Am Meer

William Adolphe Bouguereau (1825-1905)

Sonnendurchtränkter weißer Strand,
wie lieb ist mir deine Idylle.
Das Meer umspült den flüchtigen Sand,
die Wogen durchbrechen die Stille.

Endlose Wellen in glitzerndem Nass
schimmern wie funkelnde Sterne,
glänzen wie Seide und gläserner Strass,
brechen das Licht in der Ferne.

Muscheln verzieren die feuchte Natur,
Sonne verbrennt letzte Schatten;
Krebse wandern auf Poseidons Spur,
Salzluft liegt auf den Rabatten.

Strahlender Himmel in endlosem Blau,
spiegelt sich tief in den Fluten,
salziger Wind nimmt den Wolken das Grau,
Sonne kühlt ab ihre Gluten.

Aus unsichtbarer Welt

Sir Edward Burne-Jones (1833-1898), Phyllis and Demophoön

Ich möcht‘ aus deiner Seele lesen,
erfühl’n die Göttlichkeit in ihr,

möchte als unerkanntes Wesen,
die Rose sein, vor deiner Tür.

Möchte dich in Gedanken halten,
zum Tanze nah dich wiegend schwingen

und dir die Blume für dein Haar
aus dem verbot’nen Garten bringen;

möchte im Mondschein dich bezaubern,
mit Sternen, die am Himmel tanzen,

dir nur die schönsten aller Rosen
in deine Herzenslaube pflanzen;

möchte dein Narr sein und dein Held,
der treu und schützend dich umgibt,

der dich aus unsichtbarer Welt
bereits seit Ewigkeiten liebt.

Will sanft dich sicher halten,
wenn du zu fallen drohst,

möcht‘ deinen Weg begleiten,
ewig und grenzenlos.

Scheinbilder

Bild: Karin M.

Wenn Gott den Schleier hebt und wir erkennen,
sie stimmt, die lang schon festgehalt’ne Ahnung,
die Zu-fall, Ein-sicht oder Geistesblitz wir nennen,
dann wird das Hinschau‘n uns zur Offenbarung.

Sind wir nur Körper? Erdverlass’ne Kreationen?
Ist unser irdisch Reich nur Schein, nicht Wirklichkeit –
nur Spiegelbild, sich ändernd seit Äonen,
die leere Form von Leben, abgestreiftes Kleid?

Was wir für wesentlich und wichtig halten,
dient der Materie – freier Geist wird Knecht.
Er sitzt im Kerker der Naturgewalten,
gefang’nes Ego, wird sich selbst gerecht.

Die Erden-Geister sind zu Eis erstarrtes Wasser,
in tiefster Unbewusstheit schwingt das Leben.
Ein auf Erlösung festgelegtes Raster,
das danach harrt, zum Ursprung strebend.

Nur bei gefühltem Glück, da bricht die Hülle,
wenn das Bewusstsein durch die Mauern schaut
und Freiheit sieht, den reinen Geist der Fülle,
der fruchtbar wird, wie Eis, wenn Licht es taut.

Buchstabenperlen

Louis Janmot (1814-1892) – Das Gedicht der Seele

Des reinen Geistes Sinn wird offenbar,
webt aus Gedanken edler Verse Reim,

Vokabular, wie gold‘nes Engelshaar,
verflochten mit der tiefen Liebe Keim,

Buchstaben-Perlen, leerer Seiten Zier,
sie reih’n sich Wort an Wort mit Poesie,

dringen tief in dein Sein, verweilen hier,
wie eine Seelensinfonie.

Seele im Garten Eden

Durch Zweifel kommen wir zur Wahrheit
Tarotkarte „Der Eremit“

Das Ego ist der Herrscher deiner Seele,
der Glaube an das Ich, dein Selbstvertrauen,
Bewusstsein, deines Lebens Öllaterne,
Erleuchtung zündend am Erkenntnisbaum.

Aus hoher, hehrer Sphäre der Gedanken,
füllst du die Früchte deiner Wahl ins Füllhorn ein,
dort wächst beseelter Same an den Ranken
und lässt das Fühlen dir erquickend sein.

Du bildest deinen eignen Garten Eden,
hervorgebrachte Pracht und Harmonie,
dort, so von Gott erfüllt, auf allen Wegen,
beherrscht die Demut dich und Fantasie.

Sonnenfeuer

Sir John Everett Millais (1829-1896)

Die Frühlingsluft tanzt durch die Gärten,
vermählt sich fröhlich mit dem Wind,

umhüllt mit einem weichen Wehen,
den Weltschmerz, wie ein kleines Kind.

Die Sonne zaubert hehres Leuchten
voll Freude in des Tages Zeiten,

und Himmelsfrieden lässt den Lärm
des Alltags in die Dünste gleiten.

Ihr Heerschar himmlischer Gewalten,
die ihr dem Schöpfer dienend schafft,

entzündet in den Menschenherzen,
des Abends eure Sonnenkraft!

Und jedes Herz, vom Glanz erhellt,
getröstet, wird sein Leid verstehen,

drum muss es abends stille sein,
dann kann der Schmerz der Welt vergehen.

Gütige Hände

Historische Künstlergrafik
nach dem Ölgemälde von Bertalan Székely (1835-1910)

Du bist so hilfsbereit und voller Güte,
weil du die Andren nicht vergisst,
obwohl du einst in deiner Blüte,
die Liebe selber hast vermisst.

Dort stehst du, öffnest beide Hände,
nimmst voller Mitgefühl den Schmerz;
wer immer sich auch zu dir wende,
es leuchtet ihm dein edles Herz.

Du wirst das Christuslicht verspüren,
das tiefen Frieden um dich hüllt,
es soll dich in die Zukunft führen,
mit Freude, die dein Herz erfüllt.

Wirst immer dein Zuhause finden,
wo einst dein Heimatstern auch steht,
kannst du dich ohne Angst verbinden,
mit Gott, der ewig mit dir geht.

Das Licht der Welt

Maler unbekannt

Du bist mir begegnet vor ewigen Zeiten,
manch endlose Nacht hab ich Deiner gedacht.
Dein Name wird mich in die Zukunft geleiten,
Du hast manchen Sturm mir im Herzen entfacht.

Gesät hast Du Liebe in vielerlei Worten,
gepflanzt wie die Rose – von Dornen befreit.
Geleuchtet hast Du mir an finstersten Orten,
warst Licht mir, hast Blüten auf Wege gestreut.

Durch brennende Welten hast Du mich getragen,
gekühlt von des Windes balsamischem Hauch.
Hast Dichterworte in Felsen geschlagen,
bist Sonne mir und Morgenstern auch.

Du sendest Worte mit Wahrheit zum Herzen,
versiegelst sie dort im göttlichen Innen,
erhellst die Schatten mit himmlischen Kerzen,
füllst dunkelste Nächte mit heiligem Schwingen.

Ferne Klänge

Einst zog mich fort ein fernes Rufen,
von Stimmen, die ich nicht gekannt.
Es war ein Gleiten über Stufen,
das mich im Seelenflug verband.

Der Ruf in mir war warmes Klingen,
vertraut und wahr – so nah dem Herz.
Wie elfenhaftes Liedersingen,
drang es in Brust, in Kopf, mit Schmerz.

Und ich ertrug die starken Wellen,
sie zogen mich in ihren Bann.
In Quinten Klang von hohen Quellen
ertönten Lieder und Gesang.

Gebreitet war ein Notenteppich
aus feinster Himmelspoesie;
es schwebte mein sich sehnend Ich
im Wellentanz der Fantasie.

In den Akkorden ew’gen Seins
war meine Seele eingehüllt.
Die Welt, der Mensch und Gott sind eins
und ich und du sein Ebenbild!