Kalte Welt

Beendet sind die Erntefeiern,
die Scheunen voll, das Werk getan;
die Erde lag mit grauen Schleiern
des Herbstes voll, der Frost voran.

Er malte weiß, mit kalter Tünche,
bedeckte Baum und Strauch und Welt;
die Dächer deckten Weihnachtswünsche,
von Flocken prächtig dargestellt. 

Durch jede Schonung geht ein Raunen -
es sägt der Tod der Bäumchen viele.
Ob manchmal noch die Kinder staunen,
wenn lockend winkt die Welt der Spiele?

Weh doch hinfort mit Kraft des Windes
den Überfluss, die Armutszeiten;
sei dieser Welt der Christ im Kinde
und Frieden bringend in den Breiten.

Doch des Waldes Bäume rauschen:
„Nur im Licht kann niemand leben!“,
denn das Licht als Offenbarung
wird es nur im Finstern geben.



Herbstliche Gedankenwelt

Der Wind pfeift durch die Jalousien,
es stürmt der Herbst die halbe Nacht;
die heißen Sommerträume fliehen,
die Welt ist abgekühlt erwacht.

Die Muhme kehrt mit scharfem Besen,
und Oheim Frost deckt Blättergräber;
für das, was lebensvoll gewesen,
sind sie der Totenhemden Weber.

Die schwarzen Vögel kreisen wieder,
wenn feuchte Nebelschwaden ziehen;
krächzend lassen sie sich nieder,
um vor der Sturmgewalt zu fliehen. 

Ihr hohes Haupt bizarr entblößend,
stehen die Bäume ringsumher;
demutsvoll und Furcht einflößend
ist das sturmdurchheulte Meer.

Weist auf lange Winternächte,
wenn der Herbst das Land erfüllt -
will Reim an Reim zum Kranze flechten,
zum herbstlichen Gedankenbild. 

Winterfarbe

Bild von marcelkessler auf Pixabay

Das Wasser ist so trüb, so träg quält sich der Fluss,
und die Natur verdunkelt ihre Lebenslichter,
verstreut der tristen Winterstunden graues Muss,
treibt müdes Gähnen auf die Ruhezeit-Gesichter.

Der Boden, Höhlung durch des Wassers Kraft,
liegt hart und steinern unter weicher Fläche,
als eisig glitzernd in der Flocken Pracht,
der Frost anhielt der Fluten ew’ge Bäche.

In blasse Trauerfarben hüllt der Tag sich ein,
gefolgt von einer ewig langen Nacht,
die dunkel sich im Wintermondenschein
mit schwarzen Schatten kalt und endlos macht.

Wintermärchen

So unberührt und weit, das flache Land,
getaucht in winterkühle Morgendünste.
Die Bäume tragen feierlich ein Festgewand
aus weißem Glitzerflocken-Schneegespinste.
 
Seh‘ in der Ferne letzte Nebel steigen,
die jede Härte mit Verklärung glätten,
und die Natur hüllt sich in kaltes Schweigen,
das wie ein Segen weilt auf Totenbetten.
 
Die Landschaft trägt geduldig ihre Bürde,
die eisig funkelt unter schwachem Glanze.
Die Schöpfung liegt mit königlicher Würde
und ruht sich aus vom warmen Sommertanze.
 
Ruhig schläft das watteweiß verschneite Land,
bis sich mit neuer Lebenskraft der Boden hebt,
bis sich in Menschenherz und Menschenhand
ein zauberhafter Gottessegen legt.
 
Noch ist es Phantasie – doch wärs nicht weit,
wenn jede Seele danach strebt und handelt.
Dann würden nach des Winters Frostigkeit,
die Schatten in ein Frühlingslicht verwandelt.
 

Winterschlaf

Eugen Bracht (1842-1921)

Es treibt des Winters kalter Hauch
den Wind über die Felder,
durch alle Wiesen, jeden Strauch;
der Schnee bedeckt die Wälder.
 
Es ruht die Seele der Natur
vom langen Sommerreigen;
gesenkter Puls der Zeit
 will uns zur Ruhe treiben.
 
Was Außen kalt, ist Innen warm,
so wie das Frühlingskeimen,
Väterchen Frost streckt seinen Arm,
deckt zu, was im Geheimen.

Der Seele Kern erinnert sich,
wie Sonnenstrahlen glänzen,
wird sich auf Frühlingstage freu’n,
den Neuanfang bekränzen.