Tropfen

Wasserperlen kleben auf der Scheibe –
unaufhörlich wie der Regen rinnt.
Tropfen, schillernd im kristallnen Kleide,
fließen ineinander mit dem Wind.

Wie die Tropfen waren wir verbunden,
spürten uns bei Tag, im stillen Traum.
Nun ist alles, was uns band verschwunden,
keine Liebe füllt den toten Raum.

Kalt und leer hast du dich selbst beschrieben,
denn dein Lebenskrug brach jäh entzwei.
Nichts als Wehmut ist zurück geblieben,
und der Regen klopft den Takt dabei.

Alle Wärme wurde mir genommen,
spür‘ nur Kälte statt Geborgenheit.
Wird die Sonne nach dem Regen kommen,
oder gar ein neuer Winter vor der Zeit?

Regentag

Hugo Wilhelm Kauffmann (1844-1915)

Ein Sommertag erwacht aus Träumen,
vertreibt die kühlen, dunklen Stunden,
und durch die dicht belaubten Bäume,
ersehnt man der Sonne goldenes Funkeln.

Dem Wind im Wald der Blätter lauschen,
ihr Auf und Ab, Wiegen und Schwingen,
luftig durchfährt sie ein Klingen und Rauschen,
bringen der Erde ein seliges Singen.

Die Sonnenkraft zeigt gemilderten Glanz,
dunkle Wolken durchstreifen den Himmel,
manchmal erscheint ihr Strahl in Distanz,
den Sonnenschein wird sie nicht bringen.

Bis zum Abend entladen sich Tropfen zuhauf,
prasseln gegen die Fensterscheiben.
Der Himmel macht seine Schleusen auf,
wird des Sommers Wärme vertreiben.

Liebesqual

Faust, Mephisto und Gretchen im Spiegel

Sie streicht mit sanfter Feder
über deine Haut.

Ein zartes Spiel,
noch lächelst du,
dem Streichelnden vertraut.

Doch jedes lose Gleiten
wird schnell zur Folter dir,
und du erstarrst
beizeiten.

Gefährlich ihre Kür.
Gefühlskalt geht sie mit dir
ganz grausam ins Gericht.

Sie lächelt noch,
mit Grausen erkennst du
ihr Gesicht.

Sie lacht das gleiche Lachen,
aus dem die Lust entsprang,

geöffnet war ihr Rachen,
mit dem sie dich verschlang.

Nun liegst du ihr im Magen,
du wälzt dich in der Qual.

Trotzdem würdest du sagen:
„Dasselbe noch einmal“.

Gute Worte, schlechte Worte

Sie wurden aus ihren Familien verschleppt,
gekettet, wie Vieh und getrieben.
Als die Länder Afrikas blutbefleckt,
war kein Stein auf dem andern geblieben.

Das Weinen der Kinder, der Frauen, verklang,
doch der „Blues“ wurde weitergetragen.
Der Markt zog die Sklaven zur Arbeit heran,
Kränkungen ihr Lohn, statt Hoffnung, Verzagen.

Leibeigenschaft war ‚der Weißen‘ Geschäft,
Sklaverei brachte Amerikas Blühen.
Unterdrückung machte nicht Halt vor Geschlecht,
das brachte manch‘ Gutsherrn Vergnügen.

Die dunklen Fluten des ‚weißen Blutes‘,
ließen hemmungsvoll Ureinwohner meucheln,
und Priester, ganz gleich welch‘ geistigen Gutes,
ihnen von ‚guten‘ Religionen heucheln.

Sie verloren alles, doch niemals den Stolz,
noch immer kämpfen sie weiter.
Es gibt kein Zurück, Menschen, wie Ebenholz,
doch Schimpfnamen demütigen weiter.

Wir sollten auf Worte des Guten vertrauen,
die schlechten sind leider Geschichte.
Diese ‚schönen‘ zu wollen, ist kein Erbauen,
das macht kein Unrecht zunichte.

Der Mohr im „Struwwelpeter“ 1845 – wo eine dunkle Hautfarbe als Strafe galt
Mohr = Mensch mit dunkler Hautfarbe, ein historischer Begriff aus dem Mittelalter. 

Dieser Begriff bekam später einen zusätzlich herabsetzenden Charakter, denn im 18.
Jahrhundert wurde der Ausdruck „Mohr“ zunehmend durch das Wort „N….“ ersetzt, was auch heute noch die Rassen trennt und primitiv diskriminierend ist. Dieses Wort will verletzen und tut es auch. Deshalb muss es jetzt und in Zukunft aus dem Gedächtnis gestrichen werden.

Ich erinnere an die drei Heiligen aus dem Morgenland, darunter der Mohr 
Balthasar, es gibt schwarze Madonnen und Mohren-Darstellungen in bischöflichen Wappen.

War Jesus von dunkler Hautfarbe oder der von den Kirchen dargestellte blonde, weiße Mann mit hellblauen Augen?

Des Weiteren möchte ich an Anton Wilhelm Amo (1707-1753) erinnern. Er war als hochfürstlicher Mohr der erste schwarzafrikanische Philosoph Deutschlands.

https://de.wikipedia.org/wiki/Anton_Wilhelm_Amo
Jesus von Nazareth – nachgebildetes Foto: Bas Uterwijk

Eiszeit

Bild von Simon H. auf Pixabay

Die Sonne blinzelt durch die Scheiben,
als hätte sie an Kraft verloren.
Ich hab bei diesem Wettertreiben
wenig geschwitzt und viel gefroren.

Sind Pole längst verschoben worden?
Die Erde scheint ins ‚Aus‘ geführt.
Ist dort, wo Norden war, noch Norden,
die neue Eiszeit programmiert?

Kommt das, wo jetzt die Meere stranden,
was Menschen der Natur entrungen,
durch Überflutungen abhanden,
wie von Atlantis einst gesungen?

Gab es ein Land vor unsrer Zeit,
mit Geistesgrößen, die ertrunken,
Hochtechnisiert vor langer Zeit,
laut Platon längst im Meer versunken?

Unsterblich wollten sie sich machen,
mit machtbesessener Eitelkeit,
dann schluckte es des Meeres Rachen,
das einst gemachte Menschenreich.

Die Welt vergeht, sie treibt und wandelt,
was heute glänzt, ist morgen fort.
Die Menschheit forscht, sie lebt und handelt.
Zu spät? Ein andrer führt das Wort!

Die Kunst des Schreibens

Aus dem Poesiealbum meiner Mutter
„Lass die Winde stürmen auf der Lebensbahn/Ob die Wogen türmen gegen deinen Kahn/Schiffe ruhig weiter, wenn der Mast auch bricht/Gott ist dein Begleiter, er verlässt dich nicht.“

Als Blatt Papier, beschrieben sein,
mit bunt bemalten Bildern glänzen,
mit schöner Schrift, gebleicht und fein,
das Leben wortreich zu bekränzen.

Dort, wo der Bleistift korrigiert,
in tristem Grau das falsche Wort,
setzt sich das Schreiben Hand geführt,
als Sinnbild des Charakters fort.

Wenn Stift durch Feder übernommen,
wenn bleibend wird, was unreif war,
in Schrift und Bild ist es vollkommen,
die inn’re Ordnung stellt es dar.

Tintenfass und Gänsekiel
haben heut leider ausgedient,
die schnelle Zeit, sie fordert viel,
selbst unsre Kulis sind ‚vermint‘.

Druckautomatik ‚spricht in Bänden‘,
die Handschrift wird längst abgewöhnt.
Die Schrift, als Kunst von Hirn und Händen,
gilt als Vermächtnis Gold gekrönt!

Verfall und Gnade

Caspar David Friedrich (1774-1840)

Ein Ort voller Namen und Jahreszahlen;
ein Ausruhen von Liebe, Leiden und Qualen.
Das Weltgedächtnis im Massengrab
der Körperwelten, all‘ der, die es jemals gab.

Vorbei an den Steinen kalter Gemäuer,
streift des nachts der Mond wie ein Ungeheuer.
Sie scheinen ihr Schweigen im Mondlicht zu brechen,
hört, wie sie wispern, jammern und sprechen.

Gedankengespinste verweben die Orte,
es stocken dort vor Ehrfurcht die Worte.
Man spürt die Vielfalt der Weltenstufen,
die vergessenen Seelen, die ihr Leben suchen.

Jeder Grabstein spricht von geendeter Zeit,
umschwebt von Angst vor Vergänglichkeit,
ist angefüllt mit morbiden Träumen,
letzter Gruß aus verfallenen Friedhofsräumen.

Der Moment versinkt im tiefen Seelenmeer
aus Weltenschmerz, Tempeln und Götterheer.
Kein Wunsch an die Welt – alle hoffen auf Gnade,
denn, die Freiheit, Falsches zu tun, war keine Gabe.

Wege der Wahrheit

Kloster Kamp – Foto: Gisela Seidel

Die Fesseln sprengen,
Vergangenes segnen,
der Freude im Herzen
mit Liebe begegnen.

Das Neue betrachten,
mit Hoffnung und Wonne,
die Seele erleuchten
mit innerer Sonne.

Die Wege der Wahrheit
mit Weisheit erhellen.
Kein leuchtend’ Talent
unter Scheffel stellen.

Die Blindheit mit
göttlicher Weitsicht füllen,
den Höhenweg ebnen,
um Gottes Willen.

Den Glanz aller Tage
zum Blütenkranz binden,
zu reichen der Herrlichkeit
hinter den Sinnen.

Sommersonnenwende

Hugo Mühlig (1854-1929) – Heuernte am Niederrhein

Die Reife des Sommers bringt Ernte ins Land,
saß als Kind auf dem Heuwagen, oben.
fühlte den Weizen unter der Hand,
seh‘ die Halme im Sommerwind wogen.

Brachten die Schnitter mit Sense und Müh‘
das Getreide in Mühle und Scheuer,
erwartete uns Kinder bereits in der Früh‘,
ein willkommenes Abenteuer.

Hab versucht, auf den Plätzen von einst,
Szenen von damals zu finden,
doch die Gassen sind fremd, die Höfe verwaist,
muss den Strauß aus Erinnerung binden.

Der Schnitter macht vor Menschen nicht Halt –
es sind schon so viele gegangen.
Nach dem Ende des Sommers wird es bald kalt,
das Gedächtnis mit Nebel verhangen.

Ein auf Kopfsteinpflaster endender Klang,
Nachhall gemachter Schritte,
gleicht Sisyphus Arbeit ein Leben lang,
verbleibt im Körper, als Schwere der Tritte.

Schönheit verging, erst heimlich, dann schnell.
Der Frühling ist lang schon Geschichte,
dessen Last trag ich heut noch, wie ein Rebell,
zum Richtplatz… auf dem ich vergebe, nicht richte.