Wär ich ein wilder Falke

Johann Friedrich Reichardt komponierte die Melodie zu diesem Text aus dem 16. Jahrhundert, der im Laufe der Zeit immer wieder vom Volksmund an die aktuellen Sprachgewohnheiten angepasst wurde.

Text: (nicht der von „Zupfgeigenhansel“)

Charles Livingston Bull (1874–1932)

Wär ich ein wilder Falke,
ich wollt mich schwingen auf,
und wollt mich niederlassen
vor eines Grafen Haus.

Denn darin lebt ein Mädlein,
Magdalena ist sie genannt,
so hab ich freier Berggesell
kein schöner brauns Meidlein erkannt,

An einem Montag es geschah,
an einem Montag sehr früh,
da sah ich die schöne Magdalena
in Vaters Garten ausgehn.

Da sie nun in den Garten kam,
wohl unter die Linden lief,
da lag ich freier Berggesell,
darunter süß und schlief.

„Wohlauf mein Berggesell geschwinde,
Denn es ist an der Zeit,
Ich hör die Schlüsselein klingen,
Mein Mutter ist nit weit.“

„Hörst du die Schlüsselein klingen,
und ist dein Mutter nit weit,
so flieh mit mir von hinnen
wohl über die Heiden breit.“

Ich nahm sie bei der Hände,
bei ihrer schneeweißen Hand,
und führt sie an ein Ende,
wo ich ein Herberg‘ fand.

Da lagen wir zwei in Freuden
Bis auf dritthalbe Stund:
„Kehr dich rumb, schöne Magdalena,
beut mir dein roten Mund.“

„Du sagst mir wohl von Kehren,
sagst mir von keiner Eh;
und war es nicht geschehen,
Geschäh’s doch nimmermehr.“

Und wer dieses Liedlein gesungen,
von neuem gesungen hat:
ein freier Berggesell ist er genannt,
auf Sankt Annaberg in der Stadt.


Am Brunnen vor dem Tore

(1822)
Text: Wilhelm Müller (1794-1827)
Melodie: Franz Schubert

Am Brunnen vor dem Tore, da steht ein Lindenbaum;
ich träumt’ in seinem Schatten so manchen süßen Traum.

Ich schnitt in seine Rinde so manches liebe Wort;
es zog in Freud und Leide zu ihm mich immer fort,
zu ihm mich immer fort.

Ich mußt‘ auch heute wandern vorbei in tiefer Nacht;
da hab‘ ich noch im Dunkeln die Augen zugemacht.

Und seine Zweige rauschten, als riefen sie mir zu:
Komm her zu mir, Geselle! Hier find’st du deine Ruh!

Die kalten Winde bliesen mir grad’ ins Angesicht;
der Hut flog mir vom Kopfe, ich wendete mich nicht.

Nun bin ich manche Stunde entfernt von jenem Ort,
und immer hör ich’s rauschen: Du fändest Ruhe dort.

Ade zur guten Nacht

Der Abschied – Carl Spitzweg 1808-1885

Ade, zur guten Nacht!
Jetzt wird der Schluß gemacht,
daß ich muß scheiden;.
Im Sommer da wächst der Klee,
Im Winter, da schneit´s den Schnee,
da komm ich wieder.

Es trauern Berg und Tal,
wo ich viel tausendmal
bin drüber gegangen;
das hat deine Schönheit gemacht,
die hat mich zum Lieben gebracht
mit großem Verlangen.

Das Brünnlein rinnt und rauscht
wohl dort am Holderstrauch,
wo wir gesessen.
Wie manchen Glockenschlag,
da Herz bei Herzen lag,
das hast du vergessen!

Die Mädchen in der Welt
sind falscher als das Geld
mit ihrem Lieben.
Ade, zur guten Nacht,
jetzt wird der Schluß gemacht,
daß ich muß scheiden.

Text: unbekannter Herkunft

In einem kühlen Grunde

Eduard von Gebhardt (1838–1925)

In einem kühlen Grunde,
da geht ein Mühlenrad.
Mein Liebchen ist verschwunden,
das dort gewohnet hat.

Sie hat mir Treu‘ versprochen,
gab mir ein‘ Ring dabei,
sie hat die Treu‘ gebrochen,
das Ringlein sprang entzwei.

Ich möcht‘ als Spielmann reisen
wohl in die Welt hinaus
und singen meine Weisen
und geh‘ von Haus zu Haus.

Ich möcht‘ als Reiter fliegen
wohl in die blut’ge Schlacht,
um stille Feuer liegen
im Feld bei dunkler Nacht.

Hör‘ ich das Mühlrad gehen,
ich weiß nicht, was ich will;
ich möcht‘ am liebsten sterben,
da wär’s auf einmal still.

Melodie: nach Johann Friedrich Glück (1793-1840)
Text: Joseph von Eichendorff (1788-1857)


Ännchen von Tharau

Annchen von Tharau ist, die mir gefällt;
Sie ist mein Leben, mein Gut und mein Geld.

Annchen von Tharau hat wieder ihr Herz
Auf mich gerichtet in Lieb’ und in Schmerz.

Annchen von Tharau, mein Reichthum, mein Gut,
Du meine Seele, mein Fleisch und mein Blut!

Käm’ alles Wetter gleich auf uns zu schlahn,
Wir sind gesinnet bei einander zu stahn.

Krankheit, Verfolgung, Betrübniß und Pein
Soll unsrer Liebe Verknotigung seyn.

Statuette Ännchen von Tharau – unbekannter Künstler

Recht als ein Palmenbaum über sich steigt,
Je mehr ihn Hagel und Regen anficht;

So wird die Lieb’ in uns mächtig und groß
Durch Kreuz, durch Leiden, durch allerlei Noth.

Würdest du gleich einmal von mir getrennt,
Lebtest, da wo man die Sonne kaum kennt;

Ich will dir folgen durch Wälder, durch Meer,
Durch Eis, durch Eisen, durch feindliches Heer.

Annchen von Tharau, mein Licht, meine Sonn,
Mein Leben schließ’ ich um deines herum.

Was ich gebiete, wird von dir gethan,
Was ich verbiete, das läst du mir stahn.

Was hat die Liebe doch für ein Bestand,
Wo nicht Ein Herz ist, Ein Mund, Eine Hand?

Wo man sich peiniget, zanket und schlägt,
Und gleich den Hunden und Kazen beträgt?

Annchen von Tharau, das woll’n wir nicht thun;
Du bist mein Täubchen, mein Schäfchen, mein Huhn.

Was ich begehre, ist lieb dir und gut;
Ich laß den Rock dir, du läßt mir den Hut!

Dies ist uns Annchen die süsseste Ruh,
Ein Leib und Seele wird aus Ich und Du.

Dies macht das Leben zum himmlischen Reich,
Durch Zanken wird es der Hölle gleich.

Das bucklige Männlein

Gezeichnet von Sulamith Wülfing 1901-1989

Erstausgabe in ‚Des Knaben Wunderhorn‘ von L. Achim von Arnim und Clemens Brentano 1806/08

Will ich in mein Gärtlein gehn,
Will meine Zwiebeln gießen,
Steht ein bucklicht Männlein da,
Fängt als an zu niesen.

Will ich in mein Küchel gehn,
Will mein Süpplein kochen,
Steht ein bucklicht Männlein da,
Hat mein Töpflein brochen.

Will ich in mein Stüblein gehn,
Will mein Müslein essen,
Steht ein bucklicht Männlein da,
Hat’s schon halber gessen.

Will ich auf mein Boden gehn,
Will mein Hölzlein holen,
Steht ein bucklicht Männlein da,
Hat mir’s halber gstohlen.

Will ich in mein Keller gehn,
Will mein Weinlein zapfen,
Steht ein bucklicht Männlein da,
Tut mirn Krug wegschnappen.

Setz ich mich ans Rädlein hin,
Will mein Fädlein drehen,
Steht ein bucklicht Männlein da,
Läßt mirs Rad nicht gehen.

Geh ich in mein Kämmerlein,
Will mein Bettlein machen,
Steht ein bucklicht Männlein da,
Fängt als an zu lachen.

Wenn ich an mein Bänklein knie,
Will ein bißlein beten,
Steht ein bucklicht Männlein da,
Fängt als an zu reden:

„Liebes Kindlein, ach, ich bitt,
Bet fürs bucklicht Männlein mit !“