Höhenluft

Aufstieg – Ferdinand Kofler (1853-1918)
Als Nichtigkeit die Welt zu überwinden,
emporzuschwingen, ständig aufwärtsstreben,
so, wie am Berg, die rechte Einsamkeit zu finden -
bezwungen will er werden, wie das Leben.

Die Höhenluft wie Heilung einzuatmen,
Gelassenheit, die unserem Dasein fehlt;
an schroffem Fels so wie in Trance geraten,
die auch im Aufstieg geistig stählt und hält.

All jene Hemmungen bezwingen,
die Kleinigkeiten, die in Frage stellen;
der Seele Lähmung wieder Kraft zu bringen,
zu hören auf die inneren tiefen Quellen.

Die Flügel öffnen, um hinfortzufliegen,
zum Sternenflug in ew’ge Sphären;
dort an der ‚Brust‘ des Großen Geistes liegen,
um des Geschehens Grund und Sinn zu klären.

Der Aufstieg

Der Aufstieg (2) Ferdinand Hodler (1853-1918)

Erahnen nur könnt ihr, was ihr einst wissen werdet.
Aber wenn zu Wissen geworden ist, was ihr jetzt erahnt,
dann steht eine neue Ahnung auf von Höherem, Herrlicherem und
lockt euch weiter.

So ist die nächste Stufe immer verhüllt und offenbart sich euch erst,
wenn ihr sie errungen habt. Hebt euch empor, und wenn ihr oben steht,
dann reicht die Hände denen, die noch unten sind.

<Ephides>

Der Weg

Ferdinand Hodler 1953-1918 – Der Aufstieg

Es ist der Weg jedes Wesens ein anderer und dennoch der gleiche, denn jedes Wesen ist auf dem Weg und muss die Verwandlungen durchschreiten und aus ihnen lernen und an ihnen reifen.

Ihr wisst nicht, welcher Mensch im Aufstieg begriffen ist, denn Ihr seht ihn auf dem Standpunkt nur, den er jetzt innehat, und wisst nicht, woher er kommt. Ihr nennt den einen hoch, den anderen niedrig, und dennoch kann der, den Ihr auf der Höhe stehen seht, im Abstieg und der, den Ihr niedrig nennt, im Aufstieg begriffen sein.

Seinen Weg muss jeder von dem Standort, auf dem er sich findet, fortsetzen. So ist der, den Ihr auf flachem Felde stehen seht und wegen seines Tiefstandes verachtet, vielleicht eben erst einem Abgrund entstiegen; so gönnt ihm die Rast und das Atemholen auf dem flachen Felde der Alltäglichkeit.

Und wer im Tal sich fand, als das neue Erdenleben ihn zu neuer Bewusstheit und zu neuem Handeln rief, er kann in diesem Leben den nächsten, sacht bergan steigenden Hügel nur erklimmen, nicht mehr. Aber hat er nicht vielleicht mehr damit getan als einer, der am Bergeskamm sich ergeht, den freien, weiten Blick genießend, der Niederungen, in denen andere sich abmühen, nicht achtend und den Weg, der ihm bereitet ist, nicht erkennend, weil sein Blick der Freiheit gewohnt und der Weite schon teilhaftig wurde und die Sehnsucht nach dem nächsten hohen Berg nicht so qualvoll in ihm drängt wie die Sehnsucht, die die Menschen in der Niederung viele vergebliche und falsche Befreiungsversuche machen lässt?

Jede neue errungene Stufe, mag sie dem Höherstehenden auch tief erscheinen, sehen wir mit Freude, und wir stützen jenen, der tief steht, denn alle werden einmal am Ziel stehen.

<Ephides>

Strudel

Edler Schein,
silbriges Fließen.

Licht formt verhärteten Geist,
löst seine Gestalt,
elementar.

Stetig und kreisend
dreht sich der Lauf aller Dinge.
Niemals im Stillstand;
wechselt Formen und Farben.

Strudelt in haltlose Tiefen,
wird aufs Neue geboren,
veredelt zum Aufstieg.

Erlöste Glückseligkeit!