Freiheit der Träume

Bild von Stefan Keller auf Pixabay

Schlafende Welt,
deine Träume sind gebunden,
gehalten von Verbindlichkeiten
deiner Lebensstunden.

Den freien Geist gefesselt,
wandeln Menschenwesen wie in Herden,
gebunden aneinander und die Zeit
lässt sie nicht sein, nur werden.

Werden stärker, schneller, besser,
herausragend in Größe, mittig in der Menge,
begrenzter Geist auf Erden,
ein Gerne-Groß in körperlicher Enge.

Ein großer Geist eröffnet uns die Welt.
Wir müssen Freiheit uns und andern schenken,
damit das Große aus dem Rahmen fällt.
Wie klein ist oftmals unser Denken?

Klänge von Zuhause

Bild von Rainer Maiores auf Pixabay

Vernimmst Du den heimlichen Klang?

Lausche in Dich hinein:
Wahrhaftig ein Künstler zu sein,
heißt, den heimlichen Klang zu ergründen,
Seele und Geist im Eins-Sein verbinden.

ER wird die Stille durchbrechen,
wird Dir singen und leis zu Dir sprechen,
fortnehmen, die Dinge, die Dich quälen,
Deine Beharrlichkeit wird er stählen.
.
Wirst Dich an den Ursprung zwanglos binden,
gemeinsame Wurzeln wiederfinden,
den fremden Lauten der Welt nachspüren,
um die falschen Akkorde zur Lösung zu führen.

Bis Du selbst der Klang bist, den viele vernehmen,
die sich nach höherer Einsicht sehnen.
Fühle die Disharmonie der Welt. Gib ihr neue Prägung.
Bringe sie geistig zu neuer Erhebung.

Ewigkeitssonntag

Aus dem Poesiealbum meiner Mutter:
„Lass die Winde stürmen auf der Lebensbahn, ob die Wogen türmen gegen deinen Kahn. Schiffe ruhig weiter, wenn der Mast auch bricht. Gott ist dein Begleiter. Er verlässt dich nicht.“

Monate und Jahre vergehen wie im Flug. Es ist schon ein Kreuz mit der Zeit.
Sie belastet den Alltag der Menschen. Allerdings ganz anders als zu Luthers Zeiten. Damals, als die Kirchen noch gut gefüllt waren, maß man dem Kirchenjahr eine große Bedeutung zu. Das tut man noch Jahrhunderte später. Obwohl ich mich von der Kirche entfernt habe, frage ich mich: Welche Bedeutung hat das Kirchenjahr heute noch?

Es beginnt mit dem 1. Advent in der dunklen Jahreszeit, nachdem der depressive November seine Nebel lichtet, wieder durchlässig wird für die Strahlen des Lichterglanzes. Eine Geburt kündigt sich an; etwas ganz Neues von größerer Reinheit soll entstehen. Nur deshalb wird Maria als unberührte Jungfrau und dennoch als Mutter dargestellt. In der Adventszeit beginnt die Zeit der Besinnung. Die Hektik des Alltags soll draußen bleiben. Man besinnt sich auf das was wichtig ist, begegnet Liebe und Einsamkeit mit anderen Gefühlen als sonst.

Im neuen Jahr dann, darf das ‚geborene Kind‘ ganz zur Entfaltung kommen. Es bringt Hoffnung auf einen neuen Frühling, auf Licht und Leben. Es ist die Zeit, in der Unkraut und Weizen noch durcheinander wachsen. Die Zeit der Ernte scheint noch weit. Viele Blüten werden sterben müssen, um anderen das Leben zu ermöglichen. Fastenzeit und Passion – Zeit der Leiden, des Sterbens und der Wiederauferstehung. Mensch und Natur entdecken die göttliche Kraft des Werdens.

Sommer – ermüdender Alltagstrott. Man kommt zurecht, wenn auch langsam unter der Hitze der Alltäglichkeiten.

Erntedankfest – die Speicher sind gut gefüllt für den Winter. Die Felder liegen brach. Bald fegen die Herbstwinde darüber und uns an unsere eigene Vergänglichkeit erinnern. Aber es bleibt eine Hoffnung auf einen neuen Frühling, darauf, dass der Tod nur eine Wandlung ist.

Der Ewigkeitssonntag beendet den Jahreskreis und alles beginnt aufs Neue.
Wir sind nicht allein auf diesem Weg, der uns nach dem Lebenssinn fragen lässt.

Man sagt: „Planen ist alles!“ – Eine aus der Hektik des Alltags geborene Halbwahrheit. Lebenszeit lässt sich nicht planen. Mein Sohn ist ohne vorheriges Anzeichen gestorben. Die Hektik des Alltags und die Einstellung der Menschen hat seine Lebenszeit verschlungen.
Nun muss ich das Gefasstsein üben und frage mich, was wirklich wichtig ist.

Das ‚Christ-Kind‘ wird trotzdem zur Welt kommen, alles Negative über Bord werfen und uns an das Lebenswerte in dieser Welt erinnern. Das sehe ich als Sinn dieses Geburtstages, auch wenn der genaue Zeitpunkt nirgendwo bestätigt ist.

Der christliche Geist trägt das zeitlos Liebevolle in sich und wird unser Herz durch schöne Klänge für angenehme Dinge öffnen und Familien zusammenführen. Er lässt uns nicht vergessen, dass die Liebe zu Gott auch Nächstenliebe heißt. Das schließt auch die Tiere mit ein.

Gelassenheit müssen wir lernen. Sich selbst nicht mehr so wichtig nehmen. Die Zeit zurückdrehen, in der die Kirchturmuhren noch halbstündlich läuteten. Eine Oase finden, in der die Hektik der Zeit draußen bleibt.

Foto: Gisela Seidel

Anmerkung: Diesen Beitrag hatte ich schon 2020 teilweise veröffentlicht. Ich stelle ihn nochmals ein, weil er immer aktuell sein wird.

Hier sei noch einmal erwähnt, dass ich nicht den Bibel forschenden „Zeugen Jehovas“ angehöre, wie es von Seiten eines evangelischen Pfarrers behauptet wird.

Diese Seiten und Beiträge habe ich vor ca. zwei Jahren begonnen zu schreiben. Einige Leser haben mich begleitet, andere haben sich zurückgezogen und das Abo gelöscht, wieder andere sind leider verstorben.
Ich möchte an dieser Stelle allen danken und ihnen einen Weg wünschen, der mit Seelenfrieden und Liebe gepflastert ist.

Trüber Herbsttag

John Atkinson Grimshaw (1836-1893)

Die Zeit scheint inhaltslos und schwer,
ein Vakuum, dem Energie entzogen;
von Regenstunden vollgesogen,
sind Häuser sichtlich nebelleer.

Vereinzelt gehen schnelle Schritte
vorüber an beschlag’nen Scheiben,
verlaufen sich im Klang der Tritte,
um sich dem Grauton einzureihen.

Ein dumpfes Dämmern fließt durch Adern,
Melancholie zieht an den Schwachen.
Vom Fluss des Herzens rinnt ein Hadern,
dem Schlafen näher als dem Wachen.

Voll Schweigen geht des Jahres Gang,
nach kleinen Schritten bleibt es stehen.
Von ferne lässt geweihter Sang
vom erdentrückten Land sich wehen.

So altvertraut klingt diese Melodie,
die sich vor Zeiten an die Welt verlor.
Ich war noch niemals dort, doch lieb ich sie.
Die Welt ist hier und mein Zuhause dort!

Mein Engel

Patrick Seidel (1981-2019)

Mein Engel warst du – hab‘s zu spät erkannt.
War Mutter dir, musste auch Vater sein.
Dein richt’ger, der im andern Land,
längst fort für immer, er ließ uns allein.

Hab mich bemüht, wie’s jede Mutter tut,
die ihren Schatz behüten will und muss.
Stets Sorge trug ich. War das alles gut?
Es bleiben viele Fragen, nach dem Schluss.

Dein Kindermund – er hat so gern gelacht!
Er war mir alles, doch ich hab geschwiegen.
Dass ich dich liebe, hab ich dir gesagt;
ich wünschte, dich noch mal im Arm zu wiegen.

Stolz war ich, wo die übrigen Familienkreise
nur abwertend über dich sprachen.
Hautfarbe: braun, und nicht wie sie, die Weißen,
als „Niggerkind“, den ‚Stab über dich brachen‘.

Du warst mein Augenstern! Die kleine Welt,
die ich dir bot, war alles, was ich geben konnte.
Ich war allein auf mich gestellt,
als Gott mich mit dir reich belohnte.

Gelassenheit hast du mir vorgelebt,
wo ich die Ordnung suchte und den Halt.
Du bist mir voll des Lebens fort geschwebt,
als man dich rief, ging die Gestalt.

Für welche Schuld ist meines Leidens Lohn?
Ist sie bezahlt? Nun kommt geweiht, die Nacht!
Feiere sie jährlich nur mit dir, mein Sohn.
Schau, viele Kerzlein hab ich schon entfacht.

Und bald hebt an das wundersüße Singen,
wenn Gott es will, nimmt er mich mit.
Hebt mich zu dir, auf unsichtbaren Schwingen…
mein Traumbild flieht…muss noch ein kurzes Stück.

Das letzte Wegstück ist des Kreuzes Sinn,
wird bitter auf mir ruhn – ein schwer Geschick.
Doch Kreuzesträger sein, ist Menschenlohn,
getragenes Leid wird allergrößtes Glück.

Novemberluft-Gespenster

„Schließ die Türen, schließ die Fenster!
Die Novemberluft-Gespenster
drängen, drücken sich herein!
Sag, wie soll ich sie vertreiben?
Dunkelheit hockt vor den Scheiben
wie ein sprungbereites Tier,
um auf leisen Raubtiersohlen,
seine Beute sich zu holen,
schleicht der Wind – bald dort, bald hier.
Reißt er tückisch eine Ecke
vom Gesimse -, schnell, verstecke,
schnell, errette mich vor ihm!“

Kind, mein Kind, du siehst Gespenster,
weil du zwischen Tür und Fenster
wie in einer Festung haust!
Deine Seele geht gefangen
zwischen Bangen und Verlangen,
zwischen Mauern, die du baust,
hin und her und auf und nieder,
klingt dein Schritt gespenstisch wider.
Ist’s das Echo nicht allein!
Hinter feindlich starken Mauern
hört sich Bitten an wie Lauern:
„Sieh, mein Kind, das macht der Stein!“

Kann dich Wind und Dunkel schrecken
und das Bröckeln morscher Ecken?
Brennt dein Licht so trüb in dir?
Kannst du nichts als Böses sehen,
nur weil die da draußen stehen?
Komm, mein Kind, und sprich mit mir:
Fenster auf und auf die Türen!
Wollt ihr Licht und Liebe spüren,
Ruhelose kommt herein!
Könnt am hellen Herd euch wärmen
Und gestärkt ins Freie schwärmen,
Gottes ist auch euer Sein!

<Ephides>

Zu Tode geblüht

Bild von Greg Montani auf Pixabay

Es glänzt nicht mehr im Licht,
wo es die Tropfen tausendfältig bricht.

Wasser, das einst von Gott gegeben,
fruchtbar, mehrend, unter urzeitlichem Regen,
als starker Strom die Eiszeit überwand,
flutend mit Leben ferne Welten band,
wo‘s unermüdlich wuchs, gedieh in Güte,
bevor das Land sich einst zu Tode blühte.

Der Wind streicht Wellen in den Sand,
malt heißen Flächen ein Gewand,
Todbringend, unverwüstlich scheint das Treiben,
soweit das Auge reicht, ein sandig Bleiben.

Vom Wüstensand bedeckt,
die alte Welt begraben,
liegt sie im Grab der Zeit,
bedeckt von Hitze-Narben.

Wo die Giganten einst die Welt durchstreiften,
wie Dinosaurier auf kolossalen Märschen,
wo Vielfalt und die Macht der Starken herrschte,
und Schachtelhalme, groß wie Bäume,
in den Wäldern reiften.

Dort leben heute noch die Recken in Legenden,
die Urzeit-Riesen, die im Kampf vollenden,
was dieses schwache Menschentum enthielt:
Von David gegen Goliath ein Bild.

Auch heute scheint den Starken Leben dargeboten,
sie nehmen Lebensenergie von andern, irgendwie.
Doch nur EIN Schlag und sie erliegen ihren Stärken
und auf des Daseins Grund versinken sie.

Bewusstsein wird die Zeiten überleben,
in hohen Tönen wird es einst erklingen.
„Mein Reich ist nicht von dieser Welt!“, die Worte beben,
der Geist der Wahrheit wird mit Engeln singen.

Vom Staub bedeckt – die alte Welt vergangen,
liegt bald im Grab der Zeit.
Göttlich das Bild vom steten Neu-Anfangen,
von Ewigkeit zu Ewigkeit.

Bild von klimkin auf Pixabay

Lebensspirale

Lia Chechelaschwili *1971

Wenn stiller Tag Erinnerungen findet,
der Jahre, die vorüber, eilt die Zeit.
Wie eine Spule, die sich schneller windet,
wenn nur noch wenig abzuspulen bleibt.

Nur noch ein kleines Bisschen! Die Spirale,
sie dreht fast unsichtbar im raschen Kreis.
Die Optik täuscht. Kurz steht es vorm Finale,
in dem der Spule letzter Inhalt reißt.

Ein Schattenspiel – es endet im Verblassen,
macht manche dunklen Töne hell und licht.
Durch Nebel geht das irdische Verlassen,
wenn Sonne durch die Himmelsfirnis bricht.

So duftig trägt der Wolkenzug das Ende,
wie Zuckerwatte, süß, in höchstem Glück,
und die Spirale zieht schon längst in Wende,
ein neues Band – ein neues Lebensstück.

Dur und Moll

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Wenn der Tag vorüberzieht,
spielt das alte Lebenslied,
ist im Tongeschlecht der Zeit,
stets zur Symphonie bereit.

Lässt in Dur und Moll erklingen,
Töne weinen oder singen,
Engelharfen sind bereit,
spiel ‘n das Lied der Ewigkeit.

Wie das Rad des Schicksals eiert,
immerzu in Runden leiert,
sich behäbig dreht im Kreis,
oben, unten, laut und leis,

ist des Notenschlüssels Schwingung,
deiner Lebensart Bedingung.
Du musst dein Tonstück dirigieren,
Finale furioso komponieren,

und am Ende blickst du stumm –
du warst selbst das Publikum.
Klingt harmonisch mancher Ton,
bis in ferne Himmel schon,

sind doch viele falsche Töne,
überspielten manches Schöne.
Spiel meisterhaft die Partitur,
vereint mit höchsten Klängen nur.

Die Engel werden staunend lauschen,
sich an deinem Lied berauschen.
Gelebter Klang in Harmonie,
spielt deine Lebenssymphonie.

Sterbetage

Die Tage ziehn weiter, das Jahr geht dahin.
Bald kommen die düsteren Tage.
Ende Oktober ist Sterbebeginn,
dann trag ich sie nochmal zu Grabe.

Nur manchmal hab ich am Rand gestanden,
meinen Blick in die Tiefe gewandt,
dort lagen sie, die sich im Sarge befanden.
Haben sie meine Seele gekannt?

Mit ihnen verbrachte ich Lebensstunden,
habe schweigend geweint und gelernt.
Seit Jahren sind sie vom Erdball verschwunden,
der Tod hat sie von mir entfernt.

Es war keine Bindung, keine Liebe zu spüren,
meine Kindheit war tägliches Muss.
Bis heute will sich keine Träne rühren,
trotz des Dramas tragischem Schluss.

Die Gruft meiner Eltern belegt Mutter allein,
Jahrzehnte konnten nicht binden.
Nachdem sie starb, verkaufte Vater das Heim,
konnte noch eine zweite Frau finden.

Auch sie sind schon fort; mein Vater liegt fern.
Im Gedächtnis werden sie nicht schwinden.
Dann starb mein Sohn – verloschen sein Stern,
er ruht nun in friedlichen Gründen.

So weht des Lebens Hauch durch die Zeit,
wie ein Atemzug unserer Erde,
es erntet der Tod, macht den Platz bereit
und spricht sein stilles „Es werde!“