Kastanienbaum in Oberursel – Hans Thoma (1839-1924)
In seinem Garten wandelt er allein; in alle Bäume gräbt er immer wieder gedankenschwer den einz’gen Namen ein, und in dem Namen klagen seine Lieder.
Sanft blaut der Himmel, milde Rosen webt die Sommerzeit durch mächt’ge Blättermassen. Er schaut sie nicht; die Zeit, in der er lebt, ist alt, verblüht, von allen längst verlassen.
Vergangnen Maitag brachte meine Katze zur Welt sechs allerliebste kleine Kätzchen, Maikätzchen, alle weiß mit schwarzen Schwänzchen. Fürwahr, es war ein zierlich Wochenbettchen!
Die Köchin aber, Köchinnen sind grausam, und Menschlichkeit wächst nicht in einer Küche – die wollte von den sechsen fünf ertränken, fünf weiße, schwarzgeschwänzte Maienkätzchen.
Ermorden wollte dies verruchte Weib. Ich half ihr heim! – Der Himmel segne mir meine Menschlichkeit! Die lieben Kätzchen, sie wuchsen auf und schritten binnen kurzem
erhobnen Schwanzes über Hof und Herd; ja, wie die Köchin auch ingrimmig drein sah, sie wuchsen auf, und nachts vor ihrem Fenster probierten sie die allerliebsten Stimmchen.
Ich aber, wie ich sie so wachsen sah, ich preis mich selbst und meine Menschlichkeit. – Ein Jahr ist um, und Katzen sind die Kätzchen, Und Maitag ist’s! – Wie soll ich es beschreiben,
das Schauspiel, das sich jetzt vor mir entfaltet? Mein ganzes Haus, vom Keller bis zum Giebel, ein jeder Winkel ist ein Wochenbettchen! Hier liegt das eine, dort das andre Kätzchen,
In Schränken, Körben, unter Tisch und Treppen, Die Alte gar – nein, es ist unaussprechlich, Liegt in der Köchin jungfräulichem Bette! Und jede, von den sieben Katzen
hat sieben, denkt euch! sieben junge Kätzchen, Maikätzchen, alle weiß mit schwarzem Schwänzchen! Die Köchin rast, ich kann der blinden Wut nicht Schranken setzen dieses Frauenzimmers;
Ersäufen will sie alle neunundvierzig! Mir selber, ach, mir läuft der Kopf davon – O Menschlichkeit, wie soll ich dich bewahren! Was fang ich an mit sechsundfünfzig Katzen!?
Die fremde Stadt durchschritt ich sorgenvoll, Der Kinder denkend, die ich ließ zu Haus. Weihnachten war’s; durch alle Gassen scholl Der Kinderjubel und des Markts Gebraus.
Und wie der Menschenstrom mich fortgespült, Drang mir ein heiser Stimmlein in das Ohr: „Kauft, lieber Herr!“ Ein magres Händchen hielt Feilbietend mir ein ärmlich Spielzeug vor.
Ich schrak empor, und beim Laternenschein Sah ich ein bleiches Kinderangesicht; Wes Alters und Geschlechts es mochte sein, Erkannt ich im Vorübertreiben nicht.
Quelle: Andersen Märchen – Das Mädchen mit den Schwefelhölzern
Nur von dem Treppenstein, darauf es saß, Noch immer hört ich, mühsam, wie es schien: „Kauft, lieber Herr!“ den Ruf ohn Unterlaß; Doch hat wohl keiner ihm Gehör verliehn.
Und ich? – War’s Ungeschick, war es die Scham, Am Weg zu handeln mit dem Bettelkind? Eh meine Hand zu meiner Börse kam, Verscholl das Stimmlein hinter mir im Wind.
Quelle: Andersen Märchen
Doch als ich endlich war mit mir allein, Erfaßte mich die Angst im Herzen so, Als säß mein eigen Kind auf jenem Stein Und schrie nach Brot, indessen ich entfloh.
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