Wer gerne gibt

Mondlicht08

Nur wer gerne gibt, gibt gut, nur wer freudig dient, dient recht, nur wer aus freien Stücken Gott sucht, wird Gott finden.
 
Menschensatzungen und Gebote, die von Menschen als Gottesgebote in die Welt gesetzt werden, unterscheiden sich von der Gottesstimme, die aus dem Licht in das Menschenherz einfließt, dadurch, dass Menschengebote die Verneinung verlangen, die Gottesstimme aber Bejahung ist.

Menschengebote beginnen mit: „Du sollst, du darfst nicht!“, Gottes Stimme aber ist ein Drängen, ein Müssen. Und ein einziger Schritt in der Bejahung wiegt viele Fortschritte in der Verneinung auf. Denn die Stimme Gottes, die zum Müssen wird, hat die Kraft, alles zu wandeln, was dem Müssen entgegensteht, und trägt den steilsten Weg empor, als ob ihr über blumige Wiesen ginget. Verneinung aber ist die Last, unter der man seufzt.
 
So möchte ich Euch eines mit auf den Weg geben, was Ihr zu leicht vergesst, wenn Ihr damit beschäftigt seid wegzulegen, abzustreifen, herzugeben. Dies eine ist die Freudigkeit. Bei all dem Weglegen legt Ihr oft auch sie ab, die doch Eurer Stab sein kann auf dem Weg zu Gott, die doch die heilige Verwandlerin des Leides ist.
 
Freudigkeit wurzelt im Glauben, denn nur wer glaubt, dass alles noch zu gutem Ende kommen muss, dass alles in Gottes weisen Händen ruht, kann freudig sein. Der Ungläubige, Furchtsame kennt keine Freudigkeit. Denn sie setzt Vertrauen voraus. Misstrauen und Verachtung schließen Freudigkeit aus. Und endlich wächst Freudigkeit aus der Liebe, die Glaube und Vertrauen in sich schließt und unbekümmert und unbegrenzt gibt. So wie die Sonne, die immer strahlt und wärmt, weil das ihr Wesen ist, weil sie nicht anders kann. Sie strahlt, weil sie muss und nicht, weil sie soll und wählt die Menschen nicht aus, denen sie schenkt. Sie wäre keine Sonne, würde sie ihr Strahlen nur fallweise und um der Menschen willen, die würdig sind, üben. Sie ist für alle da, die sich ihrem Licht aussetzen, sie strahlt vielleicht einem, den die Menschen schuldig sprechen, tiefer ins Herz, weil er sie aufsucht, als jenem, der würdig ist, aber, mit dem Ablegen seiner schlechten Eigenschaften beschäftigt, im Schatten bleibt.
 
Im Irdischen seht Ihr das Bild so oft und wisst es im Geistigen nicht zu deuten. Ihr sagt vom Menschen, der im Schatten stehen bleibt, er sei selbst schuld, weil ihn die Sonne nicht erwärmt, aber Ihr versucht es immer wieder, Euch ohne die Freudigkeit auf den Weg zu Gott zu machen, und indem Ihr mit Schatten kämpft, versäumt Ihr des Lichtes Segen, der Euch umgibt, Euch einhüllt, der immer da und für alle da ist, die sich ihm aufschließen.

<Ephides>
aus Band VII, Turm-Verlag (1978)

Der Weg

Ferdinand Hodler 1953-1918 – Der Aufstieg

Es ist der Weg jedes Wesens ein anderer und dennoch der gleiche, denn jedes Wesen ist auf dem Weg und muss die Verwandlungen durchschreiten und aus ihnen lernen und an ihnen reifen.

Ihr wisst nicht, welcher Mensch im Aufstieg begriffen ist, denn Ihr seht ihn auf dem Standpunkt nur, den er jetzt innehat, und wisst nicht, woher er kommt. Ihr nennt den einen hoch, den anderen niedrig, und dennoch kann der, den Ihr auf der Höhe stehen seht, im Abstieg und der, den Ihr niedrig nennt, im Aufstieg begriffen sein.

Seinen Weg muss jeder von dem Standort, auf dem er sich findet, fortsetzen. So ist der, den Ihr auf flachem Felde stehen seht und wegen seines Tiefstandes verachtet, vielleicht eben erst einem Abgrund entstiegen; so gönnt ihm die Rast und das Atemholen auf dem flachen Felde der Alltäglichkeit.

Und wer im Tal sich fand, als das neue Erdenleben ihn zu neuer Bewusstheit und zu neuem Handeln rief, er kann in diesem Leben den nächsten, sacht bergan steigenden Hügel nur erklimmen, nicht mehr. Aber hat er nicht vielleicht mehr damit getan als einer, der am Bergeskamm sich ergeht, den freien, weiten Blick genießend, der Niederungen, in denen andere sich abmühen, nicht achtend und den Weg, der ihm bereitet ist, nicht erkennend, weil sein Blick der Freiheit gewohnt und der Weite schon teilhaftig wurde und die Sehnsucht nach dem nächsten hohen Berg nicht so qualvoll in ihm drängt wie die Sehnsucht, die die Menschen in der Niederung viele vergebliche und falsche Befreiungsversuche machen lässt?

Jede neue errungene Stufe, mag sie dem Höherstehenden auch tief erscheinen, sehen wir mit Freude, und wir stützen jenen, der tief steht, denn alle werden einmal am Ziel stehen.

<Ephides>

Selbstmord

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Selbstmord und Seelenqual

Was lehnst du, Mensch, dich auf?
Meinst du, du kannst entfliehn dem Gott in dir?
Glaubst du, dich zu entziehn dem ehernen Gesetz,
wenn du dich von ihm wendest,
wenn du mit eigner Hand dein Leben endest?

Was deinen Körper trifft, trifft nur dein Kleid.
Das Leben endet wohl, doch endet nicht das Leid,
dem du nur wehrloser anheim gegeben
und ausgeliefert bist im neuen Leben,
weil ungerufen du betratst das neue Land!

Wer Gottes Ruf nur folgt, dem sind zum Trost gesandt
erbarmungsvolle Engel, die ihn leiten,
die seinem schwachen Fuß den Weg bereiten.
Doch wer den eignen Willen nur gekannt auf Erden,
wie kann der Wille Gottes ihm zur Hilfe werden?
Die Hilfe ist ihm nah – allein er sieht sie nicht,
des Eigenwillens Trotz beraubt ihn nun der Sicht.
Sein Denken, nur auf sich gestellt, schließt ihn nun ein,
Gefangner seiner selbst, empfindet er allein
die eigne Not, die eigne Seelenqual;
zu enden sie, versucht er tausendmal die gleiche Tat
und wird sich tausendmal bewusst,
dass er nicht töten kann das Fühlen in der Brust! –

Erst wenn die Qual die Mauern seines Kerkers sprengt,
wenn tiefste Not ihm des Gebetes Gnade schenkt,
wenn er aus grenzenloser Einsamkeit
nach Gott, nach Hilfe, nach Erlösung schreit –
ist er befreit!

Er sieht die lichte Schar,
die helfend ihm schon lange nahe war.
Sein aufgeschlossnes Herz ahnt nun, was Liebe schafft,
und mit dem Ahnen wächst die eigne Liebeskraft.
Das Ahnen wird ein Schaun, das Schaun Erkennen,
den ew’gen Schöpfer lernt er Vater nennen.

So schreitet strebend er in seiner Brüder Mitte
dem Lichte zu, und jeder seiner Schritte
bringt näher ihn dem heiß ersehnten Ziel.
Wie oft er es erstrebt, wie oft er fiel,
schaut er erkennend nun im Spiegel seiner Leben.
Sein letztes Erdenlos, das ihm nur Qual gegeben,
wie klein es ist, – ach, eine Perle nur,
den andern angereiht auf goldner Schnur,
die ausging einst von Gott und kehrt zu Gott zurück.

Der Mensch sieht von dem goldnen Faden nur ein Stück,
und seine Prüfung ist, ihn dennoch rein zu spinnen
und eine klare Lebensperle zu gewinnen.
Des Daseins Kreis zu schließen, ist er ausgesendet
von Gott – und erst in Gott ist er vollendet.


<Ephides>
Adyar-Verlag, Graz (1978)

Es strömt die Nacht

Ivan Konstantinowitsch Aiwasowski 1817–1900

Es strömt die Nacht – hast du sie wirken sehn?
Sie webt ihr silbern Kleid um jeden Reinen,
um ihn mit seinem Schöpfer zu vereinen
in alter Pracht.

Es strömt die Nacht – hast du sie weinen sehn?
Sie klagt um jede Seele, die verloren,
noch nicht den Christus in sich hat geboren,
eh es vollbracht.

Es strömt die Nacht – hast du sie leuchten sehn?
Schon naht, dem blinden Erdensinn verborgen,
der lang verheißne, neue Weltenmorgen.
Wohl dem, der wacht!

<Ephides>

Weltenwanderer Mensch

Du ringst und rufst nach Glück!
Kaum zeigt es sich,
so lässt es dich
in Einsamkeit zurück.
Denn es ist eine Sprosse nur auf unsrer Leiter,
komm weiter!
 
Das Leid, wie es dich schreckt!
Schon hat’s den Arm gestreckt,
dich zu erfassen –
und muss dich lassen!
Es ist ja eine Sprosse nur auf unsrer Leiter,
komm weiter!
 
Das Werk, das du erstrebtest,
dem du, dich opfernd, lebtest –
kaum hast du es getan,
gehört es andern an.
Ach, es ist eine Sprosse nur auf unsrer Leiter,
komm weiter!
 
So läuft der Erde Zeit.
Erst scheint der Tod dir weit,
dann ist er nah,
auf einmal ist er da!
Doch er ist eine Sprosse nur auf unsrer Leiter,
komm weiter!
 
Und neuer Fähigkeiten frische Kraft
in andern Leben neue Werte schafft,
und ein Erkennen löst das andre ab;
Erfahrung wird des früh’ren Wissens Grab.
Auch Wissen ist nur eine Sprosse auf der Leiter,
komm weiter!
 
Auch wir im Geistessonnenlicht,
auch wir im andern Land erschauen nicht
das Ende unsrer Leiter,
komm weiter!
 
<Ephides>