Liebesqual

Faust, Mephisto und Gretchen im Spiegel

Sie streicht mit sanfter Feder
über deine Haut.

Ein zartes Spiel,
noch lächelst du,
dem Streichelnden vertraut.

Doch jedes lose Gleiten
wird schnell zur Folter dir,
und du erstarrst
beizeiten.

Gefährlich ihre Kür.
Gefühlskalt geht sie mit dir
ganz grausam ins Gericht.

Sie lächelt noch,
mit Grausen erkennst du
ihr Gesicht.

Sie lacht das gleiche Lachen,
aus dem die Lust entsprang,

geöffnet war ihr Rachen,
mit dem sie dich verschlang.

Nun liegst du ihr im Magen,
du wälzt dich in der Qual.

Trotzdem würdest du sagen:
„Dasselbe noch einmal“.

Altersschranken

Irdische und himmlische Liebe – FRANZ VON LENBACH (1836 ‐ 1904)

Vorbei die Zeit des Gegenüberstehens,
verborgene Blicke des Vorübergehens,
ein Ahnenlassen, wie das Herz empfindet,
voll Scham erröten, völlig unbegründet,
verlegen dann die Hand zum Gruße reichen,
ungern von der geliebten Seite weichen.

Die Jugend ist vorbei, ist abgehandelt,
kein Trieb, der meine Sinne wandelt.
Mit alter Seele frei von Leidenschaft,
aus tiefstem Herzen manches Mal gedacht:
Befreiung heißt Verzicht und nicht Verbot,
ist die Gewissheit vor dem Abendrot.

Liebt man nicht nur das Bild im Spiegel,
sein selbst kreiertes Gütesiegel?!
Kann Unbekanntes Seligkeiten bringen,
das nicht gestaltet ist nach eignen Dingen?
Die rosarote Blindheit der Gedanken
eröffnet die im Alter auferlegten Schranken.

Doch gab ich meinen Kräften neuen Sinn,
damit ich hier auf Erden nah dem Himmel bin.