Ich erinnere mich: Als ich 13 Jahre alt war, gab es in der Tageszeitung meiner Eltern samstags eine Rubrik, die nannte sich „Pfiffikus“. Ob es sie heute noch gibt, weiß ich nicht. Damals konnte man eine Schriftanalyse anfertigen lassen, durch die festgestellt wurde, welcher Beruf in Frage käme. Die Antwort auf meine Anfrage lautete: Bauer.
Mit dieser Aussage konnte ich mich identifizieren. Nichts war mir lieber, als die Erinnerungen an die Kindheitstage in der Rhön. Dorthin fuhr ich relativ häufig, erst mit meiner Mutter, später dann mit beiden Elternteilen.
Foto: Friedrich Köhler – Aus Familienbeständen
Das Bauerndorf heißt „Habel“. Es war klein, hatte nur wenige Einwohner. Habel wurde damals Grenzort und lag nur 2 km von der Grenze entfernt. Meine Mutter musste aus dem Arbeitsdienst dorthin flüchten, als vor Kriegsende ‚der Feind‘ immer näher kam. In Habel wurde meine Mutter aufgenommen und bei einem Bauern untergebracht.
Foto: Friedrich Köhler – Aus Familienbeständen
Als ich klein war, lebten dort Kinder im gleichen Alter. Ich durfte später bei dieser Familie wohnen. Mit den Mädchen bin ich an die Zonengrenze gegangen und verstand damals das warnende Stoppschild nicht. Es war uns verboten, dorthin zu gehen.
Foto: Friedrich Köhler – Aus Familienbeständen
Am liebsten verbrachte ich den Tag in den Ställen. Jeder Bauer hatte Schweine, Kühe und Hühner. Es machte mir nichts aus, früh aufzustehen, um die Kühe auf die Weide zu treiben. Das war um fünf Uhr. Auch heute bin ich Frühaufsteher. Danach halfen wir auf dem Feld oder in der Küche. Einmal im Monat wurde im Dorf-Backhaus Brot gebacken, das herrlich schmeckte: große runde Laibe mit Sauerteig und Gewürzen. Darauf leckere Marmelade aus Himbeeren. Das ist ein Geschmack aus der Kindheit, den ich in meinen Gedanken eingefangen habe. Hier in NRW gibt es solch ein Brot nicht. Aber hin und wieder bestelle ich es mir online.
Foto: Friedrich Köhler – Aus Familienbeständen
In den letzten Tagen fand ich im Internet einen Persönlichkeitstest, der angeblich anzeigte, welchem Beruf man in einem längst vergangenen Leben nachgegangen sein soll. Wieder war das Resultat: Bauer im 30jährigen Krieg.
Schon seltsam, wie mich das verfolgt. Vielleicht im nächsten Leben?
Flucht aus Ostpreußen 1914 – Gemälde von Claus Bergen (1885-1964)
Der Süden hat mich nie gelockt, wo Leichtes schwebt in sonnigen Gefilden, blieb Sinn und Denken mir verstockt; Verbundenheit ließ sich nicht bilden.
Der Osten trägt Melancholie, umhüllt die längst verklärte Fährte. Die ferne Zeit zeigt irgendwie Natur, die so ersehnenswerte.
Die schwere Schlichtheit dieses Lebens, so Gott gegeben, urvertraut, ein fein Gespinst wie Leingewebe, das kratzt und schmerzt auf bloßer Haut.
Blutig die Knie, die Hände rau, erschuf man sich sein täglich Brot. Brachte den Bauersleuten auch die schwere Arbeit frühen Tod.
Entbehrung hieß die Einfachheit, gesegnet war des Tages Lauf. Die Sehnsucht kannte keine Zeit, man sah getrost zum Himmel auf.
Morbides trieb die Politik, nahm Mensch und Sprache mit sich fort. So flüchtig war der Traum von Glück, vergessen altes Land und Ort.
Was blieb ist die Melancholie, die Traurigkeit der Ahnen. Selbst wenn ich lache, spür ich es, ihr gegenwärt’ges Mahnen.
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