des wachen Traums,
wo es weder Sinn des Lebens noch Freuden gibt,
sondern der große Schiffbruch der eigenen Wertschätzung
und alles, was mir lieb ist. Selbst die, die ich am meisten liebte
sind mir fremd – ja, sie sind mir noch fremder als die andern.

Ich sehne mich nach Szenen, die der Mensch nie betreten hat,
wo die Frau noch nie lächelte oder weinte –
um dort bei meinem Schöpfer, Gott, zu verweilen,
und zu schlafen, wie ich in der Kindheit süß schlief,
voller hoher Gedanken, ungeboren. So lasst mich liegen,
auf dem Gras, über mir der gewölbte Himmel.

Wieder ein Fall von Dichtung und Wahnsinn wie bei Hölderlin. Auch ihm war die radikale Freiheit zur Selbstbestimmung nicht nur eine Chance, sondern auch eine Last geworden. s. dazu Wikipedia: John Clare

Ich glaube daran, dass der menschliche Geist auf einer anderen Ebene existiert und auf Abruf in diese Welt hineingeboren wird, entweder um zu lernen oder anderen Menschen zu helfen. Wir müssen uns nach der Geburt entwickeln und selbst entscheiden, wer wir sein wollen und welchen Sinn wir unserem Leben geben. Das ist ein langer Prozess.

Zu dem Gedicht „I am“. Es ist schwer englische Ur-Fassungen in deutsche Verse zu übersetzen. Hier ist es zwar gelungen, doch in reimfreier Lyrik gefällt mir das Gedicht besser. Es klingt sanfter, und dann wird es meinem ähnlich im Klang. Den Sinn des Textes kann ich sehr gut nachempfinden.

In John Clare verbarg sich ein gewisses Dunkelsein, wie auch in Rilke. Damit vergleichen mag ich mich nicht. Ich kann nur sagen, dass meine Lyrik teilweise aus genau diesem Zustand entsteht. Die dunklen Erfahrungen der Vergangenheit führen hinaus aus der Oberflächlichkeit in die Freiheit der Worte.

Originaltext:

I am

I am! yet what I am who cares, or knows?
My friends forsake me, like a memory lost.
I am the self-consumer of my woes,
They rise and vanish, an oblivious host,
Shadows of life, whose very soul is lost.
And yet I am — I live — though I am toss’d.

Into the nothingness of scorn and noise,
Into the living sea of waking dream,
Where there is neither sense of life, nor joys,
But the huge shipwreck of my own esteem
And all that’s dear. Even those I loved the best
Are strange — nay, they are stranger than the rest.

I long for scenes where man has never trod —
For scenes where woman never smiled or wept —
There to abide with my Creator, God,
And sleep as I in childhood sweetly slept,
Full of high thoughts, unborn. So let me lie,
The grass below; above, the vaulted sky.

Gereimt ins Deutsche übersetzt: (Prof. Manfred Pfister)

Ich bin

Ich bin! Doch was ich bin - mag's keiner wissen?
Im Stich gelassen und gefallen aus der Zeit,
verzehr ich mich in meinen Kümmernissen,
die nah'n und geh'n in Selbstverlorenheit,
Schatten des Daseins, einem seelenlosen,
und doch bin ich und leb', wenngleich verstoßen

ins Nichts aus Lärm und Hohn und Bitterkeit
ins aufgewühlte Meer des wachen Traums,
wo kein Gefühl mehr ist und keine Freud,
nur noch das Wrack des alten Selbstvertrau'ns
und allem, was mir lieb. Selbst die, die mir am nächsten standen,
sind fremd mir - ja - sind fremder als die andern.

Ich sehn' nach Orten mich, wo nie ein Mensch je ging,
wo niemals eine Frau geweint, gelacht,
um dort zu sein bei Gott, dem Schöpfer aller Ding,
zu schlafen wie als Kind ich schlief in sichrer Nacht,
voll guten Sinns, in Mutters Schoß. Lasst mir die Ruh,
das Gras - mein Bett, der Himmel deckt mich zu.



Morgenphantasie

von Friedrich von Schiller

Frisch atmet des Morgens lebendiger Hauch,
purpurisch zuckt durch düstre Tannenritzen
das junge Licht und äugelt aus dem Strauch,
in goldnen Flammen blitzen
der Berge Wolkenspitzen,
mit freudig melodisch gewirbeltem Lied
begrüßen erwachende Lerchen die Sonne,
die schon in lachender Wonne
jugendlich schön in Auroras Umarmungen glüht.

Sei, Licht, mir gesegnet!
Dein Strahlenguß regnet
erwärmend hernieder auf Anger und Au.
Wie silberfarb flittern
die Wiesen, wie zittern
tausend Sonnen im perlenden Tau!
In säuselnder Kühle
beginnen die Spiele
der jungen Natur,
die Zephire kosen
und schmeicheln um Rosen,
und Düfte beströmen die lachende Flur.

Wie hoch aus den Städten die Rauchwolken dampfen,
laut wiehern und schnauben und knirschen und stampfen
die Rosse, die Farren,
die Wagen erknarren
ins ächzende Tal.
Die Waldungen leben
und Adler und Falken und Habichte schweben,
und wiegen die Flügel im blendenden Strahl.

Den Frieden zu finden,
wohin soll ich wenden
am elenden Stab?
Die lachende Erde
mit Jünglingsgebärde
für mich nur ein Grab!

Steig empor, o Morgenrot und röte
mit purpurnem Kusse Hain und Feld.
Säusle nieder, Abendrot und flöte
sanft in Schlummer die erstorbne Welt.
Morgen – ach! du rötest
eine Totenflur.
Ach! und du, o Abendrot, umflötest
meinen langen Schlummer nur.

Friedrich von Schiller (10. November 1759-09. Mai 1805)

Aus meinem autobiografischen Roman: https://www.gottes-bilderbuch.de/gedenken-an-friedrich-von-schiller-zum-todestag-am-09-mai-1805

Der Weiher

von Annette von Droste-Hülshoff

Weiher am Wald – Quelle: Pinterest
Er liegt so still im Morgenlicht,
so friedlich wie ein fromm Gewissen;
wenn Weste seinen Spiegel küssen,
des Ufers Blume fühlt es nicht;
Quelle: Pinterest
Libellen zittern über ihn,
blaugoldne Stäbchen und Karmin,
und auf des Sonnenbildes Glanz
die Wasserspinne führt den Tanz;
Schwertlilienkranz am Ufer steht
und horcht des Schilfes Schlummerliede;
ein lindes Säuseln kommt und geht,
als flüstr' es: Friede! Friede! Friede!
Annette von Droste-Hülshoff (1797-1848)

Der Totentanz

von Johann Wolfgang von Goethe (1813)
    Der Türmer, der schaut zu Mitten der Nacht
hinab auf die Gräber in Lage;
der Mond, der hat alles ins Helle gebracht;
der Kirchhof, er liegt wie am Tage.
Da regt sich ein Grab und ein anderes dann:
Sie kommen hervor, ein Weib da, ein Mann,
in weißen und schleppenden Hemden.

Das reckt nun, es will sich ergetzen sogleich,
die Knöchel zur Runde, zum Kranze,
so arm und so jung, und so alt und so reich;
doch hindern die Schleppen am Tanze.
Und weil hier die Scham nun nicht weiter gebeut,
sie schütteln sich alle, da liegen zerstreut
die Hemdelein über den Hügeln.

Nun hebt sich der Schenkel, nun wackelt das Bein,
Gebärden da gibt es vertrackte;
da klippert’s und klappert’s mitunter hinein,
als schlüg‘ man die Hölzlein zum Takte.
Das kommt nun dem Türmer so lächerlich vor;
da raunt ihm der Schalk, der Versucher, ins Ohr:
Geh! hole dir einen der Laken.

Getan wie gedacht! und er flüchtet sich schnell
nun hinter geheiligte Türen.
Der Mond, und noch immer er scheinet so hell
zum Tanz, den sie schauderlich führen.
Doch endlich verlieret sich dieser und der,
schleicht eins nach dem andern gekleidet einher,
und, husch, ist es unter dem Rasen.

Nur einer, der trippelt und stolpert zuletzt
und tappet und grapst an den Grüften;
doch hat kein Geselle so schwer ihn verletzt,
er wittert das Tuch in den Lüften.
Er rüttelt die Turmtür, sie schlägt ihn zurück,
geziert und gesegnet, dem Türmer zum Glück,
sie blinkt von metallenen Kreuzen.

Das Hemd muß er haben, da rastet er nicht,
da gilt auch kein langes Besinnen,
den gotischen Zierat ergreift nun der Wicht
und klettert von Zinne zu Zinnen.
Nun ist’s um den armen, den Türmer getan!
Es ruckt sich von Schnörkel zu Schnörkel hinan,
langbeinigen Spinnen vergleichbar.

Der Türmer erbleichet, der Türmer erbebt,
gern gäb er ihn wieder, den Laken.
Da häkelt – jetzt hat er am längsten gelebt –
den Zipfel ein eiserner Zacken.
Schon trübet der Mond sich verschwindenden Scheins,
die Glocke, sie donnert ein mächtiges Eins,
und unten zerschellt das Gerippe.
J. W. von Goethe (1749-1832)