Zum Geburtstag von Friedrich von Schiller am 10.11.1759: Dies ist eines meiner Lieblingsgedichte. Die Wahrheit liegt auf dem Weg des Lebens, der ein fortwährendes Lernen ist. Nur dieses Lernen macht den Menschen erst empfänglich für die Wahrheit. Dazu zählt auch die Selbsterkenntnis. Das Gedicht zeigt, dass ein vorschnelles, verbotenes Handeln zu einem kummervollen Leben führen kann.
Ein Jüngling, den des Wissens heißer Durst nach Sais in Ägypten trieb, der Priester geheime Weisheit zu erlernen, hatte schon manchen Grad mit schnellem Geist durcheilt, stets riß ihn seine Forschbegierde weiter, und kaum besänftigte der Hierophant den ungeduldig Strebenden. »Was hab ich, wenn ich nicht alles habe?« sprach der Jüngling.
»Gibts etwa hier ein Weniger und Mehr? Ist deine Wahrheit wie der Sinne Glück nur eine Summe, die man größer, kleiner besitzen kann und immer doch besitzt? Ist sie nicht eine einzge, ungeteilte? Nimm einen Ton aus einer Harmonie, nimm eine Farbe aus dem Regenbogen, und alles, was dir bleibt, ist nichts, solang das schöne All der Töne fehlt und Farben.«
Indem sie einst so sprachen, standen sie in einer einsamen Rotonde still, wo ein verschleiert Bild von Riesengröße dem Jüngling in die Augen fiel. Verwundert blickt er den Führer an und spricht: »Was ists, das hinter diesem Schleier sich verbirgt?« »Die Wahrheit«, ist die Antwort. – »Wie?« ruft jener, »Nach Wahrheit streb ich ja allein, und diese gerade ist es, die man mir verhüllt?«
»Das mache mit der Gottheit aus«, versetzt der Hierophant. »Kein Sterblicher, sagt sie, rückt diesen Schleier, bis ich selbst ihn hebe. Und wer mit ungeweihter, schuldger Hand den heiligen, verbotnen früher hebt, der, spricht die Gottheit« – »Nun?« – »Der sieht die Wahrheit.«
»Ein seltsamer Orakelspruch! Du selbst, Du hättest also niemals ihn gehoben?« »Ich? Wahrlich nicht! Und war auch nie dazu versucht.« – »Das fass ich nicht. Wenn von der Wahrheit nur diese dünne Scheidewand mich trennte –« »Und ein Gesetz«, fällt ihm sein Führer ein. »Gewichtiger, mein Sohn, als du es meinst, Ist dieser dünne Flor – für deine Hand zwar leicht, doch zentnerschwer für dein Gewissen.«
Der Jüngling ging gedankenvoll nach Hause. Ihm raubt des Wissens brennende Begier den Schlaf, er wälzt sich glühend auf dem Lager und rafft sich auf um Mitternacht. Zum Tempel führt unfreiwillig ihn der scheue Tritt. Leicht ward es ihm, die Mauer zu ersteigen, Und mitten in das Innre der Rotonde trägt ein beherzter Sprung den Wagenden.
Hier steht er nun, und grauenvoll umfängt den Einsamen die lebenlose Stille, die nur der Tritte hohler Widerhall In den geheimen Grüften unterbricht. Von oben durch der Kuppel Öffnung wirft Der Mond den bleichen, silberblauen Schein, und furchtbar wie ein gegenwärtger Gott erglänzt durch des Gewölbes Finsternisse In ihrem langen Schleier die Gestalt.
Er tritt hinan mit ungewissem Schritt, Schon will die freche Hand das Heilige berühren, Da zuckt es heiß und kühl durch sein Gebein und stößt ihn weg mit unsichtbarem Arme. Unglücklicher, was willst du tun? So ruft in seinem Innern eine treue Stimme. Versuchen den Allheiligen willst du? Kein Sterblicher, sprach des Orakels Mund, rückt diesen Schleier, bis ich selbst ihn hebe. Doch setzte nicht derselbe Mund hinzu: Wer diesen Schleier hebt, soll Wahrheit schauen? »Sei hinter ihm, was will! Ich heb ihn auf.« (Er rufts mit lauter Stimm.) »Ich will sie schauen.«
Schauen! Gellt ihm ein langes Echo spottend nach. Er sprichts und hat den Schleier aufgedeckt. Nun, fragt ihr, und was zeigte sich ihm hier? Ich weiß es nicht. Besinnungslos und bleich, so fanden ihn am andern Tag die Priester am Fußgestell der Isis ausgestreckt. Was er allda gesehen und erfahren, Hat seine Zunge nie bekannt. Auf ewig war seines Lebens Heiterkeit dahin, ihn riß ein tiefer Gram zum frühen Grabe.
»Weh dem«, dies war sein warnungsvolles Wort, wenn ungestüme Frager in ihn drangen, »Weh dem, der zu der Wahrheit geht durch Schuld, Sie wird ihm nimmermehr erfreulich sein.«
Erklärung:
Sais: Eine antike Stadt in Ägypten (Unterägypten), am Nil gelegen.
Hierophant: Ein Priester, der heilige Gegenstände zeigt.
Rotonde: Eine Rotunde ist ein Gebäude mit einem kreisrunden Grundriss.
Flor: ein dünner Vorhang aus Seide oder Wolle.
Isis: Ist eine Göttin in der ägypt. Mythologie. Sie war die Göttin der Geburt, der Wiedergeburt und der Magie, aber auch Totengöttin.
Melody Max Friedlaender / Dichter unbekannt / Interpreten: Comedian Harmonists
Guter Mond, du gehst so stille durch die Abendwolken hin.
Bist so ruhig und ich fühle, dass ich ohne Ruhe bin.
Traurig folgen meine Blicke deiner stillen, heitern Bahn.
O, wie hart ist das Geschicke, dass ich dir nicht folgen kann.
Guter Mond, du gehst so stille durch die Abendwolken hin.
Deines Schöpfers weiser Wille hieß auf jener Bahn dich ziehn.
Leuchte freundlich jedem Müden in das stille Kämmerlein
und ergieße Ruh und Frieden ins bedrängte Herz hinein.
Guter Mond, dir will ich's sagen, was mein banges Herze kränkt,
und an wen mit bittern Klagen die betrübte Seele denkt!
Guter Mond, du sollst es wissen, weil du so verschwiegen bist,
warum meine Tränen fließen und mein Herz so traurig ist.
Die Urfassung war ein anonymes, volkstümliches Liebeslied mit sieben Strophen, das ab etwa 1800 in mehreren Schriften überliefert ist.
Karl Enslin ist nicht der Autor der Originalfassung, sondern des Andachtslieds von 1851, das drei Strophen umfasst.
Veni, veni, Emmanuel ist eigentlich ein Adventslied, doch aufgrund der neuesten Ereignisse habe ich es heute hier veröffentlicht.
Text bei John Mason Neale, Hymni Ecclesiae, 1851 Sängerin: Loreena McKennitt
Lateinisch / Übersetzung
Veni, veni Emmanuel!
Captivum solve Israel!
Qui gemit in exilio,
Privatus Dei Filio,
Gaude, gaude, Emmanuel
Nascetur pro te, Israel.
Komm, komm, Immanuel!
Befreie das gefangene Israel,
das in der Verbannung wehklagt,
beraubt um Gottes Sohn.
Freue dich, freue dich; Immanuel
wird für dich, Israel, geboren werden.
Veni o Iesse virgula!
Ex hostis tuos ungula,
De specu tuos tartari
Educ, et antro barathri.
Gaude, gaude, Emmanuel
Nascetur pro te, Israel.
Komm, o Spross des Jesse!
Aus des Feindes Klauen
führe die Deinen heraus,
aus der Tiefe der Unterwelt,
aus dem Abgrund der Hölle.
Freue dich …
Veni, veni o oriens!
Solare nos adveniens,
Noctis depelle nebulas,
Dirasque mortis tenebras.
Gaude, gaude, Emmanuel
Nascetur pro te, Israel.
Komm, komm, o Morgenstern!
Tröste uns, indem du kommst.
Vertreibe die Nebel der Nacht
und die schreckliche Finsternis des Todes!
Freue dich …
Veni clavis Davidica!
Regna reclude coelica,
Fac iter tutum superum,
Et claude vias inferum.
Gaude, gaude, Emmanuel
Nascetur pro te, Israel.
Komm, Schlüssel Davids!
Schließe auf die himmlischen Reiche.
Mach sicher den Weg nach oben
und verschließe die Wege nach unten!
Freue dich …
Veni, veni Adonai!
Qui populo in Sinai
Legem dedisti vertice,
In maiestate gloriae.
Gaude, gaude, Emmanuel
Nascetur pro te, Israel.
Komm, komm, Herr!
Deinem Volk gabst du das Gesetz
auf Sinais Gipfel
in erhabener Herrlichkeit.
Freue dich …
Auf der Heide blüh’n die letzten Rosen; braune Blätter fallen müd vom Baum,
und der Herbstwind küsst die Herbstzeitlosen; mit dem Sommer flieht manch Jugendtraum.
Möcht einmal noch wie damals kosen, möcht‘ vom Frühling träumen und vom Glück.
Auf der Heide blüh’n die letzten Rosen, doch die Jugendzeit kehrt nie zurück.
Versunken ist die Frühlingszeit, kein Vogel singt im Lindenhain; die Welt verliert ihr Blütenkleid und bald wird Winter sein. Verlassen ist der Holderstrauch, an dem ich einst geküsst. Es blieb ein Duft, der wie ein Hauch, aus fernen Tagen ist.
Auf der Heide blüh’n die letzten Rosen, braune Blätter fallen müd vom Baum,
und der Herbstwind küsst die Herbstzeitlosen; mit dem Sommer flieht manch Jugendtraum.
Möcht einmal noch wie damals kosen, möcht‘ vom Frühling träumen und vom Glück.
Auf der Heide blüh’n die letzten Rosen – ach, die Jugendzeit kehrt nie zurück. Holde Jugend, holde Jugend – kämst du einmal doch zu mir zurück.
Feinslieb, nun ist es Blätterbraun Schon wieder in den Spitzen Wann wir unterm Kastanienbaum Am Abend fröstelnd sitzen Das Jahr geht fort mit schwerer Fracht Es bindet sich die Schuh‘ Ich bin so traurig heute Nacht – Und du, du lachst dazu!
Feinslieb, die schwarze Jacke hängt Die Schultern ab mir wieder Wann schon so früh das Dunkel fängt Uns und die Kält‘ die Glieder In deinen Augen glimmt noch leis‘ Der Sommer voller Ruh‘ Ich wein‘, weil ich nicht weiter weiß – Und du, du lachst dazu!
Feinslieb, das war es also schon Der Sommer ist vertrieben Die Vögel sind auf und davon Und wir sind hier geblieben Fremd zieh‘ ich ein, fremd zieh‘ ich aus Ich weiß nicht, was ich tu‘! Heut‘ Nacht, verwelkt ist mein Zuhaus‘ – Und du, du lachst dazu!
Feinslieb, komm stirb mit mir ein Stück Sieh, müd‘ die Blätter schunkeln Wir dreh’n das Jahr doch nicht zurück Und seh’n uns nicht im Dunkeln! Lass in dem Kommen, Bleiben, Geh’n Zertanzen uns die Schuh‘ Ich will noch soviel Himmel seh’n – Und du, du lachst dazu!
Eine blaue Stunde an einem grauen Tag
Ja, das ist die Stunde, der ich willkommen sag'
Denn in dieser kleinen blauen Stunde, die so selten ist
Fühlt man sich so glücklich, weil man da in fernen Welten ist
Ja, es gibt im Leben nichts, was ich lieber mag
Als die blaue Stunde an einem grauen Tag
Aus vierundzwanzig Stunden ist der lange Tag gemacht
Aus vierundzwanzig Stunden, inklusive der Nacht
In vierundzwanzig Stunden kann so mancherlei geschehen
In vierundzwanzig Stunden kann's dir gut und schlecht gehen
Von vierundzwanzig Stunden sind meist dreiundzwanzig grau
Und oft scheint eine einz'ge Stunde himmelblau
Ja, in dieser kleinen blauen Stunde, die so selten ist
Fühlt man sich so glücklich, weil man da in fernen Welten ist
Ja, es gibt im Leben nichts, was ich lieber mag
Als die blaue Stunde
Als die blaue Stunde
An einem grauen Tag
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